Nadine Zeller

Wissenschaftsjournalistin, Freiburg

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Artikel

Schönheitsoperationen: Was machen lassen, aber richtig

Das Streben nach Schönheit, ist vielen Menschen gemein.

Als einer der ältesten erhaltenen Texte der Welt, der so etwas wie eine Nasen-OP beschreibt, gilt der Papyrus Edwin Smith: Darin beschreiben ägyptische Ärzte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends verschiedene Operationstechniken, unter anderem auch, wie man eine gebrochene Nase so schient, dass sie wieder gerade zusammenwächst.

Diese frühe Form von rekonstruktiver Chirurgie hat zwar nichts zu tun mit der heutigen Milliarden-Industrie an Schönheitseingriffen, mit ihrem Versprechen von Erfolg, Lebensqualität und Zufriedenheit durch ein optimiertes Äußeres. Aber der Papyrus ist nur ein Beispiel aus zahlreichen frühen Schriften, die zeigen: Plastische Chirurgie ist so alt wie die Zivilisation selbst.


Heute wird an Körpern herumgeschnippelt wie nie zuvor. Hier ein Facelift, dort eine Straffung - oder gleich das Gesamtpaket in Form eines sogenannten Mommy-Makeovers. Das Bedürfnis, das eigene Aussehen mit Botox, Hyaluron oder durch chirurgische Eingriffe verändern zu lassen, wächst. Nach Hochrechnungen der International Society of Aesthetic Plastic Surgery könnte es in Deutschland 2021 rund 477.000 Schönheitsoperationen gegeben haben, dazu 606.000 sonstige ästhetische Eingriffe. Zehn Jahre zuvor waren es noch 185.000 OPs und 171.000 sonstige Eingriffe. Zahlreiche Prognosen zeigen, dass der Markt weiter wachsen wird.



Doch so harmlos eine Operation klingt, die mit dem Präfix "Schön" beginnt: Es handelt sich um medizinische Eingriffe mit Risiken, im Extremfall sogar tödlichen. So starben vor einigen Jahren zwei Patientinnen eines selbst ernannten Düsseldorfer Schönheitsarztes, nachdem dieser ein sogenanntes Brazilian-Butt-Lifting bei ihnen durchgeführt hatte. Bei dem Eingriff wird Eigenfett einer anderen Körperregion abgesaugt und in den Po gespritzt, damit er größer und knackiger wirkt. Dabei handelt es sich um eine der gefährlichsten Schönheitsoperationen überhaupt. Unter anderem weil es zu einer sogenannten Fettembolie kommen kann, wenn bei der Injektion eine Vene getroffen wird und Fetttröpfchen in die Blutbahn gelangen.


Aber auch andere beliebte Eingriffe wie Augenlidstraffungen und Brustvergrößerungen bergen Risiken. Wer trotzdem auf die Optimierung seiner selbst nicht verzichten möchte, sollte einiges beachten. Zwei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Wie schütze ich mich vor Behandlungsfehlern? Und wo finde ich einen seriösen Arzt?


"Sicher nicht in den sozialen Medien", sagt Helge Jens, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie in Aachen. Ein zu werblich-aggressives Auftreten auf Instagram, TikTok oder auf anderen Kanälen spreche eher gegen einen Arzt. Aufhorchen sollte man, wenn Kundinnen und Kunden mit Vorher-nachher-Bildern, Fotos von Operationen oder Rabatt-Aktionen angelockt werden.


Das Problem sind schon die Berufsbezeichnungen: Ob Schönheitschirurg, ästhetischer Chirurg, kosmetischer Chirurg, Beauty Doc oder gar " Master of Injectables" - all diese Bezeichnungen sind nicht geschützt. Entsprechend sagen sie auch nichts über die Qualifikationen aus. Jeder Arzt darf für die Schönheit zum Skalpell greifen. Helge Jens gruselt bei dem Gedanken, dass Patienten sich bei selbst ernannten Schönheitsärzten in Gefahr begeben. Er selbst ist Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. Diese listet Ärztinnen mit den entsprechenden Facharzttiteln, für die sie eine sechsjährige, zusätzliche Ausbildung absolviert haben. Auch bei anderen Verbänden wird man fündig. "Dann ist die Chance sehr groß, dass Patienten in seriösen Händen sind", sagt Jens.


Falten nicht beim Heilpraktiker unterspritzen lassen

Denn einige Akteure auf dem Gebiet sind noch nicht einmal Ärzte. Kerstin van Ark, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, rät etwa dringend von Faltenunterspritzungen durch Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen ab. Rein rechtlich ist das zwar zulässig, doch Fachärzte fürchten, dass Heilpraktiker an Grenzen stoßen, wenn es nach Unterspritzungen zu Komplikationen kommt. Dazu können allergische Reaktionen, Ödeme, Hautrötungen, Juckreiz und Blutergüsse zählen, aber auch Nebenwirkungen wie ein hängendes Lid.


Kosmetikerinnen dürfen auch rechtlich keine Falten unterspritzen. Hellhörig sollten Patienten zudem werden, wenn Ärzte kaum Bedenkzeit vor einem Eingriff einräumen, mögliche Alternativen verschweigen oder schriftliche Angebote, ein Behandlungsvertrag oder eine Aufklärung fehlen, sagt Kerstin van Ark.


Als seriös gelten hingegen Ärztinnen, die einen detaillierten Kostenvoranschlag erstellen, sich für die Beratung Zeit nehmen sowie individuell und frühzeitig über Risiken aufklären. Zudem sollten Vorgespräch, Eingriff und Nachbehandlung in einer Hand liegen. Auf diese Weise haben Patientinnen einen Ansprechpartner, sollte es später zu Problemen kommen.

Denn dass es Probleme gibt, ist gar nicht so selten. Umso sinnvoller ist es, wenn der behandelnde Arzt gut erreichbar ist. Fachverbände raten aus diesen Gründen auch davon ab, kosmetische Veränderungen im Ausland vornehmen zu lassen. Zwar vermitteln Agenturen Kliniken, verdienen allerdings auch daran mit und haben deshalb kaum einen neutralen Blick. Und auch wenn ein Städtetrip nach Istanbul oder Prag auf den ersten Blick günstiger erscheint, können die Kosten explodieren. Dennoch ziehen sogenannte Schönheitsreisen Frauen und Männer aus aller Welt an.


Speziell Istanbul gilt mittlerweile als bekannte Adresse für Haartransplantationen, hat der Bayerische Rundfunk recherchiert. Auch Tschechien profitiert vom Schönheitstourismus, weil die Preise dort niedriger sind und das Land trotzdem gut erreichbar ist. Neben Einzelfallberichten von verpfuschten Operationen wie hier im Tagesspiegel zeigt auch eine Studie aus der Schweiz: Komplikationen treten gehäuft nach OPs in Tschechien und der Türkei auf.


Die Probleme beginnen schon damit, dass es schwer ist, in einer fremden Sprache zu erkennen, ob man auch wirklich von einem Facharzt behandelt wird. Patienten können sich auch nicht darauf verlassen, dass die Anbieter die Preise nicht plötzlich erhöhen, nachdem man die Reise bereits angetreten hat. Nachbehandlungen zahlt man meist zusätzlich. Ganz abgesehen davon, weichen Rechtslage und Versicherungsschutz im Ausland teils erheblich von jenen in Deutschland ab.


Kommt es also zu Behandlungsfehlern, Unzufriedenheit und Rechtsstreitigkeiten, ist der Handlungsspielraum von Patientinnen oft eingeschränkt. "Die Fallstricke bei Behandlungen im Ausland sind mannigfaltig", sagt Helge Jens. Doch viele Menschen würden schlichtweg ausblenden, dass nicht jeder Eingriff wie gewünscht abläuft.


Allerdings können Komplikationen nach einem rein ästhetischen Eingriff auch in Deutschland teuer werden. Dann müssen die Patienten für die Kosten selbst aufkommen oder sich daran in angemessener Höhe beteiligen. Auch das Krankengeld verlangt die Krankenkasse für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zurück.


Viele Risiken von Schönheitsoperationen sind aber offenbar nicht ausreichend bekannt. Zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen in Deutschland gehört beispielsweise die Oberlidstraffung. Dabei vollzieht der Arzt entlang der Umschlagfalte des Lids einen halbmondförmigen Schnitt, entfernt den dortigen Hautüberschuss und strafft so das Oberlid. Verläuft die Operation erfolgreich, verschwindet das Schlupflid, man wirkt wacher und ausgeruhter. Die Narbe des Eingriffs sollte im Idealfall drei bis vier Millimeter über den Wimpern verlaufen und in der Lidfalte verschwinden.


Wird das Lid überstrafft, sehen die Patienten nachher aus wie ein erschrockenes Reh. Helge Jens

Doch mancher Arzt spult den Eingriff routinemäßig ab, ohne die individuelle Augenpartie ausreichend einzubeziehen. Manchmal kommt es dann zu einer veränderten Blickrichtung, wiederkehrenden Schlupflidern oder zu Nachblutungen. "Wird das Lid überstrafft, sehen die Patienten nachher aus wie ein erschrockenes Reh", sagt Schönheitschirurg und Facharzt Helge Jens. Dennoch gehört die Lidstraffung zu den beliebtesten ästhetisch-plastischen Operationen in Deutschland.


Ähnlich populär ist das Fettabsaugen. Auch wenn es einfach klingt - falsch ausgeführt, verursacht es teils schwerste Infektionen. Gefäße und Nerven können dabei verletzt werden. Zudem kommt es vor, dass Operateure ihren Patienten Dellen saugen, Faszien und Muskeln und im schlimmsten Fall sogar die Bauchhöhle verletzen. "Man muss schon sehr genau wissen, wo man absaugt", sagt Helge Jens. Gerade dort, wo der Körper enge Strukturen nah am Knochen aufweist, wie beispielsweise an den Waden und Fesseln, steigt die Gefahr, dass es zu Behandlungsfehlern kommt.


Zu den Klassikern unter den Schönheitsoperationen zählt die Brustvergrößerung. Doch auch sie hat im Laufe der Jahre immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Entweder weil Implantate verrutschten, kaputtgingen oder das Gewebe, das der Körper um das Implantat bildet, sich verhärtete.

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