Patrick Dirrigl

Freier (Sport-) Journalist, Köln

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Vor Pokalspiel gegen 1860: Die Kickers sind Würzburgs ganzer Stolz

Daumen hoch: Für Trainer Hollerbach und die Kickers geht es scheinbar immer weiter bergauf (© DPA)

„Was hier in den letzten Jahren passiert ist, ist einfach der Wahnsinn", sagt Clemens Schoppenhauer, der Innenverteidiger der Würzburger Kickers, als er auf die Entwicklung seines Klubs angesprochen wird. „Also wenn ich daran zurückdenke, als ich das erste Mal das Stadion gesehen habe...", erinnert sich der 24 Jahre alte Stammspieler - er war bei allen 1020 Spielminuten dieser Saison auf dem Feld - und beginnt zu lachen. Zum 1. Juli 2014 wechselte Schoppenhauer von Werder Bremen II nach Unterfranken, das Stadion am Dallenberg, mehr als 50 Jahre alt und bis zu diesem Zeitpunkt nie wirklich renoviert, besaß noch nicht einmal eine Flutlichtanlage.


Heute, zwei Jahre und zwei Aufstiege später - der Meisterschaft in der Regionalliga folgte der Durchmarsch in Liga drei, was zuvor nur RB Leipzig gelang -, hat sich beim Stadion im Würzburger Stadtteil Dallenberg einiges getan: Die Gegengerade wurde komplett durch Stahlrohrtribünen ersetzt, die Kapazität des Stadions hat sich so von 10.000 auf 13.500 erhöht. Und spätestens seit dem Heimspiel gegen den Karlsruher SC, als nach der Halbzeit für 15 Minuten die Beleuchtung ausblieb, das Spiel unterbrochen werden musste und die Würzburger Fans daraufhin stimmungsvoll mit der Taschenlampen-Funktion ihrer Smartphones Licht spendeten, weiß Fußball-Deutschland, dass die Kickers nun mit einer Flutlichtanlage ausgestattet sind.


„Man merkt den Stolz in der ganzen Stadt"


„Als ich damals nach Würzburg gewechselt bin, habe ich überhaupt nicht daran gedacht, in der zweiten Liga zu spielen, zudem so erfolgreich", sagt Schoppenhauer über Platz sechs und die 17 gewonnenen Punkte in zehn Spielen. Die Zweite Fußball-Bundesliga wird in der Stadt Würzburg sehr gut angenommen: Kamen in der vergangenen Saison in Liga drei noch durchschnittlich knapp über 5000 Zuschauer, sind es nach bislang fünf Spielen in Liga zwei im Schnitt mehr als 11000 Fans. „Man merkt den Stolz in der ganzen Stadt, dass der Verein erstmals seit fast 40 Jahren wieder im Konzert der Großen in der zweiten Bundesliga mitspielen kann", sagt Fabian Frühwirth, verantwortlich für Medien und Kommunikation der Würzburger.


1977/1978 gab es bei den Unterfranken zuletzt Fußball in der zweithöchsten deutschen Spielklasse - und das nur für eine Saison in der zweiten Bundesliga Süd. Der Motor des neuen Aufschwungs ist Bernd Hollerbach: Seit Sommer 2014 ist der 46 Jahre alte gebürtige Würzburger, der als Assistenzcoach von Felix Magath 2009 mit dem VfL Wolfsburg deutscher Meister wurde, Trainer und Manager zugleich bei den Kickers. Hollerbach verpflichtet überwiegend Spieler, die bei ihren vorherigen Vereinen nicht immer voll zum Zug kamen und zudem wenig bis keine Ablöse kosten.


Neue Leistungsträger wie Sebastian Neumann (VfR Aalen), Innenverteidiger und neuer Kapitän, Patrick Weihrauch (FC Bayern II) kamen beispielsweise ablösefrei, zudem wurde mit Júnior Diaz (Mainz 05 und zuletzt Darmstadt 98) unter anderen ein erfahrener Verteidiger verpflichtet. Hollerbach führte sein Team nicht nur direkt von der vierten in die zweite Liga, von den 82 Ligaspielen, die seine Mannschaft unter seiner Leitung bestritt, wurden nur zwei Spiele mit mehr als einem Tor Differenz verloren: das 0:2 gegen den KSC und ein Spiel im August 2014, ebenfalls mit 0:2 - der Gegner war ausgerechnet der TSV 1860 München II, die Zweitvertretung des Gegners in der zweiten Runde des DFB-Pokals an diesem Dienstag.


Hollerbachs Würzburger stehen defensiv sehr kompakt, verteidigen aber stets nach vorne und laufen ihre Gegenspieler immer wieder im Spielaufbau an - und das über die komplette Spielzeit. Gegen den KSC ging das Konzept aber nicht auf. „Das sagt schon etwas aus, wenn sich die eigentlichen Favoriten gegen uns hinten reinstellen", sagt Clemens Schoppenhauer. Sollte sich 1860 München, das Anfang Oktober 0:2 gegen die Unterfranken verlor, auf dem Spielfeld ebenfalls tiefer staffeln, müssen laut Hollerbach alle Spieler „am Limit spielen, um etwas zu holen. Mit nur 95 Prozent können wir nichts reißen", sagt der Trainer und fügt hinzu: „Teamgeist, Einsatz und Wille müssen bei uns zu 100 Prozent aufs Feld gebracht werden - dann werden wir wieder ein unangenehmer Gegner sein."


Hollerbach gefällt der Modus des DFB-Pokals: „Du hast nur ein Spiel, in dem du deine Leistung bringen musst, du hast keine Chance, etwas wieder gutmachen zu können. Natürlich gibt es im Pokal ein paar Euro zu verdienen, die können wir gut gebrauchen." Etwa für weitere Renovierungen des Stadions, das zu 100 Prozent vom Verein getragen wird - die Stadt Würzburg will sich zukünftig an der Gründung einer Stadiongesellschaft, wie es in den meisten Profifußball-Standorten Deutschlands bereits üblich ist, finanziell beteiligen. Die Würzburger sehen Rang sechs in Liga zwei als eine Momentaufnahme und kalkulieren Misserfolge ein - auch, dass es gegen die Münchner „Löwen" nicht unbedingt zum ersten Einzug in ein Achtelfinale des DFB-Pokals für die Kickers kommt. „Wir haben hier schon ein Stück weit Fußballgeschichte geschrieben", sagt Schoppenhauer. „Dahinter steckt sehr viel Arbeit. Man sollte nie vergessen, was hier geleistet wurde."

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