Moritz Jacobi

Journalist, Brandenburg (Havel), Brandenburg, Deutschland

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Artikel

Geländegängig und (fast) unkaputtbar: IFA-Oldtimertreffen in Köpernitz

Man trifft sie in Vietnam, Tschechien, im Irak – und auch im kleinen Ziesar: Bei guter Pflege sind die zu DDR-Zeiten gebauten, robusten Lastkraftwagen der Marke IFA auch mehr als drei Jahrzehnte nach Ende ihrer Produktion praktisch unkaputtbar. Und unter Oldtimer-Fans, Expeditionsreisenden und Wohnmobilisten begehrter denn je. In Köpernitz trafen sich Mitglieder der bundesweiten Community der „IFA-Schrauber“ für gemeinschaftliches Schrauben, Reparieren und regen Erfahrungsaustausch.


Ronny Borges aus Braunschweig ist Mitglied der ersten Stunde. Wie viele andere war er mit seinem W50 schon quer durch Europa unterwegs, bis an die russische Grenze. Seit 2016 trifft er sich mehrmals im Jahr an wechelnden Orten in Deutschland mit anderen IFA-Enthusiasten. „Wenn ich kann, fahre ich fast jedes Wochenende zu solchen Treffen“, sagt er. Anfangs waren die Schrauberwochenenden eine reine Männersache. „Aber mittlerweile sind auch unsere Frauen mit von der Partie“, sagt Borges und lacht.


Die Liebe zu IFA-Oldtimern: eine Familienangelenheit

Überzeugungsarbeit war bei Andrea Schulz indes nicht erforderlich. „Ich bin schon als kleines Mädchen mit IFA-Lastern gefahren, mein Vater war Lkw-Fahrer“, erzählt die aus der Nähe von Stendal stammende Frau. „Als ich mir ein halbes Leben später diesen W50 zulegte, hat er vor Freude geweint.“


Beim Ehepaar Schulz sind die Rollen klar verteilt: Während sich ihr Mann um Reparaturen kümmert, lenkt sie den olivgrünen Brummi souverän über die Straßen. „Wenn man über die Dörfer fährt, freuen sich die Leute und bleiben stehen, wenn sie den alten Laster sehen“, erzählt Andrea Schulz. „Und wenn du hoch oben am Lenkrad sitzt, fühlst du dich immer ein bisschen wie der King.“ Längst haben beide auch die Enkelin mit dem IFA-Fieber infiziert.


Auch in Köpernitz tummeln sich an diesem Wochenende Familien mit Kindern zwischen den geländegängigen Allrad-Vehikeln. Daniel Krügers Sohnemann etwa ist zwar noch einige Jahre vom eigenen Führerschein entfernt, hilft aber schon jetzt tatkräftig bei der Instandhaltung mit. „Mein Sohn hat schon seinen eigenen IFA-Lkw, um den er sich kümmert“, erzählt der Familienvater. Elf Laster vom Typ W50, L60 und ein schöner alter Robur erhalten auf seinem großen Hof in gemeinschaftlicher Arbeit ihre Frischzellenkur.


Ersatzteile und technisches Know-how sind Mangelware

Da werden Ölwechsel vorgenommen, Filter gereinigt, Bremsschläuche erneuert und Einspritzdüsen geprüft. „Nicht nur die helfenden Hände, auch der Wissensaustausch ist bei diesen Fahrzeugen enorm wichtig“, betont Krüger. Und nicht für jedes Wehwehchen ist gleich eine Lösung parat. Denn um die alten Lkw in Schuss zu halten, braucht es Know-how und passende Ersatzteile. Beides ist für die alten Mehrzweck-Laster eher Mangelware und allenfalls noch bei Landmaschinen-Werkstätten oder spezialisierten Teile-Händlern vorrätig.


Um das Druckverhalten und das ordnungsgeme Spritzbild der Einspritzdsen zu prfen werden diese einzeln in einem speziellen Druckbehlter aus den Barkas-Werken untersucht und gegebenenfalls nachjustiert


„Allerdings zu happigen Preisen“, weiß Andreas Richter aus Oberhavel, der schon vor Jahrzehnten an DDR-Fahrzeugen geschraubt hat. In Köpernitz ist der gelernte Landmaschinenschlosser mit seinem demilitarisierten und zum Wohnmobil umgebauten NVA-Laster (mit leicht absetzbarem Koffer) angereist. Viele Monate hat er an dem Fahrzeug gearbeitet. „Leider sind auch nicht mehr alle Werkzeuge für diese Art von Lkw erhältlich.“ Umso wichtiger wird der Tausch innerhalb der Gemeinschaft. Und die freundschaftliche Hilfe im Falle einer Panne.


Pannenhilfe und Abschleppdienst unter Freunden

Denn für regelmäßige Begegnungen mit anderen IFA-Fans sorgen vor allem die rüstigen, wartungsanfälligen Kraftfahrzeuge selbst. „Sie sind laut, sie stinken, und man weiß nie, was als nächstes kaputt geht“, erzählt Ralf Bomberg, der in Sömmerda die Oldiegarage Thüringen betreibt. „Das muss man schon wollen.“ Und im Fall der Fälle schnell zur Stelle sein.

W50 und L60 stehen aufgereit im Hof von Daniel Krger aus Kpernitz



Wenn’s drauf ankommt, können die IFA-Schrauber auf schnelle Hilfe ihrer Community vertrauen. Diese gemeinschaftliche Pannenhilfe hat Andrea Schulz bereits schätzen gelernt. „Wenn einer liegen bleibt, bittet er in der WhatsApp-Gruppe um Hilfe“, berichtet sie. „Wer immer sich dann gerade in der betreffenden Gegend befindet, fährt dann hin, schleppt ihn ab und hilft mitunter gleich bei der Reparatur.“



W50 und L6: IFA-Oldtimer mit Kultstatus
Bei IFA handelte es sich um den Industrieverband Fahrzeugbau, der verschiedene Kombinate umfasste. Diese bildeten wiederum den Zusammenschluss etlicher Werke, darunter das Getriebewerk Brandenburg (heute ZF) und die Robur-Werke in Zittau.
Der legendäre W50 sowie der L60 wurden in den Automobilwerken Ludwigsfelde gebaut; sie zählen zu den bedeutendsten Lkw der DDR. Zwischen 1965 und 1990 rollten mehr als 550.000 W50-Laster in 60 Varianten vom Band. Der Großteil wurde in mehr als 40 Länder exportiert wurde. Vom L60 wurden zwischen 1987 und 1990 nur 20.289 Stück produziert.
Zu Beginn des Jahres 2022 führte das Kraftfahrtbundesamt noch 2920 zugelassene IFA-Lkw in seiner Statistik, davon 153 mit Wohnmobil-Zulassung. Den überwiegenden Teil bilden Lastkraftwagen und Zugmaschinen. Zudem rollen noch mehr als 1900 Robur-Fahrzeuge auf deutschen Straßen, darunter fast 1000 Lkw; die Löschfahrzeuge und Mehrzweckbusse des Herstellers sind bei Feuerwehren bis heute in Gebrauch.


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