Kabarett, Comedy & schräge Lieder
Jugendbuchautorin, Schriftstellerin, Slammerin
Die Geschichtenerzählerin Kirsten Fuchs
Ein Porträt von Nora Koldehoff
„Ich bin Geschichtenerzählerin durch und durch. Das ist kein Beruf, das ist mein Charakter“, sagt Kirsten Fuchs, Schriftstellerin und Lesebühnen-Slammerin aus Berlin. Nach abgebrochenem Studium und Schreinerinnenlehre ist sie bei den Lesebühnen gelandet. 2003 gewann sie den Berliner Literaturwettbewerb „Open Mike“ – und blieb beim Geschichtenerzählen. Kirsten Fuchs schreibt und liest vor: aus ihren Romanen, Kinder- und Jugendbüchern – und vor allem aus ihren Lesebühnentexten und ihren Kurzgeschichtenbänden „Eine Frau spürt so was nicht“ und „Kaum macht man mal was falsch, ist das auch wieder nicht richtig“. Für ihre Arbeit wurde die 45-Jährige mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2016 mit dem Kasseler Förderpreis für Komische Literatur und 2022 mit dem W.-G.-Sebald-Literaturpreis. Seit 23 Jahren steht Kirsten Fuchs inzwischen auf den Bühnen des Landes. Ob der Auftritt fünf Minuten oder drei Stunden lang sein soll – sie füllt die Zeit kurzweilig und routiniert, ohne dass der Inhalt zur Routine wird.
Querköpfe 01.02.2022
Jugendbuchautorin, Schriftstellerin und Slammerin.
Die Geschichtenerzählerin Kirsten Fuchs
Von Nora Koldehoff
Einspieler: „Berlin ist, wenn“ 0’28 (Düren)
Sprecherin: Jugendbuchautorin, Schriftstellerin und Slammerin.
Die Geschichtenerzählerin Kirsten Fuchs
Ein Porträt von Nora Koldehoff
(00:00:37.92) Einspieler: „Ich bin Geschichtenerzählerin durch und durch, sag ich. Das ist doch kein Beruf, das ist mein Charakter“, … 0’05 (Düren)
MOD: ... sagt Kirsten Fuchs über sich selbst. Die gelernte Tischlerin schreibt Geschichten, Romane und Bilderbücher für Klein und Groß.
Ihre Kurzgeschichten trägt sie seit vielen Jahren auf Lesebühnen vor.
Und wenn das Publikum nicht zu ihr kommt, dann dreht sie den Spieß auch schon mal um.
(00:00:58.56) Einspieler: „Ausschnitte Interessanter einkaufen“ 2’08 (Düren)
MOD: Wenn Kirsten Fuchs die Bühne für ihr Solo-Programm betritt, dann hat sie gleich einen ganzen Stapel an Kurzgeschichten dabei. Sogar mehr, als sie eigentlich braucht – einige zur Auswahl. Denn zu Beginn der Lesung lädt sie ihr Publikum ausdrücklich dazu ein, sich mit Text-Wünschen zu beteiligen.
Sie strahlt eine gelassene Bühnenpräsenz aus, ganz ohne jede Rampensau-Attitüde. Schnell stellt sich eine Vertrautheit ein, die vermittelt: Die Wertschätzung, die das Publikum der Autorin entgegenbringt ist keine Einbahnstraße.
In ihren Texten erzählt Kirsten Fuchs nicht einfach nur von Beobachtungen und Erfahrungen im Alltag, Sie scheint sie unter die Lupe oder sogar unter das Mikroskop zu legen.
(00:03:49.58) Einspieler: „Postbank“ 8’22 (Düren)
MOD: Aufgewachsen ist Kirsten Fuchs, Jahrgang 1977 zunächst in der DDR – im Ost-Berliner Stadtteil Hellersdorf. Das Geschichtenschreiben hatte sie schon früh angefangen – und dafür bereits in ihrer Jugend Schreibworkshops besucht.
OT 1neu: „Also es gab schon auch Ambitionen, aber beruflich hatte ich das nicht unbedingt vor. Beziehungsweise… stimmt auch nicht ganz. Ich wollte ja neue deutsche Literatur und Sprache studieren. Und dann habe ich ein Semester versucht zu studieren. Das war nicht so richtig meins. Und dann kam auch noch ein großer Streik an der Humboldt Uni. Und da ich sowieso niemand kennengelernt hatte so richtig, oder mich irgendwo dazugehörig gefühlt habe… Das war einfach viel zu groß, diese Uni für mich. In einem verschulteren System wäre ich vielleicht geblieben.
Ich bin dann zum Arbeitsamt gegangen und habe gesagt, ich würde gern was mit meinen Händen machen.
Verschiedene andere Berufe konnte ich mir auch vorstellen. Und Holz fand ich aber auch ziemlich gut. Und deshalb ist es der Beruf geworden.“ OT 1 insgesamt: 0‘44
MOD: Der „Schreinerin der Herzen“ - so der Titel einer ihrer CDs – ließ die Ausbildung nicht viel Zeit zum Schreiben.
Es waren dann aber die Fragen für die theoretische Tischlerprüfung, die Kirsten Fuchs dazu anstifteten, sich nach der ganzen Lernerei selbst eine Freude zu machen: Sie beantwortete alles noch einmal – auf ihre ganz eigene Weise.
(00:13:14.49) Einspieler: „Ausschnitte Tischlerfragen“ 1’40 (Düren)
MOD: Nach der bestandenen Ausbildung wollte Kirsten Fuchs sich ein Jahr lang arbeitslos melden und sich Zeit nehmen, um zu überlegen, wie es weitergehen soll: Mit einer Weiterbildung zur Möbelrestauratorin zum Beispiel. Daneben ein bisschen schreiben.
Das hat dann aber doch nicht geklappt.
OT 2 opt Fuchs: „Ich bin irgendwie bei den Lesebühnen gelandet. Ich bin dann aufgetreten. Das fanden die Leute lustig und gut. Dann kam jemand von der taz zu mir. Was glaube ich wirklich das Ungewöhnlichste an der Geschichte ist: Dass jemand gesagt hat, ich finde dich so gut, du kannst hier eine Kolumne haben. (…) Und dann waren zwei Lesebühnen, die gesagt haben: Willst du fest bei uns lesen? [Das ist noch passiert.] Und dann habe ich was zum Open Mike geschickt und habe da gewonnen. Das ist alles in diesem Jahr passiert, wo ich dachte, ich bin ein Jahr arbeitslos und schreibe vielleicht ein bisschen. Ja, ja, so war der Plan. Und dann kam ein anderer Plan, den ich dann aber ziemlich gut fand. (…)
OT 2 Einschub Fuchs: Ich glaube, hätte ich mich jetzt auf Roman beschränkt oder nur auf Lesebühne oder nur auf Kolumne, wäre es auch zu wenig gewesen. (…) 0‘07
OT 2opt Fuchs weiter: Und dann dacht‘ ich: Ah, ich kann davon tatsächlich leben und zwar auch besser als ich jetzt in einer weiteren Ausbildung in dem Restaurierungs-Bereich leben könnte. Also das hat das Handwerk überholt. Es ist überhaupt nicht brotlos gewesen. War auch gar nicht mein Gefühl am Anfang, dass ich irgendwie betteln müsste oder kämpfen. Das ist tatsächlich alles richtig, richtig gut gelaufen. Tut mir leid, das ist eigentlich die klassische Geschichte, dass man sagt, ich war Klinken putzen und ich habe immer an mich geglaubt und so, also] eigentlich haben viele andere an mich geglaubt.“ OT 2 insgesamt 1‘07
(OT 2 1’20)
MOD: Obwohl sie mit ihren Arbeiten auf der Bühne steht, beschreibt sich Kirsten Fuchs selbst oft als schüchtern. Ihren Texten merkt man das nicht unbedingt an – da wird es auch schonmal expliziter.
(00:16:31.87) Einspieler: Intro „Fickende Eltern“ 0’32 (Mod KF Düren)
OT 3: Also ich musste erst mal merken, dass das nicht normal ist, sozusagen, dass das speziell ist und dass es bei vielen eher als Ekel, als als Offenheit zum Beispiel dann wahrgenommen wird. Dass es zu weit geht. Ich habe da mal gelesen über Humor, dass man ordinären Humor erbt oder nicht. Also man kann absurden Humor lernen. Und dann gab‘s noch andere Formen von Humor. Die weiß ich jetzt nicht mehr, aber die kann man eher erlernen. Und ordinärer Humor liegt in der Familie, oder nicht... Und offensichtlich gab es da Personen in meiner Familie, wo das immer normal und okay war. Über Pupsen... Also Pupsen ist jetzt das harmloseste. Ja, aber auch über Sexualität eben so zu sprechen, dass das ein Teil des Lebens ist, wo man, wenn man über alles Witze macht, kann man auch darüber Witze machen, ohne dass das jetzt unbedingt immer nur Bauarbeiter sein muss. 0‘51
(00:17:55.53) Einspieler: „Fickende Eltern“ 2’16 (Düren)
MOD: Das Setting der Lesebühnen machte ihr aber trotz der Schüchternheit den Einstieg leicht:
OT 4: Also, ich find’, das hat’s mir leicht gemacht, auf die Lesebühne zu gehen. Du hast immer einen Text, hinter dem du dich verstecken kannst, ein Mikro hinter dem du dich verstecken kannst. 0‘08
MOD: Kirsten Fuchs entschied sich deshalb bald dagegen, sich nur auf das Schreiben zu beschränken und die Bühne zu meiden. Stattdessen thematisiert sie ihre Schüchternheit. So ist zum Beispiel auch die Hauptfigur ihrer „Mädchenmeute“-Romane sehr schüchtern und muss das überwinden. So, wie es die Autorin selbst muss, um mit ihren Werken im Rampenlicht zu stehen.
OT 5: Ich wollte schon zeigen, was ich da produziere. Also erst mal ist natürlich Schreiben total schön. Aber das Zeigen und dafür gelobt werden oder dass Leute lachen, das macht ja doch sehr schnell… abhängig nicht, aber sehr glücklich auch. Das war ja eine total schöne Aufgabe immer. Und wenn das geklappt hat, dann hat man sich so wohlgefühlt. Also das hat mich schon total gekriegt und dadurch hat sich das auch gelohnt, sich da zu überwinden. Und ich glaube, es hatte sich dann auch schnell gelegt… Also vielleicht bin ich da auf der Bühne nicht schüchtern sozusagen. Aber ich empfinde mich trotzdem im Kern noch so. Weil man natürlich weiß, wo man herkommt und wie man gebaut wurde. Das heißt, innen drin ist ja das, also alles, was drum herum liegt, das ist ja da. Aber ich weiß ja trotzdem, dass der Startpunkt eben die Schüchternheit war. Und die ist ja auch der Startpunkt fürs Schreiben bei mir. Bei anderen vielleicht nicht, aber bei mir war das auf jeden Fall eine Möglichkeit, mich in Sicherheit auszudrücken. 1‘01
(00:21:39.98) Einspieler: „schwierig schwierig“ 5’09 (Material KF)
MOD: Inzwischen tritt die Autorin seit mehr als zwanzig Jahren auf und strahlt auf der Bühne längst eine gelassene Souveränität aus. Die Moderationen zwischen den Texten hält trotzdem lieber kurz.
(00:26:57.64) Einspieler: „Wer weiß, wo es mich hinredet“
„Eine Kollegin meiner Mutter hat immer gesagt: ‚Wer weiß, wo es mich sonst hinredet.‘ Das ist auch das Problem, wenn ich moderiere. Deshalb schreib’ ich und les’ das lieber vor, weil wenn ich nur rede… tja… wüsst’ ich gar nicht, wo ich ankomm’.“ (Mod KF Düren) 0‘13
MOD: Und auch, wenn durch die Anreise mit der Bahn die Vorbereitungszeit vor Ort zusammenschrumpft, bringt die Autorin das nicht mehr aus der Ruhe.
(00:27:18.86) Einspieler: „Anreise“ (Mod KF Düren)
„Ich glaube, Comedy-Kabarett ist eigentlich nur entstanden, um über die Deutsche Bahn zu schreiben. Ja… Es waren halt drei Stunden Verspätung und bin hier relativ knapp reingepurzelt…. Ich sag’ sonst immer, ‚ne Stunde Vorbereitung brauch‘ ich, die hatt’ ich dann auch. Mit weniger wär’s auch gegangen. Wenn ich das jetzt 23 Jahre mach’, bin ich ja inzwischen an sowas gewöhnt, dass man mich so auf die Bühne schiebt und sagt: ‚Da sollst du steh’n, da sollst du sitzen. Mach mal fünf Minuten / Mach mal drei Stunden‘. So, wie so ‚ne Jukebox geht das inzwischen…“ 0‘33
MOD: Neben ihren Kurzgeschichten schreibt Kirsten Fuchs seit Jahren auch Kinderbücher, Jugendbücher, Romane und Skripte für das Berliner Grips-Theater. Ihr Jugendroman „Mädchenmeute“ wurde 2016 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt sie den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. 2022 folgte der noch recht junge Sebald-Literaturpreis.
OT 6: „Am wohlsten oder am meisten zu Hause fühle ich mich mit Kurzgeschichten. Aber gar nicht unbedingt die Lesebühnen-Sachen, sondern Kurzgeschichten schreibe ich eigentlich wirklich gern. Das ist für mich der Startpunkt. Und dann war Roman eigentlich lange mein Zuhause. Und Lesebühne ist tatsächlich so, dass das, dass mir das ja sehr leicht fiel viele Jahre. Sich das jetzt in den letzten Jahren schwieriger gestaltet hat, weil ich das Gefühl hatte, das hat sich auch so erschöpft. Nicht als Form und auch nicht für das Publikum, sondern für mich. Und dass da auch andere Leute dranhängen oder ein anderer Humor.“ 0‘37
(00:28:52.99) Einspieler: „Humoranalyse“ 4’26 (Düren)
MOD: Seit einigen Jahren ist Kirsten Fuchs Mutter von mittlerweile zwei Töchtern. Dadurch hat sich auch die Thematik in den Texten verändert.
OT 7: „Ich musste auch ein bisschen umbauen, also so, wenn man jung ist und sagt, ich bin so verbimmelt, ich krieg nichts auf die Reihe und ich guck mal, was im Leben so los ist und ich kann alles mit diesem Außenblick, wenn man jung ist, noch betrachten, dann ist das ein bisschen auch automatisch lustig und man kann frecher sein, so ungefähr. Und wenn man aber erwachsener wird, oder richtig erwachsen wird, dann finde ich, ist das keine Perspektive mehr. Dann kamen auch die Kinder dazu. Natürlich ist man in einer anderen Position. Über die schreibe ich zwar, aber ich mache mich nicht über sie lustig. Das hat sich geändert. Also über meine Eltern habe ich mich auch nicht lustig gemacht. Aber es ist so ein gängiger Humor, dass diese Perspektive zu den Großen zu gucken und zu sagen: Was tut ihr da? Anstatt selber die Große zu sein und zu sagen Was tust du hier? Das ist auch eine Art Humor. Den musste ich aber erst finden. Und dass ich meine Kinder nicht verrate oder verkaufe. Das mag ich auch nicht. Das scheint zwar in einigen Texten, dass ich viel verrate, das stimmt aber nicht. Also die entscheidenden Sachen oder die intimen Sachen erzähle ich nie. Auch über Familien. Also es gibt so einen Stopp-Punkt am Privaten, der ist irgendwann gekommen, das ist die eine Sache – und die andere, dass das eben dieser derbe, frische, junge Humor auch nicht mehr zu mir passte und dass ich das Gefühl hatte, ich hab‘ auch wirklich viele Themen abgegrast.“ 1‘28
MOD: Mit der wachsenden Verantwortung für die Familie veränderte sich auch das Verhältnis zu den eigenen Texten. Und die Texte selbst. Das Sein bestimmt das Bewusstsein...
OT 8: Ich glaube, da hat sich mein Blick einfach geändert. Und dadurch sind dann aber andere Texte geworden, die irgendwie, hoffe ich, Menschen liebevoller betrachten als die ersten Texte, wo es so richtig rumgerumpelt habe und viel auch auf wirklich ordinäre derbe Sachen, die ich auch nach wie vor lustig finde, aber die finde ich zu einem jungen Menschen eben besser passen. Also. Und das Gefühl dafür kam vor allen Dingen auch bei Lesungen, weil die alten Texte gar nicht mehr lustig waren. Also vielleicht sogar auch fürs Publikum und für mich, aber sie passten mir einfach nicht mehr. Wie so alte Kleidung. Sogar wenn es die Lieblingshose war, ziehst die an und merkst irgendwie nee... Geht jetzt gar nicht um altersentsprechend, sondern mir innerlich nicht mehr entsprechend. So sehe ich mich nicht oder ich will so nicht gesehen werden. Nun gibt es diese Texte aber trotzdem noch und auch die Aufnahmen. Das heißt, es ist ja trotzdem noch alles da. 0’53
MOD: Das Leben mit Kindern ist allerdings sowieso schon ein Thema, bei dem die unterschiedlichen Weltanschauungen und Ideologien schnell aufeinanderprallen.
OT 9: „Es ist auch wahnsinnig schwierig, über Kindererziehung und Familien und Lebenswege und Strategien und sowas zu reden, weil das eben so sensibel ist. Und sich Menschen zu, also was heißt zu schnell, schnell angegriffen fühlen und verteidigen wollen und dann auch angreifen, weil das so oft passiert. Darum finde ich ja Hunde-Vergleiche immer so toll, obwohl ja Hunde keine Kinder sind. Das ist mir auch klar – und man Hunde anders erzieht als Kinder. Aber wichtig fand ich für mich – das hatte ich auch mit dem mit dem Hund schon so und mit den Kindern gefühlt – der wichtigste Tipp aus der Hundeerziehung war für mich: Du musst das trotzdem so machen, wie du das machst, weil der Hund das eh merkt. Also du kannst dir fünf verschiedene Bücher kaufen über Strategien, wie du Hunde erziehst. Ob du englische Wörter benutzt oder es gibt ja ganz viele verschiedene Ansätze, aber wenn du dich dabei verkrampfst und das auswendig lernen musst, klappt es gar nicht. Also du musst deinen Hund schon so erziehen, wie du bist und wie er zu dir passt, weil er ist ja in dein Leben gekommen. Ist ja nicht der Hund von jemand anders. Und deshalb sind glaube ich Familien und Kinder und Eltern auch genau so, wie sie sind. Du kannst ja nicht so ein Buch auswendig lernen und das dann wie so einen Text aufsagen. Das merkt das Kind sowieso, weil das ähnelt nämlich dann schon, Kinder und Hunde, das merken die sowieso, wenn es nicht stimmt.“ 1‘29
MOD: Die Zeit der Lockdowns brachte dann nicht nur eine vorübergehende Bühnen-Entwöhnung mit sich. Auch im Hause Fuchs mussten Arbeit, Kinderbetreuung und Homeschooling unter einen Hut gebracht werden. Da ist das Lesebühnen-Publikum schon ein dankbareres.
(00:37:42.48) Einspieler: „Ich könnte das nicht“ (Mod KF Düren)
„Meine Mutter sagt immer, sie könnte das nicht. Ne, gar nicht. Anders: Kind, aaaach. Ich könnte das nicht. So sagt meine Mutter das. Und ich sag dann, ich hätte das nicht gekonnt, was Du gemacht hast. Meine Mutter war Lehrerin. Ich sag, Du hattest ja auch eine Art Publikum. Aber die wollten gar nicht zuhören. Also das find’ ich viel krasser. Aber meine Mutter sagt: Nee, wenn man gut ist in dem Job, dann wollen die auch zuhören. 0‘25
(00:38:07.29) Einspieler: „Homeschooling“ 5‘06 (Kampf der Künste)
MOD: Wirkliche Vorbilder hat Kirsten Fuchs nicht – auch wenn sie viele ihrer Bühnenkolleginnen und -kollegen sehr schätzt.
OT 10: „Ich find viele Leute total gut. Und Vorbild wäre für mich das Gefühl, ich würde versuchen, das auch zu erzeugen. Und ich denke aber, dass man irgendwie nur seinen eigenen Humor am besten machen kann. Bei Lesebühnen gab es regelmäßig den Versuch, dass wir die Texte von anderen vorlesen und es ist nie so lustig. Also egal, sogar wenn man den Text genauso liest wie die Person, man meint es genauso zu lesen, ist es das eben nicht. Das ist so auf den Leib geschrieben, diese Lesebühnentexte.
Das kennt man ja auch, wenn jemand zum Beispiel Loriot nachspricht und man so denkt so, nein, das ist alles falsch, das muss ganz genau in diese Stimme sein. Ja, dann ist es lustiger. Es ist nicht schlecht – hätte man es so kennengelernt, wäre alles in Ordnung. Aber so ist es einfach noch lustiger.“ 0‘47
(00:44:06.76) Einspieler: „Ausschnitt Elternabend“ 2’44 (Kampf der Künste)
MOD: Auch nach vielen Jahren Bühnenerfahrung kommt es manchmal vor, dass ein Text nicht so funktioniert, wie es sich Kirsten Fuchs anfangs vorgestellt hatte.
OT 11: „Manchmal klappt es nicht, was man sich vornimmt. In so einem Gespräch passieren ja oft irgendwelche Witze, und dann notiert man sich das und denkt so: Ah, das ist eine gute Idee. Und dann gibt es so Texte, die nur aus einer Idee im Grunde genommen bestehen, die man weiterentwickelt. Und wenn die nicht zündet, dann stehst du da eben sieben Minuten und die zündet eben nicht. Und dann lege ich die manchmal weg und habe dann aber eine Solo-Lesung, wo ich immer mische, wo ich denke, ich kann ja nicht die ganze Zeit jetzt nur ballern, sondern da muss es auch Entspannungspausen dazwischen geben oder Themenwechsel. Weil das gar nicht geht, wenn man nur ballert, da machen die von alleine Pause, geistig. Und das ist für einen guten Text eigentlich schade. Das heißt, eigentlich möchte ich das lieber versuchen zu lenken, wann sie sich erholen und wann es wieder hoch geht. Das klappt nicht immer, aber das ist der Versuch. 0‘47
MOD: Ausrangiert werden die Texte, die einmal nicht funktioniert haben, deshalb aber noch lange nicht.
OT 12: Und wenn dann so Texte, die ich aussortiert habe, weil ich dachte, die zünden nicht, dann mitnehme und dann zünden sie doch, weil die Erwartungshaltung ganz anders ist, dann entdecke ich die manchmal nochmal wieder.
Also es gibt Texte, die haben sich sehr spät als Perlen rausgestellt und die kann ich aber auch nach wie vor und immer wieder machen, weil ich jetzt weiß, die haben eine andere Qualität. Die sind gar nicht so nur auf ne Gagdichte geschrieben, sondern die Idee trägt. Wenn es nicht klappt, macht es ja nichts, weil das zwischen zwei Baller-Texten sitzt. Also kann ich den auf jeden Fall machen. Und eigentlich sind das somit meine Lieblings Texte inzwischen. Irgendwie Favourits. Wo jetzt vielleicht die Leute nicht unbedingt sagen, das ist ihr Lieblingstext.“ 0‘42
MOD: Zuhause zum Üben Probelesen muss Kirsten Fuchs ihre Texte längst nicht mehr – manchmal macht sie es aber doch noch.
OT 13: „Am Anfang habe ich das auf jeden Fall gemacht. Da habe ich jedes Mal vorher mindestens einmal, zweimal die Texte gelesen zu Hause, um auch ein Gefühl für die Länge zu bekommen. Ich glaube, inzwischen kann ich das alles ganz gut im Kopf machen. Wenn ich stolz bin, dann lese ich das meinem Mann vor.
Oder wenn ich unsicher bin: Kann man das so machen. Findest du das gut? Ist aber gar nicht hilfreich. Der Mann findet immer alles gut. Ja, schön, ist auch hilfreich. Aber nicht streng. 0‘30
(00:49:10.81) Einspieler: „Herzlich willkommen 1946“ 3’07 (Düren)
MOD: Der Spaß daran, sich immer wieder an Neues zu wagen, bleibt für Kirsten Fuchs in jedem Fall ein Motor. Und am Ende ihrer Möglichkeiten als Autorin sieht sie sich noch lange nicht.
OT 14: „Drehbuch würde ich gerne auch noch machen. Und Liedtexte. Eigentlich gibt es jede Menge Sachen, die ich noch probieren will.“ 0‘07
(00:52:45.44) Einspieler: „Outro Schamhaare“ 1’51 (Düren)
Absage über Applaus:
Sprecherin: Jugendbuchautorin, Schriftstellerin und Slammerin.
Die Geschichtenerzählerin Kirsten Fuchs
Ein Porträt von Nora Koldehoff
Redaktion Kerstin Janse
Ende: Applaus
54‘42
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