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Heimische Gelsen stechen Tigermoskitos aus

Warum ist es in Singapur verboten, leere Kokosnüsse im Freien liegen zu lassen? In den mit Regenwasser gefüllten Schalen entwickeln sich Stechmücken, vom Ei bis zur Imago, wie das adulte Insekt heißt. In unseren Breiten brüten vor allem Hausgelsen in Regentonnen, draußen gelagerten Altreifen, Friedhofvasen oder anderen „Kleinstgewässern anthropogenen Ursprungs", sagt Hans-Peter Fuehrer vom Institut für Parasitologie der Vet-Med-Uni Wien. Er arbeitet derzeit, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, an einer Aktualisierung des ostösterreichischen „Stechmücken-Artinventars". Gemeinsam mit seinem Team hat er in den vergangenen zwei Jahren an 27 Orten in der Region Stechmücken gefangen. Die Tiere zu bestimmen ist schon eine Wissenschaft für sich: „Man wird dafür sechs Monate lang am Mikroskop eingeschult", so Fuehrer.


Würmer für Hund und Mensch

Im nächsten Arbeitsschritt werden die Stechmücken „gepoolt", das heißt: Individuen derselben Art von einem Fangort werden gemeinsam in ein Röhrchen gesteckt und auf Parasiten und Viren getestet. Die Tests laufen noch, doch wurden erste Erkenntnisse soeben im Fachjournal „PLOS Neglected Tropical Diseases" („Vernachlässigte Tropenkrankheiten") publiziert: Dirofilarien, vor allem zwei Arten dieser parasitären Fadenwürmer, wurden bisher vorwiegend in Süd- und Osteuropa von Stechmücken übertragen, die auch in Österreich beheimatet sind. Beide betreffen vorrangig den Hund, können aber auch Menschen infizieren: Bei Dirofilaria repens ballen die Fadenwürmer sich im Gewebe zu Hautknoten, die häufig mit Tumoren verwechselt werden. Seltener kann dieser Fadenwurm „ins Auge gehen", wie Fuehrer sagt, „da schwimmt der Wurm tatsächlich im Auge herum".

Dirofilaria immitishingegen nistet sich als Herzwurm ebendort oder in der Lungenschlagader ein und ist vor allem für kleine Hunde gefährlich. Bei Mensch und Tier verursachten beide Pathogene bereits - wenige - Krankheitsfälle in Österreich; D. immitis wurde aber immer eingeschleppt und somit bisher nicht autochthon, also im Inland, übertragen.

Deshalb ist es wichtig, die Ausbreitung des Erregers zu beobachten: „In Ungarn gab es bis vor circa zehn Jahren auch keine autochthonen Fälle. Mittlerweile hat sich der Herzwurm im Großteil des Landes bis an die österreichische Grenze etabliert", gibt Fuehrer zu bedenken. Ob diese fällt, hängt auch von der Hundehaltung ab: In Osteuropa leben Hunde häufig als Streuner oder im Zwinger, in Österreich hingegen meist im Haus, was sie dem Zugriff des per Stechmücke übertragenen Parasiten entzieht.

Dennoch: Wie kam es zur raschen Süd-Nord-Ausbreitung? „Das passiert temperaturbezogen und ist direkt mit dem Klimawandel assoziiert", erläutert Fuehrer. Höhere Durchschnittstemperaturen in Österreich begünstigen nicht nur eingeschleppte Pathogene - sondern auch eingeschleppte Stechmückenarten, ein weiterer Schwerpunkt der aktuellen Studie.

42 heimische Stechmückenarten wie die Hausgelse stehen vier nicht-einheimischen gegenüber, von denen wiederum zwei als Krankheitsüberträger relevant sind: die japanische Buschmücke, die in Österreich klimatische Bedingungen wie in ihrer Heimat findet und z. B. das Westnilvirus überträgt, und der asiatische Tigermoskito Aedes albopictus. „Vor etwa einem Monat bestätigte eine Studie, dass Tigermoskitos das Potenzial haben, Zika zu übertragen", sagt Fuehrer.

In Bezug auf das Zika-Virus und heimische Stechmücken sei in Österreich derzeit jedenfalls keine Panik nötig, so Fuehrer: Denn der primäre Zika-Überträger ist der Gelbfiebermoskito, Aedes aegypti, - „den gibt es nicht in Österreich und so gut wie nicht in Europa, weil das Temperaturprofil nicht passt". Auch der Tigermoskito wurde in den Studienjahren 2014 und 2015 in Ostösterreich nicht gefangen. Im Sommer ist er laut Europäischem Zentrum für Krankheitsprävention ECDC entlang der Inntalautobahn zu finden, „weil die Tiere mit den Autos aus Italien mitgeschleppt werden", berichtet Fuehrer. Dennoch etablieren sie sich (noch) nicht, weil die Winter zu streng sind. Dem Tigermoskito aber kommt laut Fuehrer insgesamt besondere Bedeutung zu: nicht weil er Zika mit sich bringen könnte, sondern zwei virale Tropenfieber, Dengue und Chikungunya.


LEXIKON

Nur weibliche Stechmücken stechen, sie benötigen die Proteine für die Eiproduktion; die Männchen ernähren sich wie Bienen etwa von Nektar. Manche Arten legen ihre Eier z. B. in Altreifen, in denen sich Wasser sammelt. Die Eier bleiben jahrelang fruchtbar, entwickeln sich aber erst weiter, wenn sie wieder mit Wasser in Kontakt kommen.

Invasiv
nennt man eingewanderte oder eingeschleppte Tiere oder Pflanzen, wenn sie einheimische Arten verdrängen. Bei Stechmücken in Österreich ist das derzeit nicht der Fall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)


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