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Nachhaltig fliegt es sich schöner

Knapp 690 Millionen Tonnen Kohlendioxid werden jährlich durch den Flugverkehr freigesetzt. Der Einsatz von Biokerosin aus Pflanzen anstelle von erdölbasiertem Treibstoff könnte die CO2-Belastung der Atmosphäre deutlich verringern. Doch die Produktion des benötigten Pflanzenöls sollte auch nachhaltig sein. Stefan Schaltegger erforscht die Möglichkeiten, die die Welt dafür zu bieten hat.

 

Von Mirko Besch (Foto: Dörthe Hagenguth)


Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen. Doch wie lässt sich das ändern? „Man kann die Effizienz über leichtere Flugzeuge oder bessere Jets steigern, die Aerodynamik erhöhen oder eben Erdöl­ ersetzen – und da kommt derzeit eigentlich nur Biokerosin aus Pflanzenöl in­frage“, erklärt Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg. Technisch ist dies heute bereits problemlos möglich, das haben Tausende erfolgreiche Testflüge mit Biokerosin-Beimischungen unter Beweis gestellt. „Aber momentan sind die Kosten noch viel zu hoch. In einem Tiefmargengeschäft wie der Flugbranche kann man sich das nicht in großem Stil leisten.“

 

Viele Jatropha-Projekte sind gescheitert

Mit seinem Team geht der 50-jährige Forscher daher den Fragen nach, wie die Biomasseproduktion zur Erzeugung großer Mengen an Biokerosin nachhaltig und kostengünstig erfolgen kann und mit welchen Messmethoden die Nachhaltigkeitswirkungen beurteilt werden können. Die vorschnell als Wunderpflanze bezeichnete Jatropha scheint bisher nicht die Lösung zu sein. Trotz massiver Investitionen in deren Anbau sind viele Projekte schon nach wenigen Jahren gescheitert, weil der Ertrag zu gering war. Zur Gewinnung großer Mengen an Pflanzenöl ist dagegen die afrikanische Ölpalme besser geeignet. Allerdings könnte selbst die derzeitige Weltproduktion an Palmöl nur etwa ein Fünftel des Kerosinbedarfs decken. Und ihr Anbau verursacht schon heute bedeutende Nachhaltigkeitsprobleme, die Umweltschützer stark kritisieren. Zum einen wegen der Diskussion „Tank versus Teller“ – die Nutzung der Pflanze als Energieform steht in Konkurrenz zu ihrer Nutzung als Lebensmittel. Zum anderen werden für neue Plantagen oft riesige Flächen Regenwald abgeholzt.

 

Die gegenwärtig erfolgversprechendste Alternative zur afrikanischen Ölpalme ist die vornehmlich in Brasilien wachsende Macauba-Palme, die auf Weideflächen in lockerer Bepflanzung kultiviert werden kann. „Es gibt dort bereits Pilotprojekte. Wir forschen, inwieweit diese im Falle einer Skalierung auf größere Mengen nachhaltig ausgestaltet werden können“, sagt Schaltegger. Gefragt seien Agrarsysteme und Geschäftsmodelle, die nachhaltig sind und eine Wertschöpfung für alle Beteiligten generieren. „Wir analysieren, ob die Palme so angebaut werden kann, dass man eine effiziente Ernte und Bewirtschaftung hinbekommt, dass die Biodiversität auf den Weiden erhöht und die Viehzucht unterstützt wird, und ob das gewonnene Biokerosin bezahlbar ist.“ Dabei beurteilen die Lüneburger Wissenschaftler anhand von Karten die potenziellen Anpflanzungsorte für die Palme. „Wir berücksichtigen Wetterverhältnisse, Temperaturen, Siedlungen, Acker- und Naturschutzflächen und bewerten, ob eine nachhaltige Produktion auf der realistisch nutzbaren Fläche möglich ist.“ Des Weiteren müsse geklärt werden, wie lange es dauert, bis ein ausreichender Ertrag bereitsteht, wie hoch das globale Potenzial ist und wie weit die Entfernungen zu größeren Städten sind, in denen man Verarbeitungszentren aufbauen könnte.

 

Mischung aus mehreren Lösungen

Eines sei jedoch jetzt schon klar: „Den weltweiten Kerosinbedarf werden wir weder allein mit Macauba noch in Kombination mit Palmöl nachhaltig decken können.“ Zur Nachhaltigkeitssicherung müsse vielmehr eine Mischung aus mehreren Lösungen angestrebt werden. Schalteggers Team konzentriert sich derzeit auf Strategien zur ökonomischen und biologischen Aufwertung von brasilianischen Weideflächen durch eine zusätzliche Bepflanzung mit Palmen. „Dies hätte den Vorteil der Verschattung, wäre für den Wasserhaushalt gut, gäbe vielen Tierarten neuen Lebensraum und würde den Bauern Zusatzeinkommen verschaffen.“

 

Und wann wird denn nun ein Großteil der Flugzeuge mit Biokerosin fliegen? „Nicht so schnell“, antwortet Schaltegger. „Machbar ist schon einiges, aber es wäre nicht nachhaltig.“ Er rät: „Wenn wir vom Erdöl wegkommen wollen, so gibt es Bereiche, in denen wir weiter fortgeschritten sind, zum Beispiel bei Heizungen oder beim Auto. Da man Erdöl hier günstiger und sinnvoller ersetzen kann, sollte man zuerst das tun.“

 

Zur Person

Stefan Schaltegger promovierte 1992 und habilitierte 1998 an der Universität Basel, wo er zuvor Wirtschaftswissenschaften studiert hatte. Seit 1999 hat er den Lehrstuhl für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg inne, ist Leiter des dortigen Centre for Sustainability Management und gründete 2003 den weltweit ersten MBA-Studiengang für Nachhaltigkeitsmanagement



Der Artikel war ursprünglich zu finden unter:
http://www.es-werde-lux.de/site/forschung/nachhaltig-fliegt-es-sich-schoener-2998/