Nationalmannschaft
- Patrick DirriglWährend der Saison trafen wir Joe Voigtmann und Tibor Pleiß in Valencia zum Interview. Unsere Nationalspieler über Vollkornbrot, Bälle im Low-Post, den Blick zur NBA und die Medaillenchancen bei der WM 2019:
Ihr spielt die Saison in Spanien - Was kriegt man da eigentlich aus Deutschland mit? Wie habt ihr beispielsweise erfahren, dass Djordjevic in München entlassen wurde?
Tibor: Das war ganz witzig: Wir kamen gerade bei Panathinaikos an, als direkt unser General Manager zu mir kam und sagte: ‚Hast du das gelesen?' Ich konnte es erst nicht glauben, wusste ja, dass die Bayern zwischendurch 20 Spiele in Serie gewonnen hatten. Da es kurz vor dem ersten April war, dachten wir erst an einen verfrühten Aprilscherz.
Joe: Ich habe davon erfahren wie alle anderen auch: über Twitter. Irgendwann nach dem Vormittags-Training. Ich war natürlich überrascht. Es wird Gründe gegeben haben, die wir alle nicht kennen, es war aber auf jeden Fall sehr überraschend. Wenn du in der Liga nur zwei Spiele verloren hast, im EuroCup im Halbfinale standest und den Pokal gewonnen hast: Da durften schon Leute bleiben, obwohl sie weniger erreicht hatten. Ich habe natürlich mit Danilo (Barthel, Anm. d. Red.) gesprochen und der klang auch ziemlich überrascht.
Habt Ihr noch viel Kontakt zu Spielern aus der easyCredit BBL?
Tibor: Eher weniger. Ab und zu mit Philipp Schwethelm, das ist mein Buddy aus Köln, wir sind zusammen aufgewachsen. Mit Karsten Tadda spreche und schreibe ich. Es gibt ein paar Jungs, mit denen ich mich mal austausche, aber durch die Distanz ist das nicht so einfach, wenn man nicht gegeneinander spielt. Mit Joe tausche ich mich schon mal aus, wenn wir gegeneinander spielen.
Joe: Mit meinen früheren Mitspielern habe ich natürlich noch Kontakt. Nach Bayreuth habe ich einen guten Draht, weil ich den Co-Trainer Lars Masell sehr gut kenne: Ich arbeite öfter in der Off-Season mit ihm zusammen. (Masell war Voigtmanns erster Basketballtrainer, Anm. der Redaktion)
Tibor: Da erinnert sich jemand. Vollkornbrot, Möhrenbrot - das ist schon was Gutes. Aber, klar: Familie und Freunde vermisse ich schon, aber es ist jetzt nicht so, dass ich Heimweh habe. Dafür mache ich den Job hier schon viel zu lange. Es ist natürlich schon schön, wenn man den Freunden und der Familie im Sommer für ein paar Wochen näher ist und gemeinsam was unternehmen kann.
Joe: Vollkornbrot vermisse ich gar nicht so sehr. Aber vor kurzem stellte mir einer aus unserem Verein die gleiche Frage und meine Antwort war: ‚Mit dem Hund ins Restaurant gehen'. Hier in Spanien kannst du das nämlich nicht bringen. So lange du dich draußen irgendwo hinsetzt, ist das kein Problem, aber wenn das Wetter schlecht ist und du reingehen musst, ist das echt schwierig. In Deutschland kannst du ja in jedem normalen Restaurant deinen Hund mitnehmen. Hier aber nicht. Wir haben jetzt in Vitoria trotzdem ein Café gefunden, in dem es erlaubt ist. Ansonsten vermisse ich meine Familie natürlich und auch dieses ganze Deutsche, du weißt schon: das Geordnete und so - was man eigentlich gerne als Klischees abtut, wo man jetzt aber merkt: Es ist wirklich so.
Tibor: Von meiner Seite aus ist das nicht ganz so leicht einzustufen. Meine letzte Saison in Deutschland liegt jetzt sechs Jahre zurück und ich denke schon, dass sich die Bundesliga sehr gut weiterentwickelt hat. Mir ist aufgefallen, dass es in der spanischen Liga schneller zugeht. In Deutschland wird zuerst ruhig aufgebaut und dann attackiert, in Spanien dagegen geht es manchmal erst gar nicht bis ins System. Da wird hoch- und runtergeflitzt.
Joe: Also mit weniger System wird hier meiner Meinung nach nicht gespielt. Ich habe das Gefühl, dass du hier in Spanien mehr Bälle im Low-Post hast. Bei manchen Teams ist das ganz extrem. Valencia macht sehr viel mit (Bojan) Dubljevic im Post. In den meisten Fällen ist es auch so, dass sie dich Low-Post spielen lassen. In Deutschland wird viel gedoppelt: Gerade wir in Frankfurt haben immer gedoppelt. Hier ist alles ein bisschen freier. Die deutsche Liga ist ein bisschen athletischer, aber härter würde ich nicht sagen. Ich denke, dass die technische Ausbildung bei den spanischen Vereinen in der Breite noch ein bisschen besser ist als in der Bundesliga. Es kommt auch immer auf die Mannschaft an. Unser Team spielt wirklich wie ein typisches ACB-Team: Viel Pick-and-Roll. Andere Teams spielen mehr aus indirekten Blöcken. In der Bundesliga spielt mit Berlin quasi auch ein „spanisches" Team. In ihrer Verteidigung fällt auf, dass sie mit dieser ‚Ballside-Hilfe' beim Pick-and-Roll spielen. Das wurde in Spanien die ganze Zeit gespielt. Hier rücken sie jetzt ein bisschen davon ab, weil alle Gegner etwas gefunden haben, wie sie dagegen angreifen können.
Welche ist die härteste Arena in Spanien?
Tibor: In Spanien erwarten die Zuschauer sehr viel, sie wollen, dich kämpfen sehen. Wenn du hier einen wichtigen Rebound holst, ist das für die als ob du das Spiel gewonnen hast. Du hast überall viel engagiertes Publikum, aber Valencia und auch Vitoria sind schon etwas Besonderes. Ich habe ja auch mal in Vitoria gespielt: Wenn du da etwas gut machst, flippen die aus. Vitoria ist für Gästeteams extrem schwer zu spielen. Ich habe damals sehr gerne da gespielt. Als Heimmannschaft hast du dort Vorteile, aber kommst du als Gegner, kann es schon unangenehm sein, wenn du 15.000 Zuschauer gegen dich hast. Zudem schwanken die Temperaturen in der Halle ziemlich stark: Im Winter kann es extrem kalt sein und im Sommer extrem warm.
Joe: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Halle bei uns die härteste für die Gegner ist. Mir ist hier in Valencia heute aufgefallen, dass sie jetzt hier auch diese Klatschpappen haben: Davon bin ich gar kein Fan, weil ich glaube, dass das die ganze Stimmung zerstört. In manchen Hallen in der Bundesliga ist das gut - wenn du dort die Klatschpappen nicht hättest, wäre es ein bisschen träge. Aber bei uns in Vitoria hast du einen Fanblock, der die ganze Zeit singt. Zudem noch eine Marching-Band, die Stimmung reinbringt - da brauchst du keine Klatschpappen. Das monotone Klatschen würde die ganze Stimmung versauen.
Tibor: Die Copa del Rey hat auf jeden Fall eine größere Bedeutung. Ich habe damals mit Vitoria die Supercopa gewonnen. Das ist ein Viererturnier, welches ähnlich wie der Champions Cup in Deutschland vor dem Saisonstart ausgetragen wird. In Deutschland ist das keine große Nummer, hier in Spanien aber schon - Wenn du da gewinnst, kommst du mit Banner unter die Hallendecke. Generell wird Basketball in Spanien mehr gelebt.
Joe: Wahrscheinlich hat der Pokal in Spanien eine hundertmal so große Bedeutung. Das Top Four in Deutschland hat keine vergleichbar lange Tradition und wurde aus meinem Empfinden immer so ein bisschen belächelt, weil: ‚Da sind ja nur die ersten sechs oder sieben Teams dran beteiligt'. Hier in Spanien dagegen ist der Pokalsieg was ganz Großes, Wertschätzung satt, vielleicht sogar gleichbedeutend mit der Meisterschaft.
Tibor: Solche Gedanken kommen für mich noch zu früh. Wir haben jetzt mit Valencia noch wichtige Spiele in der ACB. Ich würde mich freuen, wieder Euroleague zu spielen, das war immer etwas Besonderes für mich und ich bin auch stolz, schon so viele Spiele dort gemacht zu haben: Vor kurzem habe ich mein 150. Spiel gemacht - da bin ich stolz drauf. Wo es nächstes Jahr hingeht, lasse ich auf mich zukommen.
Joe: Ich spiele diese Saison zu Ende, dann hat Vitoria eine Option. Es wird daran hängen, ob sie gezogen wird oder nicht. Falls nicht, müsste ich mich umsehen, was es sonst gibt. Ich könnte mir die NBA auf jeden Fall vorstellen, falls sich eine sinnvolle Möglichkeit ergibt. Und ist das nicht der Fall: Ich fühle mich hier super wohl, das ist die Hauptsache. Deshalb wäre es für mich auch schön, wenn ich hierbliebe.
Tibor: Wann gibt's ne Medaille für Deutschland? Die Frage gebe ich mal direkt weiter.
Joe: Wann ist das nächste große Turnier? Die Weltmeisterschaft 2019 ...
Tibor: ... Dann gibt's dort die Medaille.
Joe: Da bin ich mir sicher: Bei der EM 2017 haben uns nur zwei oder drei Prozent zur Medaille gefehlt. Unser Ziel muss ganz klar sein, beim nächsten Turnier auf dem Treppchen zu stehen - die Qualität haben wir. Wenn wir alle gesund bleiben und Bock haben, wüsste ich nicht, warum es nicht klappen sollte.
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