Fishing, shanking, swimming, Dip, Ching, Chef - das sind Slangwörter und sie bedeuten eigentlich alle dasselbe: nämlich abstechen, abstechen und nochmals abstechen. Vermummte oder maskierte Typen laufen durch ihr Viertel und bedrohen, wer auch immer auf der Straße ist. Das ist der junge, der gewaltigere Bruder des klassischen Gangster Rap - der Name dieses Genres: Drill Music.
Drill kommt ursprünglich aus Chicago und ist dort mit Rappern wie Chief Keef erfolgreich geworden. Kanye West und 50 Cent arbeiten mit Drill Musikern. Während Drill in den USA in den Mainstream wanderte, entwickelte sich im UK ein eigenes Untergenre von Drill. "Jugendliche, vor allem junge schwarze Männer, rappen über ihren Lifestyle und das Leben in ihren Communitys", erklärt Jasmine Dotiwala, Autorin und Hip-Hop Kennerin in London. "Hauptsächlich geht es um destruktive Lebensentscheidungen. So haben die jungen Künstler ihr eigenes Genres entwickelt und der Drill aus London klingt anders, als der Drill aus anderen Städten."
Gangs, die Rap machen - Rapper, die Gangster sindIn ganz Großbritannien, insbesondere aber in den ärmeren Stadtvierteln im Süden Londons, ist Drill am weitesten verbreitet. Bei Gangs, die Rap machen, und bei Rappern, die eben auch Gangster sind. Und zwar wirklich gewalttätige Gangster - so wie der Londoner Rapper M-Trap. Vom Abstechen und Wegrennen rapt M-Trap, und er macht seine Ankündigung wahr: Im August 2017 ersticht er einen Jungen auf der Straße. Der Junge stirbt. M-Trap wird zu 18 Jahren Haft verurteilt. Dieser Vorfall ist keine Ausnahme: In London kommt es immer häufiger zu solchen Gewalttaten. "Knife Crime", also Gewalt mit Messern ist in England und Wales im letzten Jahr um ein Viertel gestiegen. Oft waren es noch Schüler, die in den Messerstechereien involviert waren - sowohl als Täter als auch als Opfer. In London starben allein in der Silvesternacht vier Teenager, 22 wurden im März umgebracht.
In den Medien liest man von einer "Krise" und einer "Epidemie". In diesem Klima stellt die Leiterin der Metropolitan Police, Cressida Dick, eine Verbindung her. Eine Verbindung zwischen den Knife Crimes, der Drill Music und Social Media, wo der gewaltverherrlichende Drill verbreitet wird. "Wenn es um Beleidigungen und um die Glorifizierung der Gewalt geht, müssen auch die großen Technikkonzerne soziale Verantwortung übernehmen, kooperativ sein und die Videos löschen. Ich glaube, diese Musik hat einen schrecklichen Einfluss", erklärt sie.
Musikvideos löschen?Eine Antwort der Polizei auf die Gewalttaten mit Messern ist es YouTube aufzufordern, Musikvideos zu löschen. Mehrere Dutzend Drill-Videos sind mittlerweile vom Netz. "Facebook, Twitter, Snapchat, Whatsapp - das sind unsere Kommunikationskanäle. Mitglieder von Straßen-Gangs nutzen diese Plattformen. Was in den sozialen Netzwerken passiert, findet ihren Ausdruck dann auch in der physischen Welt", sagt Craig Pinkney, Kriminologe und Urban Youth Experte in einer Sendung der BBC. Pinkney hat vor kurzem eine Studie über die potenziellen Gefahren der Drill-Szene veröffentlicht. Darin schreibt er, dass auch die "Audience" eine Rolle spielt: Sie wirke wie ein Verstärker der Gewalt in den Drill-Videos, so der Kriminologe. "Die meisten Experten für die "Youth Violence" Kommission sind sich einig, dass die Lebensbedingungen für die Jugendlichen extrem negativ sind: Arbeitslosigkeit, Ein-Elternteilfamilien etc.", erklärt die Szene-Kennerin Jasmine Dotiwala. "Die Gründe weshalb jemand gewalttätig wird, sind marginal im Vergleich zu den sozialen Auslösern. Diese Jugendlichen drücken ihre Erfahrungen durch Musik aus, manchmal extrem brutal. Heute wird Musik für Gewalt verantwortlich gemacht. Dabei ist Musik ein Ventil, um mit ihrer Lebensrealität klarzukommen."
Ist Drill eine drastische Beschreibung der Realität oder eine stumpfe Gewaltverherrlichung? Die Behörden versuchen mit dem Löschen von Videos dem Problem beizukommen - und mit vermehrten Polizeikontrollen in den "Problem-Bezirken". Aber so lange das die einzige Antwort auf die Knife Crimes in England ist, wird sich wohl wenig ändern.
Von: Ornella Cosenza & Maria Fedorova
11.06.2018