Auf der Plattform OnlyFans verdienen Influencerinnen und Erotikmodels Geld mit intimen Fotos und Videos. Der Hype darum ist riesig. Und könnte die Sexbranche verändern.
Als Yma Louisa mit vierzehn ein Nacktfoto an ihren Freund schickt, ahnt sie nicht, dass sie sich am nächsten Morgen durch Hunderte Nachrichten auf ihrem Handy pflügen wird. Eine Bekannte ihres Freundes hatte das Foto veröffentlicht und Yma Louisa damit in einen Shitstorm katapultiert: In der Schule und in der Szene des Netzwerks ASKfm, in dem Yma eine riesige Fanbase hat, ist sie fortan als "Schlampe" abgestempelt. "Nach dem ersten Schock habe ich mir die Frage gestellt, warum das Foto abgesehen von meiner Minderjährigkeit eigentlich problematisch ist", erzählt Yma Louisa im WhatsApp-Call, "ich habe damit ja niemandem wehgetan, sondern mich einfach schön gefunden." In diesem Moment denkt sie sich: jetzt erst recht.
Heute ist Yma Louisa Nowak 22 Jahre alt und verlangt für ihre Nacktfotos Geld - 14,99 Dollar im Monat. Seit diesem Februar ist die Berlinerin als eine von mehr als 4.000 Deutschen auf OnlyFans angemeldet, einer Plattform, die Influencerinnen schnelles Geld und ihren Fans käufliche Intimität verspricht. Innerhalb weniger Minuten können sie sich auf der "Paywall of Porn" anmelden - alles was sie brauchen, sind ein Selfie, eine Kreditkarte und ihren Personalausweis zur Autorisierung. Aktuell hat die Onlineplattform mehr als 50 Millionen User, rund 675.000 davon sind Content Creator, also Nutzer, die Fotos von sich anbieten, teilt OnlyFans auf Nachfrage mit. Viele davon sind bekannte Influencerinnen, Cam Girls und Erotikdarsteller. Der ungleich größere Rest besteht aus Fans, die deren Accounts für durchschnittlich fünf bis 20 Dollar im Monat abonnieren können - als Ergänzung zu , Snapchat und Twitter - nur nackter.
Für Yma Louisa klang OnlyFans wie die Ausschreibung ihres TraumjobsYma Louisa bewirbt ihren Account mit den Worten: "22 | Natural Curvy & Petite Goddess | Natural 32HH Cup". Ihren Job als Plus-Size-Model macht sie nur noch nebenbei, seitdem sie einen OnlyFans-Account hat. Ursprünglich hatte sie mitten in einer Essstörung mit dem Modeln angefangen, um sich selbst wertschätzen zu können, sagt sie. Heute, vier Jahre später, zeigt sie ihren Körper selbstbewusst, gern und oft: Doch auf Instagram wird ihr Account regelmäßig wegen zu viel Nacktheit gesperrt. Eine Freundin habe sie dann Anfang des Jahres auf OnlyFans aufmerksam gemacht, erinnert sie sich. Mit einem Satz, der für Yma Louisa klang wie die Ausschreibung ihres Traumjobs: "Auf OnlyFans kannst du dich nicht nur so zeigen, wie du willst, sondern auch noch Geld verdienen."
In den USA ist um die Onlineplattform, die 2016 von einem britischen Vater-Sohn-Duo gegründet wurde, im letzten Jahr ein bemerkenswerter Hype entstanden. Die YouTuberin Trisha Paytas, der Pornostar Riley Reid und das Model Sam Wolfie gehören zu den Aushängeschildern von OnlyFans, sogar Rapperin Cardi B hat sich kürzlich dort angemeldet, um ihren Female-Empowerment-Hit WAP zu promoten.
Das öffentliche Bild von OnlyFans mäandert irgendwo zwischen Schmuddelkram, Marketingcoup und feministischer Selbstermächtigung - wahrscheinlich trifft es die Mischung am besten. Die Influencer bestimmen, wie sie sich inszenieren und wie viel Geld sie pro Bild nehmen wollen. Anders als bei einem Pornofilm stehen kein Regisseur oder Produzent dazwischen. Doch es gibt auch Kritik: Immer wieder beklagen Sexworker, dass ihre Accounts plötzlich deaktiviert und Guthaben einbehalten wurde; das Unternehmen erklärt sich das durch vermeintliche Verstöße gegen die Richtlinien wie das Organisieren von Escort.
Hierzulande ist die Plattform relativ unbekannt - noch. Im letzten Jahr sind die Nutzerzahlen weltweit explodiert, auch dank der Corona-Pandemie. Im April stiegen die Creator-Anmeldungen um fast 75 Prozent: Neben dem Crowdfundingdienst Patreon sollen sich laut einem Bericht der Huffington Post in dieser Zeit auch Tausende Amateure auf OnlyFans angemeldet haben, um mit der Vermarktung von freizügigen Selfies ihre Miete zu bezahlen. Passend dazu rappt Popqueen Beyoncé in ihrem neuen Remix Savage: " On that Demon Time, she might start a OnlyFans".
Yma Louisa lädt schon seit Februar täglich ein Foto in ihrer Timeline hoch - manche davon schießt sie privat, manche gibt sie bei einem Fotografen in Auftrag. Sie posiert darauf nackt vor dem Badezimmerspiegel, räkelt sich im Federbett, streckt ihren Po in die Kamera oder drückt ihre Brüste vor der Linse mit beiden Händen zusammen. Mittlerweile folgen ihr zwischen 110 und 220 überwiegend männliche Fans. Wer mehr sehen will, kann gegen eine Art Trinkgeld im Privatchat zusätzlich um personalisierte Fotos und Videos bitten - ob und wie Yma Louisa reagiert, entscheidet sie. Ist jemand verbal übergriffig, ignoriert sie die Anfrage, ist ihr jemand sympathisch, zeigt sich Yma auch beim Sex mit Partnern oder beim Masturbieren.
"Grenzen habe ich für mich keine festgelegt, ich mache alles, was mir Freude bereitet", erzählt sie - und dass sie von Anfang an sehr gut von ihrem Account leben konnte. Von den Einnahmen wandern 80 Prozent an die Creator, 20 Prozent behält die Betreiberfirma Fenix International Limited. Nach eigenen Angaben verdient Yma Louisa zwischen 1.500 und 5.000 Euro pro Monat.