Mona Berner

Freie Journalistin, Leipzig

5 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Geldanlange in Ostdeutschland: Generation Aktie

Nachwendekinder sind die Ersten in Ostdeutschland, die nennenswert Geld erben oder zurücklegen können. Was machen sie damit? 

Als Martin Streiter zum ersten Mal so viel verdient, dass am Ende des Monats etwas übrig bleibt, weiß er noch nicht genau, was er damit anstellen will. Aber in einer Sache ist er sich sicher: Er will es anders machen als seine Eltern.

Sechs Jahre ist es her, da trat Streiter seine Promotionsstelle in Physik an der TU Chemnitz an. Er verdiente nun ungefähr 2400 Euro netto im Monat, und erstmals machte er sich Gedanken um seine finanzielle Absicherung, so erzählt er es heute. Sollte er, wie es seine Eltern ihm vorgelebt hatten, ein Eigenheim mieten? Geld einfach auf dem Konto liegen lassen und so fürs Alter vorsorgen? Streiter wollte sich etwas aufbauen, seine Finanzen in die Hand nehmen. Also entschied er sich für einen anderen Weg. Er fing an, sein Geld in Aktien anzulegen.

Und damit ist Martin Streiter einer von vielen jungen Ostdeutschen, die neuerdings an der Börse aktiv sind. Es ist ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren immer stärker abgezeichnet hat: 2020 waren rund 12 Millionen Menschen in Deutschland an der Börse aktiv, das sind allein 2,7 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Der Aktienmarkt ist bis heute aber eine ziemlich westdeutsche Angelegenheit: 2020 besaßen 18,9 Prozent der Westdeutschen Wertpapiere - im Osten waren es sehr viel weniger, nämlich 11,8 Prozent. Es gibt allerdings Hinweise dafür, dass sich das Anlegeverhalten in den nächsten Jahrzehnten angleichen wird. Denn bei den Jüngeren ist diese Kluft schon heute nicht mehr da. Es gibt, das zeigen Aktionärszahlen, bei den Menschen unter 40 fast keinen Ost-West-Unterschied mehr.

Da scheint sich in Ostdeutschland ein neuer Umgang mit Geld zu etablieren.

Dass das passiert, liegt nicht nur an den Jüngeren. Es liegt zunächst einmal daran, dass es in dieser Gegend mittlerweile überhaupt etwas zum Anlegen gibt. Kurz nach dem Mauerfall war das anders. Da hatten Ostdeutsche im Schnitt gerade einmal 10.000 DDR-Mark gespart. Zu vererben gab es wenig - und schnell wuchsen die Vermögen auch nicht gerade in den Neunziger- und Nullerjahren, den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit. Trotzdem liegt das durchschnittliche Vermögen eines ostdeutschen Haushalts heute immerhin bei 88.000 Euro. Das ist nicht einmal die Hälfte des westdeutschen Wertes (hier hat ein Haushalt 182.00 Euro). Aber es ist auch so viel, dass sich die erste Generation junger Ostdeutscher die Frage stellen kann, was sie mit ihrem Erbe eigentlich einmal anfangen möchte. Wie sie ihr Geld vermehren will.

[...]

Zum Original