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Menstruationsbeschwerden nach COVID-Impfung: Das sagen Expertinnen

Viele Frauen berichten von einem veränderten Zyklus nach der Corona-Impfung. Wir haben zwei Expertinnen gefragt, was dahinter stecken könnte.

Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost - dass nach der Corona-Impfung grippeähnliche Reaktionen auftreten können, ist bekannt. Doch, dass sich die Vakzine auch auf die Menstruation auswirkt? Das lassen Erfahrungsberichte zahlreicher Frauen nun vermuten. In sozialen Medien berichten viele von starken Unterleibskrämpfen bis hin zu Blutungen, die früher eintreten und scheinbar nicht enden wollen.

Auch in der Ordination der Wiener Gynäkologin Eva Lehner-Rothe häufen sich derartige Fälle, erzählt die Ärztin: " Es kommen gerade vermehrt Anrufe, weil Frauen nicht wissen, was mit ihrem Zyklus los ist, nachdem sie eine Corona-Impfung bekommen haben. Manche bluten stärker, eine Patientin hat hingegen auffallend wenig geblutet - es geht in alle Richtungen." Welcher Impfstoff injiziert wurde, spiele dabei ihren Beobachtungen nach keine Rolle. Auch andere KollegInnen hätten bereits von Patientinnen mit ähnlichen Symptomen berichtet.

Mögliche Gründe für Menstruationsbeschwerden nach der Corona-Impfung

Über mögliche Gründe für die Zyklus-Unregelmäßigkeiten nach einer Covid-Impfung lässt sich aktuell nur mutmaßen. "Alle warten auf wissenschaftliche Erkenntnisse dazu", sagt die Gynäkologin, die eine Immunreaktion in diesem Zusammenhang für plausibel hält.

Alexandra Kautzky-Willer, Gender-Medizinerin an der Medizinischen Universität Wien, geht ebenfalls von einer Immunantwort aus: „Es besteht eine enge Verbindung zwischen Immunsystem, Sexualhormonen und Reproduktion, was einen Zusammenhang im Rahmen der normalen Reaktion nach der Impfung erklären könnte." In einem Artikel der internationalen Impfallianz Gavi, zu deren Mitgliedern unter anderem die WHO und UNICEF zählen, wird diese Theorie folgendermaßen erklärt:

"Immunzellen sind an der Bildung und dem anschließenden Abbau der Gebärmutterschleimhaut beteiligt, die während der Menstruation stattfindet. Die entzündlichen Moleküle - sogenannte Zytokine und Interferone -, die von Impfstoffen produziert werden, können möglicherweise auch die Immunzellen in der Gebärmutter stimulieren. Das könne wiederum zu Veränderungen des Menstruationszyklus führen", heißt es im Bericht. Und: Laut Gavi hätte es Fälle gegeben, in denen auch postmenopausale Frauen und Transmänner nach der Impfung eine Blutung feststellten.

"Zudem treten Zyklusunregelmäßigkeiten häufig bei psychischen Problemen und Stress auf, der pandemiebedingt sein könnte", erklärt Alexandra Kautzky-Willer. Der Gendermedizinerin zufolge zeigte eine Onlinebefragung unter Frauen im gebärfähigen Alter, dass in der Pandemie rund die Hälfte aller Befragten schon vor der Impfung Zyklusveränderungen und -beschwerden bemerkt hätte.

Keine Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit

Auch wenn signifikante Studienergebnisse noch auf sich warten lassen - werden Unregelmäßigkeiten nach der Impfung über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet, sollten diese ärztlich abgeklärt werden, rät Lehner-Rothe: "Spätestens drei bis vier Monate nach der Impfung sollte sich der Zyklus wieder normalisieren."

Dass sich die COVID-Vakzine längerfristig auf den Zyklus oder gar die Fruchtbarkeit auswirken könnte, halten Gynäkologin Lehner-Rothe und Gendermedizinerin Kautzky-Willer für unwahrscheinlich.

"Bisher sind keine negativen Effekte der Impfungen auf die weibliche Reproduktion bekannt. Weder in den Daten zu Fertilität und Schwangerschaften, noch zu IVF-Behandlungen", erklärt Kautzky-Willer. In den wenigen Untersuchungen, die es aktuell zu zyklusabhängigen Veränderungen weiblicher Hormone gibt, zeigen sich ihrer Meinung nach ebenfalls keine Auffälligkeiten.

Die Studienlage ist dünn - ein klassisches Beispiel für den Gender-Health-Gap also, der aufzeigt, dass Frauen in der medizinischen Forschung vernachlässigt werden? Darauf wollen sich die beiden Expertinnen derzeit noch nicht festlegen. "Aber prinzipiell ist bei Impfungen wie auch sonst bei Medikamenten in präklinischen und klinischen Tests auf geschlechtssensible Nebenwirkungen besser zu achten. Dazu zählt auch der weibliche Hormonhaushalt", sagt Kautzky-Willer.

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