Der chinesische Staatchef Xi Jinping betritt die Bühne und präsentiert die neue Führungsriege der kommunistischen Partei Chinas. Nach dem einwöchigen Parteitag steht am Sonntag endgültig fest: Xi Jinping bleibt Generalsekretär der Partei und wird zum mächtigsten Staatschef seit Mao Tse-tung.
Georg Fahrion, SPIEGEL-Korrespondent in Peking
»Dieser Parteitag war ein absoluter Triumph für Xi Jinping. Er hat sich auf der kompletten Linie durchgesetzt. Er hat praktisch alle Leute mit einer eigenen Vita, mit eigenen Netzwerken aus den Machtgremien entfernt. Erfolgreich. Es sind nur noch seine Leute dabei. Es sind nur noch Jasager dabei. Und seine Macht ist im Grunde in den obersten Parteigremien also so gefestigt, wie sie nur sein kann. Also ich glaube, man geht nicht zu weit zu sagen, China hat an diesem Wochenende die Schwelle von einem autoritären System zu einer Diktatur überschritten.«
Den Weg für seine dritte Amtszeit ebnete sich Xi selbst, indem er vor vier Jahren die Amtszeitbeschränkung aufhob. In den vergangenen Jahren hat Xi China konsequent auf einen autoritären Kurs gebracht. Durch die neue Besetzung der Parteispitze mit treuen Gefolgsleuten verschwinden jetzt auch die letzten Gegenpositionen. Diskussionen gab es zuletzt noch um die neue Nummer zwei in der Parteihierarchie – die Person, die aller Voraussicht nach Chinas neuer Premierminister werden soll. Durchgesetzt hat sich Li Qiang. Sein Vorgänger Li Keqiang ist ein promovierter Ökonom mit Erfahrungen in der Zentralregierung – ausschlaggebend für die Neubesetzung scheint jetzt allerdings in erster Linie Loyalität zu sein.
Georg Fahrion, SPIEGEL-Korrespondent in Peking
»Li Qiang ist ein Alliierter, ein Verbündeter von Xi, seit vielen, vielen Jahren, und man hat schon lange darüber geredet, dass er wohl aufgrund seiner Nähe zu Xi Premierminister werden könnte. Dann schienen aber seine Chancen Anfang dieses Jahres total abzustürzen, weil er nämlich Parteichef von Shanghai war. Und Shanghai hat bekanntermaßen einen grauenhaften Lockdown hinter sich von zwei Monate Länge. Und er hat das grandios vermanagt. Also dank Li Qiang ist es erst so weit gekommen, dass dieser Ausbruch sich so großflächig ausgebreitet hat. Und danach hat er die 25 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt für zwei Monate in einen Lockdown gezwungen. Und es war ja, man kann fast sagen, eine humanitäre Notlage, wenn nicht Katastrophe. Und da haben eigentlich alle gedacht, dass so ein Mann nicht mehr unter der geltenden politischen Logik sich hier für höhere Aufgaben qualifiziert. Aber Xi Jinping hat ihn trotzdem berufen, weil ganz offensichtlich die Loyalität, die er ihm gegenüber hat, wichtiger ist als die fachliche Qualifikation.«
Xi verfolgt auch knapp drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie eine konsequente und autoritäre Null-Covid Strategie. Bereits bei wenigen Infektionen in einer Region, drohen strikte Lockdowns. Die Menschen werden mit Hilfe einer App überwacht. Um sich nach außen zu isolieren, sind Chinas Grenzen weitestgehend dicht.
Bilder aus einem Flughafen im Süden Chinas zeigen bewaffnete Sicherheitskräfte und frustrierte Passagiere. Nachdem in der Region ein Lockdown verhängt wurde, durften die Passagiere den Flughafen zunächst nicht verlassen.
Diese Aufnahmen aus Shanghai vom April zeigen die Straßen der größten Stadt Chinas während des knapp zweimonatigen Lockdowns fast menschenleer. Mit Megafonen werden die Bewohner dieser Straße informiert, wo ihre negativen Tests vorzuzeigen sind. Bilder zeigen, wie Essensrationen verteilt werden sollen und die Bevölkerung getestet wird. Lockerungen dieser Politik sind vorerst nicht absehbar.
Georg Fahrion, SPIEGEL-Korrespondent in Peking
»Er hat jetzt gerade auf dem Parteitag noch mal in seiner Auftaktrede klargemacht, dass, so wird es immer verkauft, jedes menschliche Leben wertvoll ist und es Chinas Gegebenheiten nicht entspricht, eine andere Linie zu fahren als die Zero-Covid-Politik, wie wir sie kennen. Insofern haben wir da, glaube ich, auf mittlere Sicht keine Änderung zu erwarten. Ich glaube nur, was noch eine Änderung bringen könnte, wäre wenn mal ein chinesischen mRNA Vakzin entwickelt ist. Das gibt es noch nicht bzw. gibt es schon, ist in China auch noch nicht zugelassen.«
Xi ist nicht nur Präsident Chinas und Generalsekretär der Partei, sondern zudem auch Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, was ihn zum Oberbefehlshaber der chinesischen Streitkräfte macht. Die sogenannte Volksbefreiungsarmee ist nicht der Regierung, sondern der Partei unterstellt. Xi hat das Militär im Laufe seiner Amtszeiten stark ausgebaut und modernisiert. Zusammen mit dem Zementieren von Xis Macht und seinem starken Nationalismus birgt dies jetzt ein erhöhtes Risiko für den Konflikt zwischen China und Taiwan…
Georg Fahrion, SPIEGEL-Korrespondent in Peking
»Also es ist ein Kernstück von Xi Jinpings politischen Denken und seiner politischen Ideologie, die Erneuerung, wie er das nennt, die nationale Erneuerung. Die Erneuerung der chinesischen Nation. Darunter versteht er eine Rückkehr zu nationaler Größe wie China das in den Glanzzeiten, während des Kaiserreichs gehabt hat, wo China ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung beherbergt hat und technologisch uneinholbar weit vorne lag – für viele Jahrzehnte und Jahrhunderte eine Technologie-Macht war, eine Militärmacht war, das reichste Land der Erde und vielleicht in vielerlei Hinsicht auch das mit der entwickeltesten, ausgeprägtesten Kultur war. Da sieht er China, da will er China wieder hinführen. Und ein Teil, also Teil dieser nationalen Reise, soll eben auch die Vereinigung mit Taiwan sein.«
Für Xi wäre die Einverleibung Taiwans die Erfüllung des »chinesischen Traums«. Der oberste Führungskreis besteht nun ausschließlich aus treuen Parteikollegen, die sich seiner Ideologie, dem »Xi-Jinping-Denken«, verschrieben haben. Gegenrede oder Widerspruch hat er dort nicht zu erwarten. Auf dem Parteitag betonte Xi in seiner Auftaktrede erneut, dass China die Taiwan-Frage auch gewaltsame lösen könnte, wenn es auf friedlichem Weg nicht geht.