Miriam Rupp

Brand Storytelling für PR, Content Marketing & Employer Branding, Berlin

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Mad Men vs. New Work Women: Was Reinhard Springer nicht an der neuen Agenturwelt versteht

Mit seiner Kritik an der mangelnden Attraktivität von Agenturen als Arbeitgeber hat Reinhard Springer offenbar in ein Wespennest gestochen. Dass der Gründer von Springer & Jacoby Widerspruch aus dem Lager der Betroffenen ernten würde, war klar. Den Vorwurf, die Welt der Agenturen habe ihre Faszination verloren, wollen sie nicht auf sich sitzen lassen. Eine besonders heftige Reaktion in Form eines Gastbeitrags kommt von Miriam Rupp, Co-Gründerin und Geschäftsführerin der Agentur Mashup Communications in Berlin:


Ein Agentur-Dinosaurier setzt einen Fonds auf, der vermeintlich nur Aktien von Unternehmen aufnimmt, "die ihre Mitarbeitenden so behandeln, dass sie dort gern arbeiten und stolz auf ihr Unternehmen sind". Um dafür Aufmerksamkeit zu bekommen, wirft er mit polarisierenden Headline-Häppchen um sich, welche die gesamte Agenturbranche denunzieren sollen.

Nachdem ich leicht auf Puls das Interview von Reinhard Springer gelesen hatte, ergaben sich für mich zwei Optionen: Schulterzuckend "Okay, Boomer" denken, mit den Augen rollen und ignorieren. Oder die hiermit gewählte Option, einige seiner Aussagen zu dekonstruieren. Nicht für meine Ehre oder die meiner Agentur. Sondern weil er ganz offensichtlich sagt, dass Mitarbeitende in Agenturen nichts von Wert schaffen, keinen Grund haben, stolz zu sein, zu viel Stress für zu wenig Geld aushalten und keinen Bock haben, etwas Besonderes zu leisten. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die in Agenturen arbeiten sowie ihre Kunden. Es sind genau solche Aussagen, die uns dazu bewogen haben, die Initiative "Fairgency" ins Leben zu rufen.

Aber erst einmal zurück zu Reinhard Springers von den 1980ern und 90ern geprägtes Verständnis von "proud at work". Wenn ich mir den Jahresbericht 2020 von seinem "besonderen" Fonds anschaue, finde ich dort in der Vermögensaufstellung Aktien von Unternehmen wie Nestlé oder Goldman Sachs. Ich möchte einmal sehen, wie jemand mit einem Job bei diesen Arbeitgebern auf einer "Party punktet". Die Weiterempfehlungsraten auf kununu und vor allem die dort beschriebenen Kritikpunkte in den Bereichen Image und Work-Life-Balance sprechen Bände.

Aber darum geht es Herrn Springer wahrscheinlich gar nicht. Er schreibt es auch ganz transparent auf seiner Website: "Wollen Sie Ihr Geld nicht lieber in Unternehmen anlegen, in denen die Mitarbeiter einfach mehr leisten?"; "Denn nur wer einen Sinn in seiner Arbeit sieht, leistet auch was."; "Das Gefühl von Stolz entsteht doch nur, wenn du etwas Besonderes geleistet hast." Zu der Frage, ob seine frühere Agentur theoretisch in den Fonds passen würde, sagt er: "Ja klar. Erstens schrieb sie Werbegeschichte und zweitens hat sie allerbestens verdient. Das Wachstum im Wert der Aktie und seine Dividende sind das Einzige, was Anleger wirklich interessiert."

Ich lasse das mal so stehen und erinnere kurz, dass es in seinem Interview wie auch in meiner Gegendarstellung eigentlich darum ging, die Mitarbeitenden wertschätzend zu behandeln. Obwohl – mein Fehler – um "Wertschätzung" ging es anscheinend nicht. "Ob du deine Mitarbeiter gut behandelst, interessiert ehrlich gesagt niemanden", so der HR-Experte Springer.

Was Reinhard Springer nicht über die neue Agenturwelt versteht: Mitarbeitende sind stolz, wenn sie auf einer Party erzählen können, dass sie Vertrauensarbeitszeit oder sogar Vertrauensurlaub genießen dürfen. Dass sie schwanger in eine Führungsposition eingestellt wurden. Dass sie dank "Workation" oder komplett dezentraler Teams vom Strand-Bungalow arbeiten können. Dass ihr Kunde ein digitales Start-up oder Scale-up ist, dass Lieferketten nachhaltiger macht oder frischen Wind in unser veraltetes Bildungssystem bringt. Und sie lieben Lob und Wertschätzung!

Die verkorkste "Job-Sex"-Agenturwelt ist längst vorbei. Stattdessen erleben wir in unserer Branche einen Pioniergeist von New-Work-Modellen, Werte- und Haltungsprämissen, Vertrauens-basierter Mitarbeiterführung, Flexibilität und – was in Herrn Springers alter Welt wohl kaum vorstellbar gewesen wäre – Vereinbarkeit von Familie/Privatleben und Beruf: der perfekte Entfaltungsraum insbesondere für Millennials und die heranwachsende Generation Z.

Agenturen werden weicher, weiblicher, diverser: Das zeigt sich nicht zuletzt an Initiativen wie dem wachsenden Ad Girls Club oder Fairgency, wo wir in inspirierenden Karrierestorys aus erster Hand von Mitarbeitenden hören, warum die Agenturwelt für sie sehr wohl eine Menge Faszination bietet.
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