(Foto: imago/Moritz Müller)
Er ist fünfmaliger Weltmeister und zählt lange zu den großen Stars des Boxsports. Doch Felix Sturm gerät mit dem Gesetz in Konflikt, muss sich mehrfach wegen Steuerhinterziehung sowie wegen Verdacht des Dopings und Körperverletzung verantworten und landet schließlich für mehr als acht Monate in Untersuchungshaft. Eine dreijährige Haftstrafe droht ihm weiterhin, derzeit läuft die Revision. Nun aber kehrt der 41-Jährige in den Ring zurück. Im ntv.de-Interview spricht er über seine Ziele, die Situation im deutschen Boxsport und die Zeit im Gefängnis. ntv.de: Herr Sturm, wenn Sie am 19. Dezember in den Ring steigen, wird Ihr letzter Kampf vier Jahre und zehn Monate zurückliegen. Was für einen Felix Sturm darf man da erwarten?Sturm: Ich möchte keine großen Ankündigungen machen. Ich gebe meine Antworten lieber im Ring. Danach kann sich jeder sein eigenes Bild machen. Für meinen Gegner Timo Rost ist es der größte Kampf seines Lebens. Er wird hochmotiviert sein. Er ist boxerisch beweglich und schnell. Darauf stellen wir uns ein. Mein Fokus liegt nach der langen Pause allerdings auf mir selbst.
Früher haben Sie hohe Gagen kassiert. Diesmal sollen Sie ohne Honorar boxen. Warum tun Sie das?Für mich war einfach wichtig, die Plattform zu bekommen und mich zu präsentieren. Ich will zeigen, dass ich noch auf höchstem Niveau boxen kann und 100-prozentig fit bin. Es geht hier nicht um Geld. Geld war für mich nie die große Motivation. Jeder Boxer, der auf hohem Niveau boxt, möchte in erster Linie gewinnen und Champion werden. Der Rest ergibt sich dann von allein. Wenn man es nach oben schafft, kommt das Geld automatisch. Mir ist jetzt wichtig, dass ich an meine früheren Leistungen anknüpfen kann.
Ihr Ziel ist es, große Kämpfe zu bestreiten. Sie haben bereits von einem möglichen Rückkampf gegen Oscar de la Hoya gesprochen. Außerdem würden Sie gerne einen Kampf gegen Arthur Abraham machen. Gibt es für das Duell mit Abraham einen Zeitplan?Nein, absolut nicht. Erst einmal konzentriere ich mich auf meinen Kampf gegen Timo Rost. Dann ist erst einmal Weihnachten und Silvester. Wie es danach weitergeht, interessiert mich jetzt noch nicht. Ich kann nur sagen, dass wir den Kampf gerne machen würden.
Ein Kampf gegen Arthur Abraham ist bereits seit mehr als zehn Jahren im Gespräch, kam allerdings nie zustande. Warum eigentlich nicht?Dass große Namen gegeneinander antreten, war in Deutschland schon immer schwer zu realisieren. Ich stand bei Universum Boxen unter Vertrag und somit auch beim ZDF. Arthur war bei Sauerland und der ARD. Keiner war bereit, seinen Kämpfer auf dem anderen Sender boxen zu lassen. Wir hätten den Kampf auch damals gerne gemacht. Aber wir standen nun einmal bei unseren Promotern in der Pflicht und konnten das nicht selbst entscheiden. Jetzt ist die Situation eine andere.
Tyson Fury gegen Deontay Wilder, Mike Tyson gegen Roy Jones - der Boxsport lebt von großen Duellen. Man hat das Gefühl, in den USA kommen Kämpfe zweier Top-Stars einfacher zustande als in Deutschland ...Ja, in den USA war das über viele Jahre anders, weil die großen Medien wie HBO, Showtime oder jetzt Dazn und ESPN die großen Boxer alle unter Vertrag hatten und gegeneinander antreten lassen konnten. Aber auch dort wird es immer schwieriger, weil die Boxer doch vermehrt bei verschiedenen Fernsehsendern unter Vertrag stehen und jeder Sender selber den Kampf anbieten möchte.
Der Boxsport hat in den vergangenen Jahren in Deutschland an Popularität verloren. Was muss geschehen, damit Boxen zur Prime Time wieder viele Millionen Menschen vor den Fernseher lockt?Man braucht Helden. Wir brauchen Menschen, die die Hallen voll machen und über die die Medien gerne berichten. Die Klitschkos, Henry Maske, Graciano Rocchigiani, Dariusz Michalczewski, Markus Beyer - das waren Typen. Die haben die Menschen innerhalb und außerhalb des Rings begeistert. Natürlich hatten sie auch die Plattform, um sich zu präsentieren. Das fehlt heute. Trotzdem ist das Interesse am Boxsport weiter vorhanden. Ich glaube, dass es noch immer möglich ist, gute Boxer aufzubauen und dann auch wieder richtig große Kämpfe in Deutschland zu haben.
Welchen deutschen Boxern trauen Sie dies zu?Da fällt mir bei Universum Boxen zuerst Artem Harutyunyan ein, der ein sehr großes Potenzial hat. Ich weiß aber gar nicht, ob es unbedingt ein Deutscher sein muss. Da haben sich die Zeiten geändert. Die Leute wollen einfach einen guten Boxer und gute Kämpfe sehen. Vor allem wollen sie sich nicht für dumm verkaufen lassen und Kämpfe vorgesetzt bekommen, bei denen die Boxer gar nicht das Niveau haben, um einen Europa- oder Weltmeisterschaftskampf zu bestreiten. Wir brauchen einfach richtig gute Kämpfe. Klar: Der Boxsport steckt in Deutschland in einem Tief. Ich hoffe, dass ich mit meinem Comeback dazu beitragen kann, wieder Menschen für den Boxsport zu interessieren. Und es wäre schön, wenn dann in den nächsten Jahren junge Boxer hinzukommen. Aber man muss auch ganz klar sagen: Niemand kann Weltmeister wie am Fließband produzieren. Das braucht seine Zeit.
Sie zählen seit mehr als 15 Jahren zu den Stars des deutschen Boxsports, wurden im Ring von Tausenden Fans bejubelt und haben Millionen verdient. In der Untersuchungshaft haben Sie das Leben von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Hat Sie das als Mensch verändert?Was heißt verändert? Ich bin so wie ich bin und habe mich nie verbiegen lassen. Grundsätzlich möchte ich auch meinem Charakter treu bleiben. Was ich jetzt allerdings mehr zu schätzen weiß, ist die Zeit, die ich mit meiner Frau und meinen Kindern verbringen kann. Die Entlassung ist nun glücklicherweise bereits ein Jahr her. Daran sieht man, wie die Zeit verfliegt. Natürlich bleiben diese Erlebnisse im Kopf. Aber es ist wichtig, dies hinter sich zu lassen und nach vorne zu blicken. Beschäftigt man sich immer wieder damit, kommt man gefühlt aus der Situation nie heraus und kann kein normales Leben führen.
Wurden Sie im Gefängnis behandelt wie ein Star?Nein, Gefängnis ist Gefängnis. Da bekommt niemand eine Suite. Meine Zelle war genauso groß wie die Zellen aller anderen. Ich habe mich ganz normal verhalten. Ich bin wie ich bin. Ich bin ein ganz normaler Mensch wie jeder andere auch. Ich denke, das wurde dort respektiert. Viele kamen zu mir und meinten: "Wir hätten gedacht, du bist total abgehoben. Aber du bist ja total normal." Schauen Sie mal: Ich weiß, dass ich im Sport viel erreicht habe, dass ich viel in den Medien war und jetzt auch wieder in den Medien bin. Aber all das vergeht auch irgendwann einmal. Irgendwann werde ich in den Medien überhaupt nicht mehr stattfinden. Und wissen Sie was?
Was?Darüber bin ich sogar ganz froh. Was aber bleiben wird, sind die Erinnerungen an mich, die Erinnerungen an meinen Charakter. Und diese Erinnerungen lassen sich im Nachhinein nicht verändern. Die Leute werden mich so im Kopf behalten, wie ich mich in meiner erfolgreichen Zeit, als ich Weltmeister und in den Medien war, verhalten habe. Mein Charakter ist so wie er ist. Und der wird sich auch nie verändern.
Ihre Revision läuft noch. Können Sie sich im Hinblick auf Ihren Kampf mental davon freimachen? Schließlich besteht die Gefahr, dass Sie wieder ins Gefängnis müssen ...Ja. Die Revision läuft. Irgendwann wird es eine Entscheidung geben. Ich hoffe natürlich auf das Beste. Aber wozu soll ich mir darüber Gedanken machen? Es kommt, wie es kommt. Sollte die Revision verworfen werden, sodass ich wieder in Haft muss, werde ich die Haft antreten. Dann habe ich das auch irgendwann hinter mir. Wird die Revision angenommen, sage ich Gott sei Dank. Aber momentan habe ich nur meinen Boxkampf im Kopf.
Mit Felix Sturm sprach Oliver JensenQuelle: ntv.de