Von Mirko Besch
Heutzutage bedienen Piloten die Instrumente mittlerweile nur noch maximal sieben Minuten pro Flug - vornehmlich bei Start und Landung. Das hat eine Untersuchung der Duke University in Durham (USA) ergeben. Die meiste Zeit über fungieren sie lediglich als Systemüberwacher. Und diese lang anhaltende Passivität im Cockpit stellt inzwischen eines der größten Probleme der Flugkapitäne dar. Denn die dadurch entstehende Müdigkeit spiele bei vielen der unter „menschliches Versagen" eingeordneten Unfälle in der Passagier-Luftfahrt eine wichtige Rolle, so eine Studie des Versicherungskonzerns Allianz. Aber was lässt sich dagegen tun? Halten Piloten das Steuer künftig wieder länger in der Hand? Wird die Automatisierung im Flugzeug reduziert? Nein. Die Allianz-Studie fordert lediglich, dass in den Pilotentrainings mehr auf das Problem der Untätigkeit eingegangen werden müsse. Ein Rückbau der Computersteuerung im Flugzeug ist keine Option - im Gegenteil. Autonome Systeme werden die Zukunft auf unseren Straßen und in der Luft bestimmen; sie werden uns helfen, mit dem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen zurechtzukommen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass Flugzeuge in einigen Jahren sogar vom Boden aus gesteuert werden. Die EU hatte hierzu zwischen 2006 und 2009 bereits ein Forschungsprojekt mit dem Namen SOFIA (Safe automatic flight back and landing of aircraft) erfolgreich absolviert.
Ziel: das unfallfreie Fahren
Eine ähnliche Erfahrung wie den Piloten droht auch Autofahrern mit dem Einzug der Automatisierung. Ihr Fahrspaß, der sich unter anderem durch eigenes Gasgeben, Schalten oder Lenken definiert, dürfte künftig auf der Strecke bleiben. Allerdings kann es sich lohnen, auf den Faktor Vergnügen zu verzichten. „Mit dem automatisierten Fahren sowie der Vernetzung der Fahrzeuge kommen wir dem Ziel des unfallfreien Fahrens ein gutes Stück näher", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann während eines Technischen Kongresses des Automobilverbands. „90 Prozent der Unfälle passieren durch menschliches Fehlverhalten. Assistenzsysteme können diese Ursache stark reduzieren und viele Unfälle sogar ganz vermeiden." Zahlreiche Unternehmen, Organisationen und Institutionen forschen und testen seit Jahren eifrig, um selbstfahrende Autos möglichst bald alltagstauglich auf die Straßen zu bringen. „Die Einführung wird Schritt für Schritt erfolgen", ist sich Wissmann sicher. „Vom assistierten Fahren über teil- und hochautomatisiertes Fahren bis zum vollautomatisierten Fahren." Die technische Entwicklung komme hier zügig voran. Doch auch der rechtliche Rahmen müsse stimmen. „Wir brauchen Vorgaben für die digitale Infrastruktur wie auch für die Nutzung und den Austausch von Daten." Experten wie Daimler-Manager Ralf Herrtwich rechnen damit, dass sich serienreife Fahrzeuge bereits ab 2020 autonom auf Autobahnen bewegen werden. Bis Autos in jeder Umgebung alleine fahren können, werde es aber sicher noch bis 2030 dauern. Eine der größten Herausforderungen für die Systeme sei es, die Vielzahl von Lichtquellen an großen Kreuzungen - wie Ampeln und Rückleuchten - richtig einzuordnen und darauf zu reagieren. Aber auch Nebel, Regen oder Schnee könnten dazu führen, dass Sensoren und Kameras die Umgebung nicht ausreichend erkennen.
Zu den Unternehmen, die selbstfahrende Autos entwickeln, gehören deutsche Größen wie Mercedes, BMW und Audi. Die wohl größte Konkurrenz kommt aber aus den USA, von Google. Wie Projektleiter Chris Urmson in einem Blogpost betont, waren die 20 Google-Autos während ihrer seit 2009 durchgeführten Testfahrten mit insgesamt 2,8 Millionen zurückgelegten Kilometern lediglich an elf kleineren Unfällen beteiligt. Dabei habe es sich um unbedeutende Vorfälle mit nur leichten Schäden und ohne Verletzte gehandelt. „Nicht ein einziges Mal war das selbstfahrende Auto schuld an einem Unfall."
Wie die Wagen anderer Hersteller erkennen auch die Google-Fahrzeuge über Radar, Sensoren und Kameras drohende Gefahren und reagieren entsprechend darauf. Für zusätzliche Sicherheit will Google mit einem Außen-Airbag an der vorderen Stoßstange sorgen. Dieser soll Fußgänger und Fahrradfahrer bei einem Aufprall vor schlimmen Verletzungen bewahren. Anders als bei den üblichen Airbags füllen sich die Protektoren im Ernstfall jedoch nicht mit Luft. Sie bestehen aus einem viskoelastischen Material, das die Energie des Aufpralls absorbiert, indem es sich verformt. Trotz derartiger Sicherheitsbemühungen: Für die Absicht, seine self-driving cars künftig weder mit einem Lenkrad noch mit Pedalen auszustatten, wird der Internetgigant stark kritisiert. Denn dadurch läge die Kontrolle des Fahrzeugs allein beim Computer. Soll bei Herstellern wie BMW oder Mercedes der Fahrer auch in Zukunft stets eingreifen können, hat sich Google offensichtlich bewusst dazu entschieden, menschliches Fehlverhalten künftig von vornherein auszuschließen.
Ebenso im Luftverkehr gibt es seit Jahren Überlegungen, Piloten aus den Cockpits zu verbannen. Schließlich sind auch hier die meisten Unglücke auf menschliches Versagen zurückzuführen. Technisch sei das kein großes Problem, sagt Dr.-Ing. Dirk-Roger Schmitt vom Institut für Flugführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Doch wie beim Auto stellt sich ebenfalls hier die Frage, wie sinnvoll das ist. Selbst beim wichtigsten Punkt, der Sicherheit, gehen die Meinungen auseinander - und zwar in beiden Bereichen: Auto und Flugzeug. Laut Dr. Daniel Göhring, Leiter eines Forschungsprojekts zu selbstfahrenden Autos an der FU Berlin, ist jede Technik auch störanfällig. „Ein Sensor kann mal ausfallen, der Autopilot versagen, da kann es zu schweren Unfällen kommen. Ein weiteres Problem ist, dass solche Systeme auch gehackt werden können", erklärt er im Interview mit tagesschau.de. Ähnlich sieht es bei Flugzeugen aus. Obwohl in der Regel nicht nur ein Computer, sondern gleich drei geschlossene Systeme die Arbeitsabläufe eines Fliegers steuern, ist es laut Professor David Stupples von der City University London durchaus möglich, Schadprogramme einzuschleusen - zum Beispiel während eines Updates der Flugzeug-Software. Außerdem können auch im Flugzeug Systeme ausfallen oder verrückt spielen.
Daher ist es sicher ratsam, dass der Mensch als letzte Instanz die Steuerung übernehmen kann. Denn durch die zunehmende Automatisierung wird es zwar weniger Unfälle geben, völlig auszuschließen sind sie aber auch in Zukunft nicht - weder in der Luft, noch auf der Straße.
Automatisierung Auto vs. Flugzeug
Die Automatisierungen beider Verkehrsmittel lassen sich kaum miteinander vergleichen. Während das System im Auto mit ein paar Sensoren, einer Kamera und Radar vergleichsweise spartanisch ausgestattet ist, ist der Autopilot im Flieger sehr komplex. Er besteht aus einer Vielzahl verschiedener und zum Teil unabhängig voneinander agierender Systeme. Herzstück ist das Auto Flight System (AFS), das unter anderem dafür sorgt, das Flugzeug im stabilen Flug oder auf einem festgelegten Kurs zu halten.
Autonomes Fahren - die Gesetzeslage
SOFIA - Safe automatic flight back and landing of aircraft
Kurze Einführung Autopilot-Studie
Vertrauen in Automatisierung: Eine Einschätzung aus der Pilotenperspektive
Zum Original