Bevor es in die Mittagspause geht, gibt der Ausbilder den Jugendlichen,
die mit Tarnschminke-verschmierten Gesichtern vor ihm stehen, noch ein
paar aufmunternde Worte mit: "Das hier ist ein sehr dreckiger Job, ihr
werdet müde sein, ihr werdet Hunger haben. Das ist kein angenehmer Job,
und das muss auch jeder wissen!" Hoppla, denkt man sich, bemerkenswerte
Ansage, will die Bundeswehr an diesem Tag nicht eigentlich junge Leute von sich überzeugen?
Zusammen mit der örtlichen "Division Schnelle Kräfte" veranstaltet das Karrierecenter der Bundeswehr im nordhessischen Stadtallendorf
ein viertägiges Schnuppercamp. "Bundeswehr zum Anfassen" verspricht das
Karrierecenter, zentrale Anlaufstelle für alle, die sich für eine
mögliche Laufbahn beim Bund interessieren. 34 Jugendliche und junge
Erwachsene von 15 bis 19 Jahren sind gekommen, die meisten haben ohnehin
gerade Osterferien, andere haben sich extra freigenommen.
Motivierte junge Leute, welche die Bundeswehr später gut gebrauchen könnte, immerhin hat die Truppe derzeit in den Worten der Wehrbeauftragten Eva Högl "von allem zu wenig" – auch und gerade personellen Nachwuchs. Gerade einmal 18.775 neue Rekrutinnen und Rekruten hat sie im vergangenen Jahr eingestellt. Da im gleichen Zeitraum knapp 20.000 Soldatinnen und Soldaten aus dem Dienst ausschieden, war die Armee Ende Februar 2023, ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, sogar kleiner als zwölf Monate zuvor.
Bundeswehr zum Anfassen
Ein schrumpfendes Heer verträgt sich natürlich überhaupt nicht mit der
neuen geopolitischen Ausrichtung. Von zuletzt knapp über 183.000 auf
203.000 Soldatinnen und Soldaten soll die Bundeswehr nach den Vorgaben
des Verteidigungsministeriums in den nächsten Jahren wachsen. Nur, so
recht daran glauben will die Politik anscheinend selbst nicht. "Ich
halte das für nicht erreichbar", erklärte die Wehrbeauftragte Eva Högl
kürzlich der Funke-Mediengruppe. Der Verteidigungsminister bedauert
derweil im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" die Aussetzung der
Wehrpflicht.
Dabei sollte es doch vorangehen, jetzt wirklich, nachdem jahrelang an
allen Ecken und Enden gespart wurde und die Bundeswehr nur dann in den
Medien war, wenn wieder irgendwas kaputt war. Oder wenn Nazis in den
eigenen Reihen entdeckt wurden. Wenige Tage nach Beginn des
Ukraine-Krieges kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz
ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Sicherheitspolitik
an, Außenministerin Annalena Baerbock erklärte, man sei in einer anderen
Welt aufgewacht. Nur die Bundeswehr hat halt noch mit ziemlich
bekannten Problemen zu kämpfen …
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