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Dresden: "Super-GAU" im Grünen Gewölbe

Der Einbruch dauerte nur wenige Minuten. Innerhalb kürzester Zeit verschafften sich mutmaßlich zwei Täter durch ein Fenster Zugang zum Historischen Grünen Gewölbe, die Schatzkammer des Dresdner Residenzschlosses. Sie steuerten gezielt auf eine Vitrine zu, in der die mitunter kostbarsten Schmuckstücke der Sammlung aufbewahrt wurden. Mit einer Axt zerschlugen sie das Glas und stahlen Teile mehrerer Juwelengarnituren. Als die Polizei kurz darauf eintraf, waren die Einbrecher bereits geflüchtet.

"Museen sind kein Banksafe"

Am Tag nach dem Coup herrscht noch immer Fassungslosigkeit. Wie ist ein solcher Raub überhaupt möglich? "Wir sind kein Banksafe", sagte der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Eckert Köhne, der Nachrichtenagentur DPA. "Museen sind öffentliche Institutionen, wir wollen öffentliche Häuser sein, die natürlich Besucherinnen und Besucher ansprechen möchten." Das bringe ein gewisses Risiko mit sich.

Jedoch sei der Einbruch in Dresden sofort bemerkt und auf Video aufgezeichnet worden. "Die Sicherheitsmaßnahmen haben also schon gegriffen. Es ist nicht unbemerkt geblieben, was es auch gibt", so Köhne. Wenn genug Brutalität und kriminelle Energie vorhanden seien, komme es eben zu solchen Fällen.

Auch die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, sprach von einem "sehr komplexen" Sicherheitssystem. Dem ZDF sagte sie am Montagabend: "Die Täter konnten nicht alles mitnehmen, weil alle Objekte auch einzeln befestigt waren, sie waren mit Stichen vernäht mit dem Untergrund." Außerdem seien mehrere Alarme ausgelöst worden, "beim Einbruch selbst, durch die Bewegungsmelder im Raum, beim Aufbrechen der Vitrine". Die Polizei sei beim ersten Alarm informiert worden. Das Sicherheitskonzept werde nun erneut gecheckt. "Es muss sicher geprüft werden, wie die Sicherheit noch gesteigert werden kann", so Ackermann.

Die Beute der Diebe ist von unschätzbarem kunsthistorischem Wert. Nach Angaben der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) befinden sich unter den gestohlenen Stücken prominente Kunstwerke der Diamantrosen- und Brillantgarnitur, wie Kleinod und Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens, die Große Brustschleife, eine Kette aus sächsischen Perlen, eine Epaulette und ein mit über 770 Diamanten besetzter Degen.

Diebstahl von langer Hand geplant?

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Larry Lawton, einst einer der größten Juwelendiebe der USA, der inzwischen als Berater für die Polizei arbeitet, dass es sich bei dem Einbruch in Dresden womöglich um den größten Raubüberfall der Geschichte handeln könnte. Er vermutet, dass Profis am Werk waren, die den Diebstahl von langer Hand geplant haben. "Man plant einen Juwelenraub quasi von hinten und fängt mit dem Käufer an", so Lawton. Vorab werde verhandelt, welche Teile man stiehlt und was man dafür bekommt.

Die Täter gingen gezielt auf die Vitrine im Juwelenzimmer zu und schlugen das Glas mit einer Axt ein

In den meisten Fällen steckten Hehler dahinter, die die Schmuckstücke vor dem Weiterverkauf so verändern, dass sie nicht mehr als das erkannt werden, was sie einmal waren, erklärt Lawton. Sollten die Diebe nicht innerhalb von 72 Stunden gefasst werden, drohe dieses Schicksal auch den aus der Dresdner Schatzkammer gestohlenen Juwelen.

Grünes Gewölbe bleibt vorerst geschlossen

Die Museumsleitung hat sich indes mit einer Warnung an die Diebe gerichtet. Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes, bezeichnete die Tat als "Super-GAU". "Das sind alles Schliffe des 18. Jahrhunderts, man kann solche Steine nicht einfach zu Geld machen." Die Historizität und der Erhalt der Schmuckstücke machten deren Wert aus, herausgebrochene Diamanten entwerteten sie, sagte Syndram der DPA. "Es wäre eine Dummheit, das zu machen."

Die Polizei fahndet weiterhin nach den flüchtigen Tätern. Das Historische Grüne Gewölbe von Dresden soll vorerst geschlossen bleiben.

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