4 Abos und 3 Abonnenten
Artikel

Sophia Russack - Für mehr Transparenz in der EU

Während manche bei der EU ein Demokratie-Defizit bemängeln, schauen andere, wie es besser gehen kann: Sophia Russack ist einen von ihnen. Mit ihrer Arbeit will sie dazu beitragen, dass die EU transparenter und demokratischer wird.


Wenn Sophia Russack von der EU spricht, sind ihre Sätze lang, ihre Gesten groß. Sie will nichts auslassen bei ihrem Lieblingsthema. „Die EU ist einzigartig, denn es ist ein Staatenverbund, den es so nirgends auf der Welt gibt – deswegen ist es ein spannendes Forschungsobjekt,“ sagt Russack, 36. Seit sieben Jahren arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel. Einem think tank, der EU-Angelegenheiten analysiert. Aktuell promoviert Russack. In ihrer Doktorarbeit schaut sie sich an, wie politisch die Kommission unter Jean-Claude Junker war.


Ihre Leidenschaft für die EU entdeckte sie bereits im Soziologie- und Politik-Studium an der Uni Frankfurt. Dort lernte sie die verschiedenen EU-Institutionen kennen und wie deren Entscheidungsfindung funktioniert. Diese Kenntnisse vertiefte sie im Research-Master European Studies in Maastricht. Schon damals merkte Russack: Sie will wissen, wie das alles wirklich in Brüssel funktioniert – und landete nach ihrem Abschluss beim CEPS. „Es ist eine spannende Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis: Ich kann forschen und zugleich konkrete Vorschläge erarbeiten, wie man Sachen besser machen kann.“


Dabei fokussiert sie sich auf die Institutionen der EU, insbesondere die EU-Kommission. Außerdem schaut sie sich an, wie die EU demokratischer werden könnte. „Die demokratische Qualität der EU ist nicht großartig“, lautet ihr Urteil, „aber auch nicht so schlecht wie ihr Ruf.“ Russack plädiert für höhere Transparenz bei der Kommissionspräsident:in-Wahl, ebenso fordert sie von Rat, Parlament und Kommission ihre Arbeit mehr nach außen zu kommunizieren. „Die Wählerinnen und Wähler müssen besser verstehen können, was die EU macht.“


Daher spricht sie sich für Bürgerräte auf EU-Ebene aus und glaubt, dass die Wahl zum EU-Parlament mehr nationalen Wahlkampf und einen EU-weit einheitlichen Wahltermin braucht. „Die EU macht unser aller Leben leichter – zum Beispiel durch das Abschaffen der Roaming-Gebühren oder das Erasmus-Programm. Nur leider schafft die EU es nicht immer, diese Erfolge als solche zu verkaufen“, sagt Russack.


Sie glaubt an die Beständigkeit der EU – trotz der Krisen der vergangenen Jahre: Euro-Krise, Corona, Ukrainekrieg. „Spätestens der Krieg hat gezeigt, wie viel Einheit in der EU sein kann.“ Trotzdem sieht Russack eine Gefahr: „Fehlende Rechtstaatlichkeit ist das größte Problem, denn sie gefährdet die Demokratie.“ Justizreformen, Wahlmanipulationen, eingeschränkte Pressefreiheit: Gerade Polen und Ungarn stellen die EU dahingehend auf die Probe. „Wenn die EU nicht stärkere Mechanismen entwickelt, um einzugreifen, dann kann sich das in anderen Ländern ausbreiten.“


Jetzt muss sich Russack aber erst einmal auf ihre Doktorarbeit konzentrieren, bis Ende Februar 2024 ist sie vom CEPS freigestellt, um zu Schreiben. Und sonst? „Schaue ich gespannt auf die Parlamentswahlen im Juni.“ Immerhin: Bei den letzten Wahlen 2019 war die Wahlbeteiligung mit knapp 50 Prozent so hoch gewesen wie seit 20 Jahren nicht.

Zum Original