Armut und fehlende Alternativen treiben viele Nepalis zum Arbeiten ins Ausland. Dort erwartet sie häufig Ausbeutung oder Prostitution.
Von Nicole Graaf (Text) und Emre Caylak (Fotos), Kathmandu
Mal putzte er Toiletten, mal belud er LKWs: zwölf Stunden am Tag, bei 40 bis 45 Grad Hitze. Raj Kumar Kunwar schlief in engen Gemeinschaftsunterkünften und wurde alle paar Tage in einem anderen Job eingesetzt. Vier Wochen hielt der 31-jährige Bauer aus Nepal das durch. "Dubai, nie wieder", sagt der bedächtige Mann mit den raspelkurzen Haaren heute. Nun muss Kunwar nicht nur weiterhin die umgerechnet 4.000 Euro Kredit für sein neues Haus abstottern. Er hat auch noch 400 Euro neue Schulden. Die hatte er aufgenommen, um Reisepass, Arbeitserlaubnis, Versicherung und das Flugticket an den Golf zu bezahlen.
Kunwars Familie lebt in einem Dorf, das man von der Hauptstadt Kathmandu aus nach rund drei Stunden Fahrt über Bergstraßen und Buckelpisten erreicht. Die Erde hier ist rostrot und fruchtbar. Auf den eineinhalb Hektar der Kunwars gedeihen Paprika, Tomaten und Mais. Gerade genug, um die zehnköpfige Großfamilie samt Eltern und zwei Brüdern zu ernähren, aber auch nicht für mehr. Deshalb muss Kunwar sich häufig einen zusätzlichen Job suchen. Seine beiden Brüder haben auch bereits in Malaysia und Dubai gearbeitet. Sie sind keine Ausnahme: Jeder Dritte im Dorf muss auswärts Geld verdienen, damit es zu Hause reicht.
Die Arbeitsmigranten sind extrem wichtig für das Land mit seinen fast 30 Millionen Einwohnern, das durch jahrelange Krisen, einen Bürgerkrieg und ein schweres Erdbeben vor drei Jahren völlig verarmt ist. Ihre Überweisungen machen schätzungsweise ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts aus. Am Flughafen von Kathmandu gibt es sogar ein eigenes Terminal für Gastarbeiter. Dennoch gehört das einstige Königreich zu den ärmsten Ländern der Welt. Weil Jobs rar sind, stellt die Regierung pro Jahr rund eine halbe Million Genehmigungen für Arbeitsmigranten aus. Weit mehr gehen auf inoffiziellen Wegen ins Ausland. Das Problem: Dort erwartet sie häufig Ausbeutung oder Prostitution.
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