Nele Kristina Hüpper

Studentin, freie Sportjournalistin, Marburg

3 Abos und 0 Abonnenten
Interview

"Eine Auszeichnung für den Verein" - Trainer des Jahres Kai Wandschneider im Interview

Kai Wandschneider ist zum zweiten Mal zum "Trainer des Jahres" in der DKB Handball-Bundesliga gewählt worden. Am Mittwoch trumpfte die von ihm trainierte HSG Wetzlar gegen den deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen auf. Für Wandschneider sei dieser Sieg "ein Spiegelbild der Saison". Zudem bedankte sich der 57-Jährige bei allen Beteiligten für eine Spielzeit, die seiner Meinung nach schwer zu toppen sein wird. Zudem leitete der "Trainer des Jahres" im Interview seinen Titel an sein Arbeitsumfeld weiter: "Das ist eine Auszeichnung für den Verein des Jahres."

Sie sind zum Trainer des Jahres gekürt worden, herzlichen Glückwunsch!

Kai Wandschneider: 
Danke, das das ist eine ganz große Ehre für mich. Das ist das zweite Mal nach der Saison 2012/13. Es ist eigentlich die größte Auszeichnung für einen Trainer der Handball-Bundesliga, weil es halt von den Kollegen gewählt worden ist. Mich ehrt das sehr, vielen herzlichen Dank an die Manager und die Bundesliga-Trainer. 

Aber ich habe das auch schon beim letzten Mal gesagt. Ich denke in einer Mannschaftssportart hat man immer einen, der so etwas stellvertretend für alle entgegen nimmt. Ich muss aber auch sagen, dass wir eine sehr gute Kommunikation innerhalb des Vereins haben, wie zum Beispiel zum Präsidenten Martin Bänder oder zum Geschäftsführer Björn Seipp. Stellvertrend für alle, die eine hervorragende Arbeit auf der Geschäftsstelle machen: Wir haben ein tolles Ärzte-Team, klasse Physiotherapeuten, ich habe einen tollen Trainerstab und die Mannschaft habe ich eben schon erwähnt. Ich denke, das ist eine Auszeichnung für den Verein des Jahres in der Bundesliga. 

Was sagen Sie denn zum Spiel gegen die Rhein-Neckar Löwen?

Kai Wandschneider:
Das Spiel war ein Spiegelbild der gesamten Saison. Eine tolle Mannschaftsleistung. Das hat einfach Spaß gemacht, den Jungs heute zuzusehen, wie sie diese Herausforderung noch einmal angenommen haben. Wir haben uns auch von Rückständen nicht irritieren lassen. 

Letzten Endes hat das Spiel heute zwei Gewinner für mich gehabt: Ich bewundere die Rhein-Neckar Löwen für ihre Bundesliga-Saison. Ich habe diese beiden letzten, diese entscheidenden Spiele in Flensburg und Kiel genauestens angesehen und studiert. Das ist großartig, wie variantenreich die Löwen spielen, sie haben tolle Charaktere. Es ist kein Zufall, dass die Rhein-Neckar Löwen das geschafft haben. 

Es war toll heute zu sehen, wie die ein paar Stufen niedriger anzuordnende Mannschaft wie Wetzlar, die das auch lebt, diesem Großen noch mal mehr als Paroli bieten konnte. Wobei man immer die Vorläufe berücksichtigen muss. Ich denke, es ist auch noch mal ein Beweis dafür, dass man den Schalter im Sport nicht umlegen kann. Es ist unmöglich. Die Rhein-Neckar Löwen haben alles richtig gemacht, auch organisatorisch. Es war absolut richtig, vier Tage auf Mallorca zu feiern. 

Uns wird selbst das, also feiern zu können, durch die unfassbar kurze Pause genommen. Das ist aus meiner Sicht ein ganz großes Ärgernis. Ich habe ganz schweren Herzens meiner Mannschaft das dieses Jahr verweigert, obwohl sie es verdient hätte. Das hat natürlich heute eine Rolle gespielt und ich denke, jetzt freuen sich auch die Spieler, das wir das nicht gemacht haben, weil wann darf man sich mit so einem grandiosen Sieg einfach noch mal von einer fantastischen Saison verabschieden - 41 Punkte ist höher als der Mount Everest. 

Diesen Berg gibt es für uns eigentlich nicht. 30 Punkte ist für uns schon der K3. Wenn man dann schon in die Nähe so um die 39 Punkte kommt, hat man den Mount Everest schon lange ohne Sauerstoffmaske bestiegen und auch den Abstieg darunter gepackt. Und alle sind lebendig. Den Berg, den wir heute da noch mal bestiegen haben, den gibt es für uns eigentlich nicht und das ist überragend. 

Wie geht es jetzt weiter?

Kai Wandschneider: 
Da möchte ich mir gar nicht den Kopf so drüber zerbrechen. Die Pausen werden immer kürzen, es geht gar nicht so sehr um das Körperliche. Ich denke, dass Handball-Mannschaften in der Lage sind 70 bis 80 Spiele wie in der NBA zu bestreiten. Wir trainieren entsprechend. Aber wir brauchen längere Pausen, die NBA macht drei Monate Mannschaftstrainingspause und -Spielpause. Handball hängt allen anderen Sportarten total hinterher. Und das wird auf Dauer nicht gut gehen. 

Das heißt, jeder von uns muss ein Künstler dieser immer kürzer werdenden Pausen sein. Wir müssen Techniken entwickeln, um innerhalb kürzester Zeit wieder zehneinhalb Monate Vollgas geben zu können. Ich würde mir wünschen, dass hier die Verantwortlichen das Ganze mal überdenken und sich ein Beispiel an anderen Ballspielsportarten nehmen. 

In Sachen Ziele mit der HSG Wetzlar - Kann ein 6. Tabellenplatz überhaupt noch getoppt werden?

Kai Wandschneider: 
Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Das ist definitiv der absolute Höhepunkt der bisherigen Vereinsgeschichte. Für einen Verein wie Wetzlar, der jedes Jahr die besten Spieler verliert und jedes zweite Jahr acht, neun, zehn Spieler verliert, der im Keller der Etatrangliste rangiert - bei so einem Verein kann das einzige Ziel eigentlich nur sein, sich immer wieder neu zu erfinden, immer wieder bei Null anzufangen. Dann müssen wir hoffen, dass es uns wieder gelingt, aus relativ wenig unfassbar viel zu machen. 

Aber wir müssen auch wieder damit rechnen, dass wir hier auch wieder blanken Abstiegskampf haben. Das kann so schnell passieren und hängt von ein paar Details ab. Was der Verein großartig macht - er reagiert immer, wenn wir sehen, dass jemand langfristig ausfällt. Da haben wir ein super Krisenmanagement. Wir schaffen es immer, gute Spieler nachzuverpflichten. In dieser Saison waren es gleich drei mit Emil Berggen, Stefan Cavor und Kaspar Kvist. Das ist auch eine Stärke, das so hinzubekommen. Jetzt ist für uns alle gut, dass wir uns regenerieren. Mit entscheidend für diese super Stimmung innerhalb der Mannschaft war ein fantastisches Trainingslager in Österreich, in Sölden. 

Wie schwer wird es denn, die nächste Saison zu begehen? Gerade Fans neigen ja auch gerne mal dazu zu träumen, vielleicht jetzt auch in Richtung Europa. 

Kai Wandschneider: 
Europa ist ausgeschlossen. Das wäre absoluter Irrsinn. Ich kann unsere Fans und unsere Zuschauer verstehen, weil die seit fünf Jahren hier eigentlich ein Highlight nach dem anderen erleben, uns dabei auch unglaublich helfen. Aber man muss die Dinge auch realistisch einordnen. Wir haben im Schnitt den achten Platz in fünf Jahren belegt. Der Schnitt vorher war Platz 14, mit 21 Punkten. Wir haben knapp 35 Punkte im Schnitt geholt. 

Jetzt in Relation messen wir uns mit wirtschaftsstärkeren Vereinen und starken Aufsteigern wie Leipzig oder Erlangen. Und da werden noch mehr kommen, wie Dresden in drei, vier Jahren. Da müssen wir uns halt überlegen, wie hier unsere Strategie ist. Wie wollen wir da mittelfristig mithalten. Und da beißt die Maus nun mal keinen Faden ab. Das geht nur über eine ganz deutliche Aufstockung des Etats. 

Mit Ljubomir Vranjes geht ein Gesicht der Bundesliga, der sehr lange bei Flensburg war, nicht nur als Trainer sondern auch als Spieler. Wird man ihn als Person auch bei der HSG Wetzlar vermissen?

Kai Wandschneider: 
Ich finde es super von Flensburg, dass sie Maik Machulla die Chance geben. Er ist ja auch ein ehemaliger Bundesligaspieler, der jetzt jahrelang bei Flensburg ist. Inzwischen ist er ja auch ein Flensburger Original geworden. Das ist ja Beispielsweise in der Fußball-Bundesliga auch Gang und Gäbe. Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. 

Aber natürlich verlässt uns mit Ljubomir nicht nur ein erfolgreicher Trainer und Handballspieler sondern auch eine große Persönlichkeit. Mir wird er sehr fehlen, auch weil wir ganz oft trotz des Stresses nach einem Spiel auf dem Weg zur Pressekonferenz uns sehr ehrlich und offen ausgetauscht haben. Sowas vergisst man nicht.