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F. u. c. k

Hackerinnen, Jura-Studentinnen, Künstlerinnen und Schauspielerinnen kämpfen gegen Sexismus - "ein T-Shirt mit feministischer Aufschrift reicht nicht"


Auf dem Foto hält sie zwei grelle Lichtröhren über Kreuz vor ihrem Oberkörper. Als ob die Röhren Schwerter wären. Sie ist nackt. Die Brüste überdeckt von den beiden Lichtstreifen. Nippel dürfen bei Facebook nicht gezeigt werden. Unter ihrem Schlüsselbein ein Schriftzug: #DEARHARVEY steht da in dicken, schwarzen Großbuchstaben. Das ist der Name der Performance, die Azeret Koua, 24, Ende Juni in den neuen Räumen der Studiobühne der LMU an drei Tagen auf die Bühne bringen wird. Die Frau auf dem Foto ist sie übrigens selbst. Auf Facebook werden noch weitere Fotos der Darstellerinnen folgen, die in #DEARHARVEY zu sehen sind. Alle mit nacktem Oberkörper. Alle mit dem gleichen Schriftzug auf der Haut.


Wer gedacht hat, dass hier "nur" ein Brief an Harvey Weinstein geschrieben wird, der irrt. Denn Azerets Kouas Inszenierung geht über den Weinstein-Skandal hinaus. Greift noch tiefer: Die gesamte Gesellschaft soll angesprochen werden. "Es ist eine allgemeine Performance über das Patriarchat. Die Hypersexualisierung des weiblichen Körpers. Wie verhindert man Machtmissbräuche? Es geht um Sexismus, sexuelle Gewalt und ja - auch Feminismus. Was ist das überhaupt? Dieser fast schon vage Begriff?", sagt die 24-jährige Studentin der Theaterwissenschaft. Die Besetzung der Performance ist rein weiblich und international. "Aber wir haben auch Männer im Team. Ohne Männer funktioniert es ja nicht", sagt Azeret. Gleichberechtigung wird auch thematisiert. Azeret geht es aber vor allem um die allgemeine Auseinandersetzung mit diesen Themen: "Die Leute sollen mit Diskussionsbedarf aus der Performance rausgehen." Um die Stille zu brechen. Sie sollen endlich diskutieren. Miteinander reden. Aus diesem Grund wird es nach der Premiere, am 28. Juni, eine Paneldiskussion geben. Es soll gemeinsam mit dem Publikum weitergedacht werden: Wie kann es nach #MeToo weitergehen?


Azeret und ihr Team haben während der Proben immer wieder über die Themen, die in der Performance behandelt werden, diskutiert. Sie sagt: "Wir haben intensive Gespräche über diese gesellschaftlichen Probleme geführt. Jeder hat eine andere Art und Weise sie anzugehen. Diese Auseinandersetzung ist produktiv gewesen."


#DEARHARVEY wird Azeret Kouas fünftes Stück sein. Eigentlich wollte sie Anwältin für Menschenrecht werden. Sie hat auch zwei Semester Jura studiert - das war irgendwie doch nicht das Richtige. Sie wechselte zur Theaterwissenschaft. Als im vergangenen Oktober durch den Fall Weinstein die #MeToo-Debatte startete, "konnte ich einfach nicht anders, ich musste dieses Thema irgendwie bearbeiten", sagt sie. Und: "Ich bin zwar nicht Anwältin geworden, aber ich kann trotzdem mein Bestes geben, um die Welt ein bisschen besser zu machen." Ornella Cosenza


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