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Verantwortung für die Zukunft: Die Vorfahren, das sind jetzt wir

Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 04/2023.

In einer Szene des ersten Teils von Peter Jacksons Der Herr der Ringe steuern die Gefährten in weißen Booten auf zwei gigantische Statuen zu. Held Aragorn starrt ehrfürchtig auf die Könige aus Stein und wispert Frodo Beutlin zu: "Das sind meine Vorfahren."

Vorfahren - hierzulande kein einfaches Wort. Im Gegensatz zum taoistischen Ahnenkult in China und der kollektiven Stammbaumbesessenheit in den USA wirkt der Begriff in Deutschland nicht nur antiquiert, der Gedanke an die eigene Abstammung ist im Kontext der Geschichte auch zu Recht schambehaftet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die eigenen Großeltern oder Urgroßeltern selbst Nazis oder zumindest Kollaborateure des Hitlerregimes waren, ist hoch.

Im Angesicht der Klimakrise wandelt sich jedoch auch, wer gemeint ist. Der Begriff umfasst nicht mehr nur die Verstorbenen, unsere Ahnen oder frühere Generationen. Insbesondere seit Fridays for Future zu einer Massenbewegung wurden, stellen sich immer mehr Menschen die Frage: Wie werden wir einmal von unseren Kindern und Kindeskindern beurteilt werden? Die Vorfahren, das sind jetzt wir.

Der australische Philosoph Roman Krznaric hat über diese Kehrtwende den Bestseller The Good Ancestor geschrieben. Im gegenwärtigen Zeitalter des Anthropozän, schreibt der Philosoph, benötigten wir eine erweiterte Ethik der Zukunft, die unser Handeln leitet. Das Wohl des Planeten hätte in der Moralphilosophie der Antike oder der Aufklärung keine Rolle gespielt, weil die Umwelt stets eine größere Macht über den Menschen hatte als der Mensch über die Umwelt. Im vergangenen Jahrhundert dagegen haben wir das Ökosystem und damit die fundamentale Lebensgrundlage unserer Nachkommen zerstört.

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