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Schatz, ich mach' mal Strom!

Unabhängig von steigenden Strompreisen zu sein, ist der Traum vieler Verbraucher. Möglichkeiten, das traute Heim weitgehend autark mit erneuerbarer Energie zu versorgen, gibt es bereits einige. Inzwischen können sogar Mieter ihren eigenen Strom produzieren. Doch lohnt sich das Ganze?


Von Mirko Besch (Illustration: Orlando Hoetzel)

 

Von der Sonne verwöhnt

Sonne, Wasser und Wind können nicht nur für die große, sondern auch für die ganz private Energiewende sorgen. Viele Deutsche haben zum Beispiel eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die die verfügbare Sonnenenergie in Strom umwandelt. Auch wenn der Solarstrom-Ausbau in Deutschland mittlerweile deutlich langsamer als in den Jahren 2010 bis 2012 vorangeht – die Photovoltaik spielt hierzulande nach wie vor eine bedeutende Rolle. 2013 wurden mithilfe der Kraft der Sonne 30 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert. Die Anlagen liefern zuverlässig Energie, die entweder direkt selbst verbraucht oder ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Vorteil: Die Kosten sind in den vergangenen Jahren stetig gefallen. Laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) werden für fertig installierte Aufdachanlagen derzeit mittlerweile nur noch 1.640 Euro pro Kilowatt Peak (kWp) fällig. Da für die Versorgung eines Einfamilienhauses üblicherweise eine Anlage mit vier bis fünf Kilowatt Peak installiert wird, muss derzeit mit Gesamtkosten zwischen 6.560 und 8.200 Euro gerechnet werden.


Nachteil: Tagsüber, wenn die Sonne scheint, ist oft keiner zu Hause, der den Strom verbrauchen kann, sodass in dieser Zeit meist nur Kühl- und Gefrierschränke sowie Elektrogeräte im Stand-by-Modus mit dem Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage versorgt werden. In der Regel werden insgesamt daher nur bis zu 30 Prozent des produzierten Stroms selbst in Anspruch genommen, der Rest wird an den Netzbetreiber veräußert. Gab es vor wenigen Jahren dafür noch mehr als 30 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde (kWh), fallen heute die Einnahmen dafür mit weniger als 13 Cent deutlich geringer aus. Selbst erzeugten Solarstrom nahezu ausschließlich ins Netz einzuspeisen, ist daher mittlerweile fast nicht mehr wirtschaftlich. Wer sich eine Photovoltaikanlagen zulegen möchte, sollte deshalb einen Batteriespeicher mit einplanen, denn damit lässt sich zum einen der Eigenverbrauchanteil spürbar erhöhen. Zum anderen fördert der Staat Systeme zur Speicherung von Solarstrom über das Marktanreizprogramm mit bis zu 660 Euro pro Kilowatt Peak Leistung der Photovoltaikanlage. Der genaue Betrag hängt von den Kosten des Batteriespeichers und von der Größe der Solaranlage ab. Fazit: Neue Photovoltaikanlagen mit Speichersystem haben Zukunft.

 

Von Mietern genutzt

Während Photovoltaikanlagen vom Eigentümer beauftragt und in der Regel auf dem Dach installiert werden, lassen sich Mini-Solaranlagen auch von Mietern einsetzen.

Vorteil: Die Module sind deutlich kleiner und günstiger als ihre „großen Brüder“ und lassen sich ohne Aufwand installieren. Das heißt: am gewünschten Ort – beispielsweise im Garten, auf dem Balkon oder der Terrasse – aufstellen und in Verbindung mit einem passenden Wechselrichter über einen Schutzkontakt-Stecker an das Stromnetz anschließen. Der Wechselrichter wandelt Gleich- in Wechselstrom um und passt die Spannung, Frequenz und Phase an die jeweilige Netzspannung an.


Allerdings gibt es hinsichtlich des Betriebs der sogenannten Plug-in-Anlagen vonseiten des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) Bedenken. „Photovoltaikanlagen, bei denen der Strom einfach per Schutzkontakt-Stecker über die Steckdose in den Hausstromkreislauf eingespeist wird, entsprechen nicht den VDE-Sicherheitsvorschriften“, warnt der Verband. Das Einstecken eines elektrischen Erzeugungsgeräts in die Steckdose sei nicht mit dem Einstecken eines elektrischen Verbrauchsgeräts zu vergleichen und nach der Sicherheitsnorm DIN VDE 0100-551 unzulässig. Der VDE befürchtet, dass es durch Überlastungen des Stromkreislaufs zu Bränden kommen könnte, und rät daher dringend, die Installation von Photovoltaikanlagen stets von fachkundigem Personal durchführen zu lassen.


Gegen die Aufforderung, Fachleute zur Installation einzusetzen, haben die Hersteller der auch als Guerilla-Photovoltaik oder Balkonkraftwerke bezeichneten Anlagen nichts einzuwenden, gegen die Sicherheitsbedenken des VDE setzen sich manche Unternehmen jedoch zur Wehr. Toralf Nitsch von Sun Invention bekräftigt: „Unsere Messungen in Bezug auf die Kabeltemperatur sowie die Überprüfung der installierten Kundenanlagen haben gezeigt, dass eine Brandgefahr ausgeschlossen werden kann.“ Auch André Steinau von GP Joule kann die Warnungen des VDE nicht nachvollziehen. Das sei reine Panikmache. „Unser Photovoltaiksystem ist seit 2011 weltweit erfolgreich im Einsatz.“ Die Elektronik sei gegen hohe Temperaturen geschützt und schalte bei Überhitzung ab.


Nachteil: die Wirtschaftlichkeit. Ein Modul mit einer Nennleistung von 195 Watt Peak gibt es samt Wechselrichter, Kabel und Montageteilen ab etwa 500 Euro. Weiteres Zubehör, eventuelle Versandkosten und die Kosten für die fachmännische Installation durch einen Elektriker lassen den Gesamtbetrag aber schnell um ein paar Hundert Euro anwachsen, was die Amortisation der Kosten wiederum um mehrere Jahre hinauszögert. Denn ein solches Modul produziert an günstigen Standorten nur etwa 180 kWh im Jahr, mit denen man jährlich knapp 50 Euro einspart. Fazit: Hat man für sein Balkonkraftwerk zum Beispiel insgesamt 700 Euro ausgegeben, amortisiert sich die Investition somit erst nach 14 Jahren – bei steigenden Strompreisen etwas schneller, aber immer noch langsam. Gut geeignet sind Mini-Solaranlagen dagegen als Insel­lösung – zum Beispiel für das nicht ans Stromnetz angeschlossene Kleingartenhäuschen, das Wohnmobil oder die Berghütte.

 

Vom Winde verschmäht

Eine weitere Möglichkeit, das Eigenheim anteilig selbst mit Strom zu versorgen, bilden Kleinwindenergieanlagen (KWEA). Diese sind juristisch gesehen nicht höher als 50 Meter und haben eine Nennleistung von bis zu 100 Kilowatt (kW). Fürs Zuhause reichen aber in der Regel Anlagen mit bis zu fünf Kilowatt. Nach Schätzungen der World Wind Energy Association (WWEA) soll Ende 2012 weltweit knapp eine Million Kleinwindanlagen in Betrieb gewesen sein. Spitzenreiter im Ländervergleich ist China mit 570.000 Einheiten vor den USA (155.000) und Großbritannien (23.500). In Deutschland waren 2011 lediglich rund 10.000 Anlagen installiert. Doch das Interesse an den KWEA wächst auch hierzulande. Vor der Anschaffung eines kleinen Windrads sollte man am geplanten Standort aber unbedingt eine Windmessung vornehmen und sich zudem umfangreich informieren, damit man sich hinterher nicht über einen zu ­geringen Ertrag ärgern muss. Nachteil: Zertifizierte Anlagen gibt es nur wenige, und einheitliche Qualitätsstandards fehlen bisher bei den Herstellern. Ebenso wie einheitliche Genehmigungsregelungen. Immerhin sind Kleinstanlagen unter zehn Meter Höhe in einigen Bundesländern genehmigungsfrei, höhere KWEA benötigen dagegen in allen Bundesländern eine Genehmigung. Und der Aufwand dafür sowie die Gewährleistung sicherheitstechnischer Aspekte sind nicht zu unterschätzen.


Aufstellen lassen sich die Anlagen entweder auf einem langen Mast neben dem Haus oder aber direkt auf dem Dach. Doch Letzteres hat für Paul Kühn, Experte für Windenergieanlagen beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES, einen entscheidenden Nachteil: „Das Haus stellt für den Wind ein Hindernis dar. Er wird abgebremst und verwirbelt.“ Die Folge ist ein vergleichsweise geringerer Ertrag. Daher empfiehlt der Fachmann, die Anlage unbedingt auf einen Mast neben das Haus zu stellen – und das so weit voneinander entfernt wie möglich. Die Höhe des Masts sollte dabei mindestens zehn Meter betragen. „Alles darunter ist nicht sinnvoll. Die Windgeschwindigkeit steigt mit der Höhe. Gerade im bodennahen Bereich bis 20 Meter haben Sie mit jedem zusätzlichen Meter einen erheblichen Mehrgewinn“, so Kühn.


Will jemand ernsthaft Strom produzieren, sollte er zunächst die Standortbedingungen einschätzen, rät der Kleinwind-Experte. „Wie groß ist das Grundstück? Ist es irgendwo zugebaut? Gibt es große Bäume? Sie schauen also erst einmal, ob eine möglichst freie Anströmung des Windes möglich ist. Das heißt, die Anlage sollte mindestens zehn Meter über allen Hindernissen im Umkreis von 100 Metern sein.“ Ist dies der Fall, wäre eine Windmessung der zweite Schritt. Diese sollte über ein Jahr erfolgen, damit auch die jahreszeitlichen Schwankungen in die Berechnungen mit einbezogen werden können.


Nachteil: Um einen einigermaßen wirtschaftlichen Betrieb der Anlage zu gewährleisten, benötigt man eine mittlere Windgeschwindigkeit von mindestens fünf Metern pro Sekunde. Die ist in Deutschland in diesen niedrigen Höhen eher selten zu finden. Kühn nennt ein Beispiel: Mit einer 15 bis 20 Meter hohen Fünf-Kilowatt-Kleinwindanlage mit fünf Meter Rotordurchmesser und der genannten Windgeschwindigkeit kann eine fünfköpfige Familie etwa 5.000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Klingt schön, ein Blick auf die Kosten ist es dagegen weniger: „Mit etwa 4.000 bis 8.000 Euro pro Kilowatt muss man rechnen“, sagt der Fachmann. Außerdem habe jede Anlage auch laufende Kosten, da sie regelmäßig gewartet und hin und wieder auch instand gesetzt werden muss. Daher lautet Kühns Fazit: Kleinwindanlagen sind eher etwas für Hobbyisten oder Firmen, die sie als Werbung nutzen. „Für Hausbesitzer zur Eigenbedarfsdeckung lohnen sie sich in der Regel nicht.“ Besser sei es, sein Geld zu nehmen und in den benachbarten Windpark zu investieren. Vorteil also: Fehlanzeige.

 

Von Bürokratie blockiert

In Deutschland gibt es insgesamt rund 7.600 Wasserkraftwerke, etwa 7.200 davon zählen zu den sogenannten Kleinwasserkraftwerken mit einer Leistung von unter einem Megawatt (MW). Vorteil: Dieses Potenzial ist längst noch nicht ausgeschöpft. Auf wessen Grundstück ein Bach oder Fluss verläuft, der könnte also durchaus über ein kleines privates Wasserkraftwerk nachdenken. Holt er sich dann aber Informationen darüber ein, rückt er wohl schnell wieder von diesen Überlegungen ab. Nachteil: Denn die Errichtung eines Kleinwasserkraftwerks bedeutet einen Eingriff in die Natur, sodass eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Dabei ist abzuklären, wie viel Wasser entnommen werden darf oder wie die Leitungen verlegt werden müssen. Außerdem benötigt man eine Konzession, um das öffentliche Gewässer für die Stromerzeugung nutzen zu dürfen. Kurzum: Für das Betreiben eines Kleinwasserkraftwerks sind verschiedene Genehmigungen und das Erfüllen zahlreicher Auflagen erforderlich, die es dem potenziellen Selbstversorger rasant vermiesen, sich intensiv damit zu beschäftigen.


Wer es allen Widerständen zum Trotz dennoch wagen will, der sollte sich wie bei Kleinwindanlagen zunächst einmal mit dem zu erwartenden Energieertrag auseinandersetzen. Bei den für Laien recht komplizierten Berechnungen, die auch die jährlichen Schwankungen des Wasserangebots mit einbeziehen sollten, können das örtliche Wasserwirtschaftsamt oder Fachverbände behilflich sein. Anschließend ist es ratsam, weitere Informationen einzuholen, zum Beispiel über die erforderliche Größe und die zu erwartenden Kosten der Anlage, über die Einspeisevergütung und die Fördermöglichkeiten. Erst wenn man alle Informationen gesammelt hat, lassen sich Aussagen über die Wirtschaftlichkeit einer kleinen Wasserkraftanlage machen. Fazit: In anderen Ländern sind die Hürden niedriger. Diejenigen, die sich das Genehmigungsprozedere in Deutschland antun, müssen schon besonders große Wasserkraftanhänger sein.

 

Vom Wetter abhängig

Noch einmal zurück zu Sonne und Wind: Die lassen sich inzwischen ja auch unterwegs anzapfen. Vorteil: Die mobilen solaren Helfer leisten bei Tablet-PCs, Laptops, Handys, Smartphones, MP3-Playern, Navigationsgeräten oder Uhren ganze Arbeit – im Gegensatz zur lediglich unterstützenden Funktion der Sonne bei der Versorgung des Eigenheims. Die handlichen Mini-Kraftwerke gibt es bereits ab zehn Euro. Nachteil: Das Aufladen geht deutlich langsamer vonstatten als über die Steckdose.


Ebenfalls vornehmlich für das Aufladen elek­tronischer Kommunikationsgeräte lassen sich die mobilen Windkraftanlagen der US-amerikanischen Unternehmen WindPax und Skajaquoda nutzen. Vorteil: Sie sind faltbar, leicht und trotzdem recht strapazierfähig. Die kleinste WindPax-Anlage erreicht aufgebaut eine Höhe von 1,83 Metern, wiegt 1,8 Kilogramm und kostet 120 Dollar. Sie produziert eine Leistung von 25 Watt. Das reicht, um ein Smartphone mit Energie zu versorgen. Mit knapp 60 Zentimetern ist die Trinity von Skajaquoda im aufgeklappten Zustand deutlich kleiner und mit 1,1 Kilogramm auch leichter. Sie leistet 15 Watt und kostet 299 Dollar. Der Nachteil beider Windräder liegt wohl nur in den nicht vorhersehbaren Windverhältnissen und im dadurch unkalkulierbaren Ertrag.


Fazit: Wenn der Wind bläst und die Sonne scheint, bedeuten die kleinen Solar- und Windanlagen unterwegs jedenfalls ein gutes Stück Steckdosen-Unabhängigkeit.



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