Ein Besuch in der belgischen Märchenstadt Brügge.
Seit der englische Regisseur Martin McDonagh "In Bruges" Colin Farrell, Brendan Gleeson und Ralph Fiennes zum Sightseeing und Morden durch die Straßen der kleinen belgischen Stadt Brügge schickte, wollte nicht nur ich nach Belgien. Dementsprechend voll ist es in Brügge. Angeblich hat das Städtchen 120.000 Einwohner, aber eigentlich sieht der Tourist vornehmlich Touristen. Die stehen vor dem Belfried, dem Symbol der Stadt, zücken ihr iPad und machen ein Foto nach dem anderen. Er sieht aber ja auch fast immer gut aus, dieser Belfried (von dem sich im Film Brendan Gleeson in den Tod stürzt). Das Bild der Bilder aber schießt der aufmerksame Besucher von oben. Also rauf auf den Turm und runtergeschaut. Unten stehen die restlichen Touristen. Schön aufgereiht. Sie stehen auf dem Marktplatz, reden wild durcheinander und warten. Doch worauf? Der Anfang der Schlange scheint einfach irgendwo auf dem von Restaurants umrundeten Platz zu beginnen. Im Nichts. Es scheint kein Ziel zu geben, keinen Grund für all diese Menschen dort hintereinander zu stehen und zu warten. Irgendwann fährt plötzlich eine Kutsche vor. Die ersten beiden Wartenden steigen ein. 39 Euro, für eine halbe Stunde. Na dann.
Belgisches Essen ist generell empfehlenswert. Aber Brügge ist eben voll. Und wo es voll ist, da tummeln sich auch jede Menge Restaurants, die zwar alle ein ähnliches Angebot haben, die aber ein sehr unterschiedliches Preisniveau haben und vor allem verschiedene Definitionen von Qualität und Atmosphäre. T'huidevettershuis liegt an einem der charakteristischen Kanäle und davon lebt dieser Ort. Das Essen ist gut und man glaubt ein wenig feiner zu sein als umliegende Adressen. Aber wie gesagt, vor allem wegen der Lage ist es einen Besuch wert. Ansonsten treiben lassen und ausprobieren. Moules et Frites gibt es an jeder Ecke, der Fischmarkt ist auch ohne Einkaufswünsche spannend. Es ist (sagte ich es bereits?) an vielen Orten voll und wer in einer solchen Stadt den Geheimtipp sucht, geht vielleicht auch mit der falschen Erwartungshaltung heran. Es gibt viele schöne Orte am Wasser und es gibt eine geheime Karte mit geheimen Orten (die dank der Karte natürlich alle nicht wirklich geheim sind, die aber trotzdem einen Besuch wert sind). Dazu gehört zum Beispiel der aus dem Fenster blickende Hund aus "In Bruges". Ihr werdet ihn finden.
Auch wer sich durch die zahlreichen belgischen Biersorten trinken möchte, ist in Brügge richtig. Hier gibt es die Kulisse dazu. Überhaupt stimme ich Ralph Fiennes' Figur im Film zu. Es ist schon irgendwie alles wie in einem ("verfickten") Märchen. Das muss man nicht mögen, aber das Schlendern über Brückchen, der Blick auf von dunklem Grün überwachsene Kanäle und die vielen alten, altgebliebenen und auf alt gemachten Häuser sind eine Reise wert. Plaketten an den Hauswänden belegen übrigens die Echtheit des Alters zahlreicher Häuser. Aber gerade auch der Kontrast zwischen diesen und oftmals direkt daran oder fast ineinander gebaute Wohnhäuser in einem frischen architektonischen Stil machen Spaß. Brügge ist vor allem eins: fotogen. Überall ist Wasser, dann der Belfried, der von allen Seiten aus zu sehen ist und eben das Märchenhafte. Den Fotoapparat sollte man einstecken.
Brügge ist außerdem eine Stadt am Meer. Naja, nicht so ganz. Über einen künstlich angelegten Kanal ist Brügge mit Zeebrügge verbunden, dem zur Stadt gehörenden Hafen. Aber es ist bis zum Meer nicht weit! Am Platz t'Zand, direkt am Bahnhof von Brügge, gibt es die Möglichkeit sich ein Fahrrad zu leihen. Dann kann es losgehen. Es ist wirklich nicht besonders schwer, wenn man erstmal aus dem Stadtkern von Brügge draußen ist und den Kanal gefunden hat. Dann geht es eben einfach immer dem Wasser nach. Und wer sich jetzt fragt, warum man mit dem Rad zu einem Hafen am Meer radeln sollte, dem sage ich: lass den Hafen in Ruhe. Der ist zwar nett anzusehen, aber für einen Fahrradausflug eher ungeeignet. Holland ist die Lösung. Mit einem kurzen Studium einschlägiger Karten (es reicht die Version aus einem gewöhnlichen Reiseführer) ist der Weg über die belgisch-niederländische Grenze kein Zauberwerk, etwa bei der kleinen Stadt Sluis. Unterwegs gibt es viel belgisch-niederländisches Land. Das ist erwartungsgemäß flach und fahrradfahrerfreundlich. Bis nach Sluis sind es bei gemütlicher Fahrt und kurzen Pausen mit Blick auf Storchennester und Windmühlen etwas mehr als zwei Stunden und dann ist es gar nicht mehr weit bis nach Cadzand ans Meer. Bei meiner Reise endete die Rückfahrt in einem heftigen Regenschauer. Und irgendwie hat das den Ausflug kein bisschen schlechter gemacht.
Reisezeitraum: Juni (2012)