Patrick Gensing

Journalist, Redakteur, Autor

1 Abo und 5 Abonnenten
Artikel

Angriff auf Pelosi - Im Fadenkreuz der Desinformation

Der mutmaßliche Angreifer auf den Ehemann von Nancy Pelosi hat im Netz gängige Verschwörungslegenden verbreitet. Pelosi selbst steht seit Jahren im Fadenkreuz von Desinformation und Fake News.

Der Mann, der den Ehemann der Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi am frühen Freitag angegriffen haben soll, postete auf Facebook Memes und Verschwörungslegenden über Covid-Impfstoffe, die angeblich manipulierte Präsidentschaftswahl 2020 und den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021, der angeblich nur inszeniert gewesen sei, um Trump-Anhängern zu schaden.

Der 42-jährige David DePape wurde am Freitag von der Polizei als der Verdächtige bei dem Angriff auf Paul Pelosi im Haus der Sprecherin in San Francisco identifiziert. Der Angreifer hatte versucht, Paul Pelosi zu Hause zu fesseln, und rief: "Wo ist Nancy?“

Legenden und Falschbehauptungen

Verwandte von dem Verdächtigen erklärten gegenüber dem Sender CNN und anderen US-Medien, der mutmaßliche Täter habe sich seit Jahren von seiner Familie entfremdet; sie bestätigten, dass das Facebook-Konto - das am Freitag von dem Social-Media-Unternehmen gelöscht wurde - ihm gehört habe.

Im vergangenen Jahr postete der Verdächtige dort beispielsweise Links zu mehreren Videos, die fälschlicherweise behaupteten, dass die Wahl 2020 gestohlen worden sei. Andere Beiträge enthielten transphobe Bilder und Links zu Websites, auf denen behauptet wurde, Covid-Impfstoffe seien tödlich.

Zwei Tage nachdem der ehemalige Polizeibeamte von Minneapolis, Derek Chauvin, des Mordes an George Floyd für schuldig befunden wurde, schrieb der Verdächtige, dass der Prozess "ein moderner Lynchmord" sei und behauptete fälschlicherweise, dass Floyd an einer Überdosis Drogen gestorben sei.

Der 42-jährige Verdächtige postete auch Inhalte über den "Great Reset" – ein Schlüsselbegriff in Verschwörungsideologien. Demnach nutzen globale Eliten das Coronavirus, um eine neue Weltordnung einzuführen, in der sie mehr Macht erlangen und die Massen unterdrücken. Der Mann verbreitete zudem rassistische und antisemitische Posts, darunter einen, in dem es hieß: "Je mehr Ukrainer unnötigerweise (im Krieg mit Russland) sterben, desto billiger wird das Land für Juden zum Aufkaufen sein". 

In den vorherigen Jahren hatte der Verdächtige auch lange Abhandlungen über Religion gepostet, darunter die Behauptung, Jesus sei der Antichrist".

Zahlreiche Fakes über Pelosi

Laut CNN hatten die öffentlichen Beiträge keine direkten Bezüge zu Nancy Pelosi. Die Politikerin steht allerdings bereits seit Jahren im Fadenkreuz der Desinformation. Durch gefälschte Tweets, erfundene Zitate oder auch manipulierte Videos soll sie diskreditiert werden. Ein solches Video zeigt eine Rede von Pelosi – allerdings verlangsamten Unbekannte die Geschwindigkeit leicht. Dadurch wirkt es so, als sei Pelosi betrunken oder stehe unter Drogen. 

Faktenchecker in den USA haben viele Dutzend Falschmeldungen über Pelosi widerlegt. Ex-Präsident Donald Trump hatte sie immer wieder beleidigt und mit falschen Zitaten verunglimpft. Im Kontext mit dem Angriff von Trump-Anhängern auf das Kapitol wurde behauptet, Pelosi habe die Attacke inszeniert. So behaupteten zahlreiche Nutzer, die Sprecherin des Repräsentantenhauses habe am 6. Januar 2021 die Unterstützung durch Sicherheitskräfte abgelehnt und ein Kamerateam angeheuert, das mit ihrer Tochter, einer Dokumentarfilmerin, zusammenarbeitete. Tatsächlich hatten Trump-Anhänger ihr Büro gestürmt und gerufen: "Wo ist Nancy?"

Und auch direkt nach der Attacke kursieren bereits neue Spekulationen und Gerüchte. Der neue Twitter-Eigentümer Elon Musk teilte einen Artikel einer rechtsradikalen Seite, in dem ohne Belege oder Indizien über den Angriff spekuliert wird.

Angriff mit einem Hammer

Der Verdächtige griff Paul Pelosi am Freitag mit einem Hammer an, Nancy Pelosi hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Washington, D.C. auf, berichten US-Medien. Ihr Ehemann erlitt einen Schädelbruch und schwere Verletzungen am rechten Arm und an den Händen. Er wurde operiert. Dem Verdächtigen wird laut Polizei unter anderem versuchter Mord vorgeworfen. 

Die Suche nach dem Motiv liefe noch. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass es sich um ein politisches Motiv handelt, bei dem Verschwörungslegenden der Treibstoff ist. DePape wäre somit der nächste rechtsradikale Homegrown Terrorist der USA.