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Babylon Madrid: Spanisches Parlament macht Minderheitensprachen offiziell

Simultanübersetzung kein Novum. Der Congreso de los Diputados in Madrid bei Selenskyj-Rede auf Ukrainisch

Abgeordnete in Spanien dürfen sich von nun an in insgesamt sieben Sprachen an ihre Landsleute wenden. Während die einen um Spaniens Einheit fürchten, sehen andere die Pluralität als Chance.


Ab Dienstag sind im spanischen Parlament auch die Minderheitensprachen des 48-Millionen-Landes bei Debatten und für den Schriftverkehr zugelassen. 25 Dolmetscher stehen den Parlamentariern fortan zur Verfügung, die sowohl Reden simultan übersetzen als auch die erarbeiteten Schriftstücke in die jeweils anderen Sprachen übertragen werden.


Bis zu sieben Sprachen möglich

Volle Kompetenz genießen dadurch Katalanisch-Valencianisch, das von etwa acht Millionen Menschen gesprochen wird, Galicisch (drei Millionen) und Baskisch (750.000). Für Asturianisch (100.000), Aragonesisch (10.000) sowie Aranesisch (5000) kann das spanische Unterhaus keine vollumfängliche Übersetzungsleistung garantieren. Parlamentsvertreter dürfen sich von nun an zwar ebenfalls in diesen Sprachen an ihre Kolleginnen und Kollegen wenden, müssen die Übersetzungstätigkeit dann selbst während ihrer Rede leisten.

Die aus Mallorca stammende katalanischsprachige Parlamentspräsidentin Francina Armengol stellt damit die für kommende Woche anstehende Vereidigung des konservativen Kandidaten Alberto Núñez Feijóo von der Volkspartei PP zum Regierungschef unter klare Vorzeichen.


Unverständnis von rechts

Zwar war die PP als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen im Juli hervorgegangen, doch gilt eine Vereidigung Feijóos als unwahrscheinlich. Da man nur auf Stimmen der rechtsradikalen Partei Vox zählen kann, dürfte sich keine Mehrheit bieten. Zudem müssen die Fraktionen der zentralistisch orientierten Parteien künftig Debatten in "Fremdsprachen" beiwohnen. Während Feijóo betont, dass "Sprachen dafür da sind, zu einen und nicht zu teilen", hält Vox die Neuregelung für ein "Zugeständnis an den Separatismus".


Sánchez' multinationale Strategie

Doch auch der amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez kann sich seiner Wiederwahl nicht sicher sein. Der Sozialdemokrat ist auf die Stimmen einer Vielzahl an Parteien angewiesen, darunter auch nationalistische Formationen aus Katalonien, dem Baskenland und Galicien, die sich sowohl links der Arbeiterpartei PSOE als auch rechts von ihr verorten.

Sánchez verfolgt bei der Pluralisierung des Parlamentsbetriebs eine Doppelstrategie: Einerseits versucht er dadurch auf jene Parteien zuzugehen, von denen seine Wiederwahl abhängt, andererseits möchte er selbst Akzente setzen. Lange behandelte die PSOE Spaniens Vielfältigkeit als Nebenwiderspruch. Man konnte es sich leisten, da einige Regionen Zentralspaniens und Andalusiens treu zur Arbeiterpartei hielten. Dieser Rückhalt schwand in den letzten Jahren.

Vertrauensvorschuss an Regierung

Heuer stützt sich der Erfolg der Partei wesentlich aus dem starken Zuspruch aus Katalonien. 19 Abgeordnete werden aus der Region im Nordosten des Landes nach Madrid entstand, so viele wie von nirgendwo sonst. Gemeinhin wird das Wahlverhalten als Vertrauensvorschuss für die Regierung Sánchez gewertet – diese muss nun liefern.

Die PSOE scheint sich dessen bewusst zu sein und wird weiter versuchen, Wähler aus den anderen Sprach- und Kulturregionen an sich zu binden, die sich eine Zukunft innerhalb Spaniens vorstellen können. Damit einher geht bei vielen jedoch die Forderung nach einem "anderen" Spanien, das seine vielen Identitäten besser zu integrieren weiß.

Weg nach Brüssel

Obwohl mit der Madrider Mehrsprachigkeit nun der Anfang gemacht ist, dürfte der Weg noch weit sein – und nach Brüssel führen. Geplant ist, Spaniens Landessprachen auch in der EU zu offiziellem Status zu verhelfen.





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