Seit dem 1. Januar 2011 ist er der Geschäftsführer der HSG Wetzlar: Björn Seipp. Der 43-jährige ehemalige Redakteur von Hit Radio FFH hielt beim 6. Praxis-Forum einen Vortrag über die Vermarktungsstrategie des Bundesligisten HSG Wetzlar. In den Räumen des TÜV Rheinlands sprach er über die Entwicklung bei der HSG Wetzlar von 2011 bis 2017. "Bis 2011 hatte die HSG Wetzlar Schwierigkeiten wirtschaftlicher und sportlicher Art. Wir standen regelmäßig kurz vor dem Abstieg - dementsprechend war auch die Berichterstattung über uns."
Mit einer personellen und unternehmerischen Neuausrichtung übernahm Björn Seipp 2011 die Geschicke der HSG Wetzlar. "Aus der Situation heraus, dass die HSG Wetzlar zu diesem Zeitpunkt in wirtschaftlich schweren Gewässern war, haben wir gesagt, dass wir etwas verändern müssen", erklärte Seipp. "Es gab einen großen Umbruch bei der HSG Wetzlar mit einem neuen Aufsichtsrat und einer neuen Geschäftsführung. Wir haben bemerkt, dass wir die HSG Wetzlar nicht wie einen Verein führen können, wir sind nämlich kein Verein. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, eine GmbH & Co. KG, und dementsprechend mussten wir handeln und alles überprüfen." Auch am Image des Klubs musste gearbeitet werden. "Zu diesem Zeitpunkt war die HSG Wetzlar eine relativ graue Maus im Alltagsgeschäft Bundesliga. Die HSG Wetzlar hat für sehr wenig gestanden und uns war einfach wichtig, dass wir sukzessive daran arbeiten, ein eigenes Bild zu erzeugen", betonte Seipp nicht nur die sportliche, sondern auch die unternehmerische Sicht.
Als einen grundlegenden Faktor beim Neuaufbau der Marke HSG Wetzlar sieht der Geschäftsführer die Heimspielstätte des Vereins. "Die Rittal Arena ist unsere Heimspielstätte und das ist auch unser Faustpfand, um das uns viele beneiden: Eine wunderschöne Halle in Wetzlar mit einer Zuschauerkapazität von 4421, die sehr stimmungsgewaltig ist und die eine Stehplatztribüne hat", schwärmte der 43-Jährige von der Arena. "Mit der Stehplatztribüne hatten wir bereits 2011 etwas, das auch andere Vereine in der Bundesliga sehr gern hätten. Das war uns schon gegeben und wir haben zu diesem Zeitpunkt viel zu wenig draus gemacht", so Seipp. Aktuell kämen sogar immer wieder europäische Vereine nach Wetzlar, um sich die Halle anzusehen. "Wir haben viele französische Klubs, die sich eine neue Halle bauen wollen und unsere ein Stück weit als Referenzmodell nutzen."
Inzwischen geht es der HSG Wetzlar nach den sportlichen Erfolgen der vergangenen Saison auch finanziell besser. "Heute hat die HSG Wetzlar einen Etat von 3,5 Millionen Euro. Hört sich viel an, ist in der Etattabelle der Handball-Bundesliga aber gerade mal Platz 14", dämpfte Seipp die Erwartungen. "Aktuell haben wir 193 Sponsoren und einen Zuschauerschnitt von 4228, was einer Auslastung von 96 % entspricht. Davon sind knapp 2600 Dauerkarteninhaber", so Seipp weiter über die Zahlen zur HSG Wetzlar. "Wir haben 28 Beschäftigte, davon sind aber 18 Spieler. Auf der Geschäftsstelle sind 5 Mitarbeiter. Manche denken, Handball-Bundesliga ist ausufernd wie beim Fußball, ich glaube jeder, der in einer Geschäftsstelle der Bundesliga arbeitet, weiß, dass da ganz wenige Menschen mit viel Herzblut am Werk sind, damit alles funktioniert."
Zu den jüngsten Erfolgen der HSG Wetzlar gehören natürlich der überragende sechste Tabellenplatz der letzten Saison sowie der Titel "Trainer des Jahres" für Kai Wandschneider, der ihm nach einer Wahl von Trainern und Managern der DKB HBL verliehen wurde. Seipp bezeichnete die Nachwuchsarbeit als das Allerwichtigste: "Wir sind deutscher Meister mit der A-Jugend geworden und das ohne Internatsstruktur, sondern mit viel Herzblut, viel Arbeit und vor allen Dingen vielen Jugendlichen aus der eigenen Region." Das alles, so Seipp, zeichne die HSG Wetzlar heute aus.
Um an diesen Punkt zu kommen, haben die Verantwortlichen bei der HSG Wetzlar einiges verändert. "Bis 2011 hatte die HSG Wetzlar Schwierigkeiten wirtschaftlicher und sportlicher Art. Wir standen regelmäßig kurz vor dem Abstieg. Dementsprechend war auch die Berichterstattung über uns", fasste Seipp die Situation noch einmal zusammen. "Wir haben gesagt, wir müssen alle Abläufe professionalisieren. Wir müssen uns Agenturen zur Seite holen, die uns helfen, eine Unternehmenskommunikation professioneller Art aufzustellen. Dafür haben wir uns Medienpartner und Agenturen gesucht", führte der Geschäftsführer aus, wenn das auch nicht immer einfach gewesen sei und ziemlich teuer. "Nichtsdestotrotz", so Seipp, "ist es für jeden Klub, egal in welcher Liga, existenziell notwendig, sich Profis an die Seite zu stellen. Profis, die eine klare Kommunikationsstrategie erarbeiten und diese umsetzen, um zur Beruhigung der Presselandschaft beizutragen." Für eine klare, ausgearbeitete Kommunikationsstrategie sind die Fragen wichtig, wer man eigentlich sei, was der Verein wollen und transportieren würde. "Die HSG Wetzlar hat inzwischen 1,1 Millionen Besucher auf der Homepage - pro Monat, was eine sensationelle Zahl ist. Und die Follower in den sozialen Medien, das Publikum von morgen, steigen immer mehr. Zurzeit haben wir über 25.000 Likes bei Facebook und 15.000 Follower bei Twitter."
Mit einer Leadagentur hat die HSG Wetzlar ein klares Markenbild entwickelt, indem sie eine Ist-Analyse durchgeführt hat. "Wir haben nach innen und nach außen gefragt, wer sind wir, wofür stehen wir, wie wird die HSG Wetzlar wahrgenommen, wie sollte sie auftreten. Daraus haben wir eine Mission, eine Vision und eine Marken-DNA erarbeitet, die wir dann nachher auch umgesetzt haben", so Seipp zu den ersten Schritten der neuen Kommunikationsstrategie. Egal ob auf der Homepage, in den sozialen Netzwerken oder in der Halle, überall findet sich ein einheitliches Branding mit bestimmten Farben und Schriftarten wieder. "Ich glaube für jeden Klub ist es extrem notwendig, dass er sofort von außen erkannt wird, auch ohne sein Logo."
Dazu gibt es noch weitere Mittel. "Mit einem Claim identifizieren sich die Fans und auch die Sponsoren. Alles wurde konsequent umgesetzt in unserer Kommunikationsstrategie", bemerkte Seipp. Der Claim Weil du das Spiel liebst treffe sowohl auf die Spieler, als auch auf den Geschäftsführer zu, so Seipp. "Der Claim hat sich derart festgesetzt, dass sich auch der Hashtag #weildudasspielliebst entwickelt hat. Er wird von etlichen Fans, von Sponsoren, überall in den Sozialen Netzwerken freiwillig genutzt und stellt so immer wieder eine Verbindung zur HSG Wetzlar her."
Auch in Sachen Sponsorengewinnung und Sponsoring hat sich bei der HSG Wetzlar einiges verändert. "Es gab Produktkataloge und Pakete, das haben wir alles aufgebrochen, weil wir bemerkt haben, dass die Sponsoren keine Pakete haben wollen. In Paketen kauft man beispielsweise für 10.000 Euro 30 % die man braucht und 70 % die man nicht braucht, die nicht zur Unternehmensstruktur passen", verdeutlichte Seipp. "Wir haben gesagt, wir legen einen Produktkatalog an, der jede Leistung einzeln bepreist und wo sich der Partner zusammenstellen kann, was er für seine Strategie mit der HSG Wetzlar braucht." Also ein einfaches Mittel, um auch für einen Sponsor Möglichkeiten zu schaffen, der weniger Geld hat, die HSG Wetzlar aber trotzdem unterstützen möchte. "Außerdem haben wir eine klare Hierarchie nach der Höhe des Engagements. Damit fühlen sich auch die Partner sehr gut aufgehoben. Es ist klar geregelt und damit transparent. Denn am Ende des Tages möchten wir, dass sich unsere Sponsoren vernetzen und auch über ihr jeweiliges Engagement reden."
In Sachen Werbestrategie und Plattformentwicklung ist Kreativität gefordert. "Wir haben Online-Werbeformen kreiert, zum Beispiel haben wir einen Presenter der Facebook-Seite und einen Bild-Partner Online. Das sind kleine Ideen, die in der Umsetzung kein Geld kosten, aber dafür einiges an Ertrag bringen. Auch das kann jeder Klub", erläuterte Björn Seipp. "Es geht darum, sich Gedanken zu machen, wie man Online-Werbeformen nutzen kann."
Zur Vermarktungsstrategie gehört der sportliche Teil bei der HSG Wetzlar nicht. "Wir sind den Schritt gegangen, uns von den sportlichen Ergebnissen in der Vermarktung ein Stück weit unabhängig zu machen." Dennoch hat der Verein auch ein sportliches Konzept, um den Erstligastandort Wetzlar nachhaltig zu sichern. "Wir haben gesagt, die HSG Wetzlar ist ein Weiterbildungsverein. Manche Fans wollen das nicht hören, sind natürlich immer extrem traurig, wenn Spieler uns verlassen, aber wir wollen junge deutsche und ausländische Talente nach Wetzlar holen und zu gestandenen HBL Profis machen." Dazu gehöre es auch, dass dieses sportliche Konzept konsequent durchgesetzt wird. "Das Konzept steht über allen Personen im Klub, also sowohl über mir als auch über dem Trainer, dem Jugendkoordinator und vielen mehr. Das Konzept muss gelebt werden. Und wir müssen unabhängig von Personen sein. Wir sagen unser Konzept steht über der Person, wir suchen die Leute, die zum Konzept passen und nicht umgekehrt."