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Die Briefmarke: Mehr als ein analoges Prepaid-System

Zugegeben, das Image der Briefmarke hat in Deutschland schwer gelitten. Wer in den vergangenen Jahren in die Verlegenheit kam, aufbewahrte Briefmarken aus der Schreibtischschublade zu kramen, musste höchstwahrscheinlich feststellen, dass ihr Wert nicht mehr für einen Standardbrief reicht.

Seit Jahren erhöhen sich die Preise in Trippelschritten. Zwei Cent, drei Cent, acht Cent, zehn Cent. Das führt mitunter dazu, dass Postsendungen mit weiteren Marken beklebt werden müssen. Das Ergebnis ist ein Briefmarkenmosaik, das jedem Philatelisten ein Graus sein muss. Denn schön, soviel steht fest, sind diese pragmatischen Cent-Marken nicht. Dabei können Briefmarken viel mehr sein als ein analoges Prepaid-System. Mit Sorgfalt ausgewählt, werden sie zum krönenden Abschluss eines Schriftverkehrs - und erzählen zudem oft eine eigene Geschichte.

Zu den Olympischen Spielen 1972 in München gab die Deutsche Bundespost diesen Briefmarkenblock heraus

Abbild deutscher Zeitgeschichte

Ein Blick in deutsche Briefmarkenarchive zeigt: Anhand der kleinen Papiermarken lassen sich mühelos bedeutende Ereignisse aus sieben Jahrzehnten Bundesrepublik Deutschland rekonstruieren. Seit der ersten Sitzung des Deutschen Bundestags am 7. September 1949 erscheinen Jahr für Jahr neue Briefmarkenmotive, die in ihrer Fülle ein bemerkenswertes Abbild deutscher Zeitgeschichte darstellen.

Allerdings schaffen es diese Schmuckstücke heutzutage immer seltener auf einen Briefumschlag. Während 2006 in Deutschland noch rund 70 Millionen Briefe pro Jahr zugestellt wurden, waren es zehn Jahre später nur noch knapp 60 Millionen.

Briefmarken mit Schokogeschmack

Immerhin: Im internationalen Vergleich stehen die Deutschen noch als fleißige Briefeschreiber da. In Dänemark beispielsweise ist die Briefmenge zwischen 2003 und 2016 um 65 Prozent gesunken, in den Niederlanden im gleichen Zeitraum um fast 50 Prozent.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind die Belgier 2013 besonders kreativ geworden. Als Pralinen-Nation haben sie ihren Briefmarken das gewisse Etwas verpasst und 300.000 Briefmarken mit Schokoladengeschmack herausgegeben.

Für den "Schwarzen Einser", die erste in Deutschland herausgegebene Briefmarke (1849), zahlen Sammler bis zu 3000 Euro

Briefe schreiben mit allen Sinnen, vielleicht ist das die Rettung! Aber Vorsicht: Eine Postkarten-App will herausgefunden haben, dass wir beim Befeuchten einer Briefmarke mit der Zunge ein Zehntel einer Kalorie zu uns nehmen. Und in England verkündete die Royal Mail 2001 sogar, dass beim Ablecken einer Briefmarke gleich 5,9 Kalorien aufgenommen würden.

Aber was sind schon ein paar zusätzliche Kalorien im Jahr angesichts einer Handvoll lieber Briefe?

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