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Kein Geld für Demokratiebildung

Laut Statistik sinken in Sachsen seit 2018 menschenfeindliche Einstellungen. Trotzdem sind es laut Sachsen-Monitor fast ein Drittel der Jugendlichen, die sexistischen oder rassistischen Anschauungen zustimmten. Ein Grund dafür kann fehlende Demokratiebildung an Schulen sein. Solche Themen kämen im Regelunterricht zu kurz, sagt Varinia Witek. Sie ist Teil des Bundesprogramms "Respekt Coaches" an Leipziger Schulen. Ein kostenfreies Projekt, das Demokratiebildung stärken soll.

Varinia Witek kennt die Notwendigkeit solcher Programme. "Egal ob durch das Elternhaus, das soziale Umfeld oder durch soziale Medien: Schülerinnen und Schüler stimmen teilweise rassistischen oder menschenverachtenden Einstellungen zu." Sabina Urbanska, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, betont die dazu fehlenden Maßnahmen im Bildungssystem. "Es wäre großartig, wenn Demokratiebildung irgendwann ein Unterrichtsfach werden würde oder intersektionaler Feminismus", sagt Urbanska. Bis es so weit ist, brauche es Angebote wie die "Respekt Coaches". Denn durch den Lehrkräftemangel könne man diesen Bedarf nicht decken.

Im Projekt wird jede Klasse individuell evaluiert. Je nach Herausforderungen, Interessen und Themen wird entschieden, welche Methoden sinnvoll sind. Dafür gibt es unterschiedliche Ziele. Wichtig ist, das Klassenklima und soziale Kompetenzen zu stärken. Der kritische Umgang mit Medien, Konfliktlösung und Antiaggressionstraining gehören auch häufig dazu. Erreichen könne man das durch Gesprächs- und Diskussionsrunden sowie erlebnispädagogische Elemente wie ein gemeinsames Rap-Song-Projekt zum Thema Vielfalt in der Klasse. Sabina Urbanska weiß: "Mit den ›Respekt Coaches‹ können wir den Kindern auf unterschiedliche Art zeigen: Bleibt kritisch, bleibt wachsam und schaut genauer hin!" Die Schülerinnen und Schüler würden positiv darauf reagieren. Sie freuen sich über den Austausch zu Themen, die sie beschäftigen, so Varinia Witek. Die Notwendigkeit ist also da, was fehlt, ist das Geld.

Versprochen waren im letzten Jahr zwanzig Millionen Euro für das Projekt. Daraus wird nach dem geplanten Bundeshaushalt für 2024: null. Vor zwei Wochen kam die Information, dass die Förderung eingestellt werden soll. Nachvollziehen können die Coaches das nicht. Vor allem, nachdem die Bundesregierung deklarierte, dass Rechtsextremismus derzeit die größte Bedrohung unserer Demokratie sei. Damit "Respekt Coaches" weitermachen können, haben sie zwei Optionen, so Sabina Urbanska: Entweder der Jugendmigrationsdienst nimmt sie auf oder das Projekt wird zu einem Länderprogramm.

"Die Träger sollen jetzt entscheiden, was sie mit ihrem gekürzten Geldtopf anstellen, das kann man nicht machen", findet Urbanska. So spiele man Kinder- und Jugendprogramme gegeneinander aus. Denn ob für das Programm des Jugendmigrationsdienstes Geld übrig bliebe, ist unsicher. Sollte das Projekt Ländersache werden, wäre das Überleben ebenfalls unsicher. "Ob sich die Länder im Osten dafür entscheiden, ein Demokratiebildungsprogramm weiterzuführen, wird interessant", so Urbanska. Das Team habe bei diesem Gedanken jedenfalls bereits Bauchschmerzen.

Die Art der Förderung begünstige zusätzlich Konkurrenz unter solchen Projekten. Statt einer langfristigen Zahlung werden immer mehr Programme nur für einen kurzen Zeitraum gefördert. Das führe dazu, dass man teilweise nur sechs bis zwölf Monate Zeit habe, sich zu etablieren. Sabina Urbanska sagt aber, dass, wenn etwas Gutes geschaffen wird, es weiterlaufen müsse, damit es nachhaltig wird. Denn laut Coach Varinia Witek könne man vor allem nach langer Zusammenarbeit Veränderungen im Klassenklima wahrnehmen. Der Zusammenhalt verbessere sich und auch das Zuhören untereinander. Das Projekt stößt aber an Grenzen. "Wir haben keinen weiteren Einfluss auf das soziale Umfeld der Schüler, wo wir sie jederzeit begleiten könnten", sagt Varinia Witek. Die "Respekt Coaches" bieten Anreize und Angebote für die Jugendlichen. "Was sie daraus machen, bleibt ihnen überlassen." Umso wichtiger sei es, durch Bildung den Weg zu ebnen.

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