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Die magnetische Kühl-Revolution

Die Technik unserer Kühlschränke steht vor einer Revolution. Bereits in wenigen Jahren sollen Lebensmittel nicht mehr mithilfe der Kompressortechnologie gekühlt werden, sondern mithilfe von Magneten. Doch noch arbeiten Wissenschaftler wie Oliver Gutfleisch an der bestmöglichen Magnetrezeptur. Dabei geht es neben dem größten Kühleffekt auch um die Reduzierung der Kosten.

 

Von Mirko Besch (Foto: Katrin Binner)


Der weltweite Stromverbrauch für Kühlung ist extrem hoch. „In Deutschland liegt er bei 15 bis 20 Prozent, in den USA kann er im Sommer auf bis zu 50 Prozent steigen“, sagt Oliver Gutfleisch, Professor für Funktionale Materialien an der TU Darmstadt und wissenschaftlicher Leiter der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS. „Da ist jede noch so geringe Effizienzsteigerung willkommen.“ Doch von „gering“ kann bei der magnetischen Kühlung keine Rede sein. Die neue Technologie soll – zumindest in der Theorie – im Vergleich zu kompressorbasierten Kühlgeräten 30 bis 50 Prozent weniger Energie benötigen, darüber hinaus kommt sie ohne klimaschädliche Gase und Flüssigkeiten aus. Verantwortlich dafür ist der bereits 1917 entdeckte magnetokalorische Effekt: Setzt man ein magnetokalorisches Material einem Magnetfeld aus, erwärmt es sich. Schaltet man das Magnetfeld aus, kühlt das Material wieder ab.

Doch bis der Technik der Durchbruch gelingt, müssen noch ein paar Hindernisse überwunden werden. „Die primären magnetokalorischen Eigenschaften haben wir in großen Teilen optimiert.“ Verbesserungsbedarf bestehe laut Gutfleisch aber noch bei den ingenieurtechnischen Eigenschaften wie der elektrischen Leitfähigkeit, der Wärmeleitfähigkeit sowie der mechanischen und chemischen Stabilität. Ein weiteres Problem: Die verwendeten Hochleistungsmagnete bestehen aus Eisen und Bor, aber auch zu fast 30 Prozent aus Seltenen Erden wie zum Beispiel Neodym, Dysprosium und Gadolinium. Deren Förderung findet jedoch fast ausschließlich – zu 97 Prozent – in China statt. „Und zwar unter miserablen Bedingungen“, sagt Gutfleisch. Außerdem entsteht bei der Förderung radioaktiver Müll. „In der Ökobilanz eines magnetischen Kühlschranks schlägt sich das natürlich nicht gut nieder.“

Das gilt ebenfalls für Windkraftanlagen und Elektrofahrzeuge, die in der Regel als „grüne Technologien“ bezeichnet werden. Doch in beiden stecken ebenfalls die umweltbedenklichen und teuren Metalle. Daher forscht der 48-jährige Wissenschaftler mit seinem Team auch an ressourcenschonenden Alternativen, um den Anteil der Seltenen Erden so weit wie möglich zu verringern. Ankommen wird es dabei auf die richtige Mischung der verschiedenen Metallelemente. „Ideal wäre es, wenn die neuen Verbindungen nur wenige oder am besten gar keine kritischen Elemente haben und trotzdem hervorragende magnetische Eigenschaften aufweisen. Das wäre eine enorme Kostenersparnis und eine Verbesserung der Ökobilanz.“ Doch das ist noch Zukunftsmusik. Zwar werden Windräder und Elektroautos trotz ihrer kostspieligen Elemente vielfach produziert, aber für die magnetische Kühlung gelten andere Maßstäbe. „Die aktuellen Haushaltskühlschränke sind auf den Cent genau kalkuliert. Da kommen wir derzeit noch nicht gegen an.“

Neben den Kühlgeräten für daheim rücken auf kurz oder lang aber auch weitere Einsatzbereiche der Technik in den Blickpunkt. „Die Kühltechnologie ist skalierbar – vom Milliwatt- bis in den Kilowattbereich“, sagt Gutfleisch. „Durch Serien- oder Parallelschaltung sind also durchaus größere Kühlleistungen möglich.“ Zum Beispiel für große Rechenzentren, Industriekälteanlagen oder die Produktkühlung in Supermärkten. Aber auch für Klimaanlagen im kleinen Maßstab werden Magnete künftig aller Voraussicht nach eingesetzt. Beim Auto betreffen die Überlegungen die Kühlung des Antriebsstrangs und des Fahrgastinnenraums. „Da sind wir dran“, so Gutfleisch. Seiner Ansicht nach werden Technologien, die Hochleistungsmagnete benötigen, in Zukunft weiter zunehmen. „Schon jetzt besitzt der moderne Mensch 50 bis 100 solche Magnete.“ Mindestens drei davon stecken in jedem Smartphone – im Lautsprecher, im Mikrofon und für die Vibration. Und wer weiß mit welchen Innovationen uns die Technikunternehmen als Nächstes versuchen zu begeistern. Aber bestimmt sind auch dabei wieder Magnete mit im Spiel. 

 

ZUR PERSON

Oliver Gutfleisch studierte Materialwissenschaft an der TU Berlin, ehe er an der Universität im britischen Birmingham promovierte. Von dort zog es ihn 1998 zu Forschungszwecken an das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden. Neben Gastprofessuren in London (England) und Ningbo (China) war Gutfleisch mehrfach als EU-Berater im Bereich strategische Metalle tätig.



Der Artikel war ursprünglich zu finden unter:
http://www.es-werde-lux.de/site/forschung/die-magnetische-kuhl-revolution-2745/