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Umarmen auf Lesbos

Hafen von Mytilini. Foto: © Nancy Waldmann

Es ist September, immer mehr Flüchtende kommen nach Europa. Katerina, eine griechische Freundin aus Berlin, überredet mich, auf die Insel Lesbos zu fahren, da wo die Menschen ankommen. Sie stranden – eine andere Ankunft macht die Europäische Union den Flüchtenden nicht möglich. Die Insel Lesbos liegt im ostägäischen Meer, das türkische Festland ist gut zu sehen. Zwischen 2.000 bis 4.000 Menschen kommen jeden Tag in Gummibooten an den Küsten im Norden und Osten der Insel an. Katerina folgt auf Facebook dem Verein Agkalia, der Flüchtenden hilft und völlig ehrenamtlich ist. „Akgalia“ heißt Umarmen. Wir wollen Agkalia ein paar Tage unterstützen und die Wege der Flüchtenden auf der Insel nachvollziehen.

MONTAG – 40 QUADRATMETER EUROPA

Montag früh, Mytilini

„Bitte nicht scheißen!“ sagt der Mann vom Motorradverleih auf meine Frage, was die Schilder auf Arabisch bedeuten, die er an seinem Laden angebracht hat. Er ist direkt hinter dem Hafen, bis vor wenigen Tagen haben hier ungefähr 20.000 Menschen in Zelten kampiert, um sich zu registrieren, damit sie mit dem Schiff weiter nach Athen reisen können. Jetzt sei es ja schon besser, sagt er. Vor einigen Tagen kamen die Übergangs-Premierministerin und die Polizeichefin nach Lesbos. Einen Tag lang haben sie Kaffee getrunken und herumtelefoniert, dann gab es mehr Fähren und Geld für Camps. So erzählt man es auf der Insel.

Registrieren müssen sich die Flüchtenden jetzt in den Camps außerhalb der Stadt, nicht mehr am Hafen. Trotzdem sind immer noch viele Zelte und Menschen. Vor den Kassen für die Schiffstickets bildet sich eine Menschentraube. Es stinkt nach Urin.


Nachmittags, Kalloni

Zwischen dem Strand, an dem die Flüchtenden die Insel betreten, und Mytilini im Süden, wo sie sie wieder verlassen, liegen 70 Kilometer. Dazwischen Kalloni, etwas abseits der direkten Route. Hier hat Agkalia sein Quartier, ein Ladenlokal am Ortsrand, 40 Quadratmeter, ausgelegt mit Matten und Matratzen, die nur schmutzig sein können, weil täglich hunderte Menschen darauf rasten. Ein Klo, ein staubiger Garten mit Zelten.


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