kress.de: Frau Rupp, Sie verfügen ja von Berufs wegen über beste Kontakte vor allem auch zu digitalen Startups und Medienunternehmen. Wie sehr ist dort der erhoffte Aufbruch schon im vollen Gange?
Miriam Rupp: Die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, hatten das Digitale schon immer in ihrer DNA. Insofern war die durch Corona bedingte Homeoffice-Situation für unsere Kunden eher ein Stresstest ihrer bestehenden Infrastruktur als eine wirkliche Umstellung. Auch bei uns konnten alle Mitarbeiter:innen einfach ihren Laptop einpacken und nach Hause gehen. Alle Programme, mit denen wir zusammenarbeiten, liegen in der Cloud. Auch beobachte ich bei vielen unserer Kunden, dass sie Early Adopter von New-Work-Ansätzen sind. Umso schöner ist es, jetzt auch zu sehen, wie schnell diese neuen Formen der Zusammenarbeit seit letztem Jahr auch im Mainstream aufgegriffen sind.
"Der Wettkampf um die größte Reichweite tut dem Journalismus und damit auch unserer Gesellschaft nicht gut."
kress.de: Digitale Reichweiten, aber auch das digitale Werbegeschäft kam gut durch die Krise. Was ist denn Ihr wichtigster Tipp an klassische Publisher, im aktuell wieder anziehenden Geschäft nicht den Anschluss zu verlieren?
Miriam Rupp: Tatsächlich würde ich raten, gar nicht immer dem Anschluss hinterher zu eifern. Der Wettkampf um die größte Reichweite tut dem Journalismus und damit auch unserer Gesellschaft nicht gut. Publisher, die im Dienste ihres Publikums stehen, die erkennen, was ihre Leser:innen wirklich beschäftigt, wofür sie sich begeistern, was sie besorgt, werden analog wie auch digital dafür belohnt. Medienmarken wie der kicker (Disclaimer: einer unserer Kunden), das Unternehmensmagazin impulse oder auch das maiLab, die ihrer Stimme treu bleiben und die Passion ihrer Leserschaft bedienen, stellen das meiner Meinung nach gut unter Beweis.
kress.de: Wie kam denn Ihre Agentur durch die harten Zeiten und wo lagen für Sie und das Team die größten Herausforderungen?
Miriam Rupp: Was nicht zu unterschätzen ist und auch langfristig sicherlich noch einige Nachwirkungen haben wird, ist die lange Zeitspanne einer beängstigenden Situation im Allgemeinen, die mit viel Unsicherheit verbunden ist. Vor allem aber mit Sorge um die eigene Gesundheit und die der Angehörigen. Das alles musste jede:r mehr oder weniger für sich allein zu Hause ausmachen. Wenn er oder sie denn überhaupt dazu kam, das alles zu verarbeiten, wenn man neben dem Job noch Kind und Schule managt, oder auf engem Raum im Lockdown ausharrt. Die größte Herausforderung als Team lag und liegt daher für uns in der Aufgabe, Verständnis und Empathie füreinander zu pflegen, wenn wir trotz der Umstände erfolgreich zusammenarbeiten wollen. Sowohl untereinander als auch zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden müssen einfach viel mehr Gespräche stattfinden. Wir haben dafür extra eine neue Position der Head of Onboarding geschaffen, die unter anderem diese Kommunikation orchestriert. Daneben haben wir zum Jahreswechsel noch einmal all unsere Werte auf die Probe gestellt und eine Roadmap für mehr Gesundheit, Teamzusammenhalt und auch Flexibilität aufgestellt. Diese setzen wir nun gemeinsam im Dialog mit allen Kolleg:innen um.
kress.de: Natürlich ist die Tendenz gerade unter Kreativen und Medienschaffenden groß, auch dem Schwierigen immer wieder Positives abzugewinnen: Wie viel hat sich durch die neuen Arbeitsformen so entwickelt, dass es Ihrer Meinung nach bleiben muss?
Miriam Rupp: Ganz viel, natürlich. Vor allem eines aber muss bleiben: das Vertrauen in die Mitarbeiter:innen. Wenn das wirklich vorhanden ist, ist jede Form der Zusammenarbeit möglich.
kress.de: Sie blicken ja oft eng in die Abläufe bei Ihren Medienkunden: In vielen Unternehmen schien Corona Prozesse beschleunigt zu haben, die möglicherweise ohne Krisen-Schub bislang nie ernsthaft angegangen wurden. Wie kann man diesen Geist über die Zeit retten?
Miriam Rupp: Grundsätzlich glaube ich, dass es keinen Weg mehr zurück gibt, vom Geiste her. Home Office zum Beispiel kann jetzt eigentlich nur noch eine Frage des "wie viel" sein, nicht mehr des "ob". Corona hat uns allen viel Freiheit genommen, aber was das selbstbestimmte Arbeiten angeht, auch viel Freiheit gegeben. Für die Moral in einem Unternehmen wäre es fatal, diese neu gewonnenen Möglichkeiten wieder komplett abzuschaffen.
kress.de: Wie schwer fiel es eigentlich als Agentur-Chefin, bei ihren Teams das auf Vertrauen basierende Arbeiten zuzulassen?
Miriam Rupp: Wir hatten ja schon vor Corona Home-Office-Tage oder sogar "Workations", bei denen einzelne Mitarbeiter:innen für mehrere Wochen aus dem verlängerten Urlaub heraus weiter im Ausland arbeiten konnten. Ich selbst arbeite seit über zehn Jahren mehrere Monate im Jahr aus Südafrika heraus. Insofern habe ich eigentlich kaum eine Veränderung gespürt. Aber einen Faktor gibt es dann schon, wo man manchmal unsicher wird: wenn einfach die Transparenz oder die Kommunikation fehlt. Auch dafür gibt es aber strukturelle Lösungen. So haben wir jetzt zum Beispiel flexible Vertrauensarbeitszeit eingeführt. Aber unter der Bedingung, dass jede:r Mitarbeiter:in den eigenen Kalender mit allen teilt und gut pflegt. Man muss ja zumindest wissen, wann man jemanden erreichen kann oder wann man stört. Und auch das Tracking über die eigenen Aufgaben und die Zuständigkeiten im Team muss bei diesem Arbeitsmodell einfach stringenter verfolgt werden. Zu jedem Stück neuer Freiheit gehört also auch immer ein gewisses Regelwerk dazu, damit es transparent und fair bleibt.
kress.de: In vielen Redaktionen, Agenturen und Vermarktungsorganisationen schienen Vorgesetzte zu fürchten, die Kontrolle zu verlieren. Was ist nun wichtiger: ein guter Teamzusammenhalt oder bald schon wieder möglichst viel Präsenzpflicht?
Miriam Rupp: Lassen Sie uns vielleicht kurz über das Wort "Präsenzpflicht" reden. Meine Wahrnehmung und das Feedback meines Teams ist eigentlich, dass wir hier nicht von einer "Pflicht" ausgehen sollten. Unsere Mitarbeiter:innen vermissen das Büro, das Team, ihre Kolleg:innen manchmal regelrecht. Sie WOLLEN auch Präsenz. Sie mögen sich ja zu großen Teilen auch als Menschen, verbrachten vorher immerhin die Hälfte ihrer wachen Zeit in der Woche miteinander. Manche von ihnen machen sogar gemeinsam Urlaub. Das ist jetzt ein Extrem, und sicherlich haben wir auch einzelne Leute, die gerne für sich bleiben und am liebsten nur zu Hause arbeiten wollen. Aber das ist auch nur ein anderes Extrem. Der Großteil liegt irgendwo dazwischen. Und ich denke, da geht die Entwicklung mit Home Office und Co. auch hin: irgendwo dazwischen.
kress.de: Ihr Haus ist auf Storytelling spezialisiert. Wie schwer war es eigentlich, in harten Zeiten gute Geschichten zu erzählen?
Miriam Rupp: Gute Geschichten leben ja von Hürden, Schwierigkeiten und Konflikten, von Held:innen, die über sich hinauswachsen. Insofern, nein, das war nicht schwerer. Aber was viel wichtiger wurde: das Zuhören, wir nennen es "Storylistening". Gerade wenn man die Menschen nicht mehr persönlich sieht, geht eine Verbindung verloren, egal ob es jetzt um Mitarbeitende oder Kund:innen geht. Diese kann und sollte man mit dem Herauskitzeln von persönlichen Geschichten wieder aufbauen. Wir hatten erst Zweifel, aber es hat sich herausgestellt, dass unsere "Corporate Campfire" Workshops, die genau diesem Zwecke dienen, auch digital funktionieren. Hauptsache man gibt den Leuten eine Möglichkeit, gehört zu werden.
kress.de: Was sollte für Sie eine Erfolgsstory sein, die Medienbeschäftigte aus der Krise ziehen?
Miriam Rupp: Ich hoffe, dass wir alle mit der Freiheitseuphorie im Sommer nicht vergessen, worauf wir uns vor einigen Monaten noch als "systemrelevant" einigen konnten. Wenn man die Arbeitsbedingungen von Pflegeberufen, in der Schul- und Kinderbetreuung, in Krankenhäusern, im Einzelhandel etc. vergleicht, muss man eingestehen, dass wir als Medienbeschäftigte schon ziemlich privilegiert sind. Wir sollten unsere Talente eher dafür einsetzen, dass die Aufmerksamkeit für diese Themen - ebenso für die Wurzel des Corona-Übels: die Klimakrise - aufrechterhalten wird, damit sich hier Grundlegendes verändert. Dazu können Journalist:innen in klassischen Medien genauso etwas beitragen, wie auch die Vermarktung oder die Brand Storyteller.
kress.de: Sie sind ja persönlich stark vom Gründergeist geprägt: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee für Ihre Agentur und wie schwer war es, Sie am Markt zu etablieren?
Miriam Rupp: Meine Gründungsmotivation war sehr Werte-getrieben. Tatsächlich hatte das auch viel mit Arbeitsbedingungen zu tun, die ich zuvor erlebt hatte. Da wollte ich etwas verändern. Der Spirit, den wir bei Mashup Communications intern leben, zieht dann fast schon automatisch die Kunden an, die genau zu uns passen. Ich versuche aber zu vermeiden, uns jemals als etabliert anzusehen. Ich befürchte, dass wir unsere Neugier und Begeisterung verlieren, wenn wir das täten. Ich glaube, eigentlich kein Unternehmen sollte davon ausgehen, für immer "etabliert" zu sein. Dafür verändert sich unsere Branche viel zu schnell.
kress.de: Was sind aktuell die größten Herausforderungen, um Werbekunden wieder dazu zu bringen, den Rubel rollen zu lassen?
Miriam Rupp: Ich will niemanden dazu bringen müssen, den Rubel rollen zu lassen. Kunden, mit denen wir zusammenarbeiten, kommen aus eigener Motivation. Sie verstehen, was Brand Storytelling, was PR und Content Marketing bewirken können. Sie haben das Warum schon für sich geklärt. Es geht dann bei dem Umfang der Budgets und der Zusammenarbeit vor allem um das Wie. Und da machen wir vernünftige monetäre Vorschläge, was die meisten überzeugt.
kress.de: Wenn Sie auf Ihren eigenen Werdegang zurückblicken: Wo und von wem haben Sie am meisten gelernt?
Miriam Rupp: Ich liebe es ja zu lernen und sauge die Inspiration von allen Seiten auf. Ich lerne von unseren Trainees und ihrer Begeisterung genauso viel wie von erfahrenen Coaches. Ganz viel in Hinblick auf Geduld, Verspieltheit und Im-Moment-Leben lerne ich derzeit von meinem kleinen Sohn.
kress.de: Wie schaffen Sie Ihren ganz persönlichen Ausgleich, wo tanken Sie die Batterien wieder auf?
Miriam Rupp: Ich habe vor einem halben Jahr angefangen, Tennisunterricht zu nehmen. Sich auf eine einfache Sache wie eine gute Vor- oder Rückhand zu konzentrieren und dabei etwas auszupowern, macht den Kopf wirklich frei. Ansonsten nutze ich die neu gewonnene Flexibilität bei der Arbeit natürlich auch gerne für mich selbst. Mein Mann und ich unternehmen mit unserem Sohn gerne etwas an Mittwoch-Nachmittagen. Egal, wo man hingeht, man hat dann immer seine Ruhe und keine Menschenmassen um sich.
kress.de: Was bringt Sie auf die besten Ideen?
Miriam Rupp: Wenn ich mich mit Themen beschäftige, die absolut gar nichts mit meinem Job zu tun haben. Und guter Schlaf.
kress.de: Sie führen ein kressköpfe-Profil. Wie wichtig ist das Netzwerken für Sie?
Miriam Rupp: Ich muss sagen, ich weiß gar nicht mehr, ob ich das analoge Netzwerken noch beherrsche. Schon lange habe ich nicht mehr jemandem die Hand gegeben oder bin auf einem Event gewesen. Aber das digitale Netzwerken schafft dafür umso besseren Ausgleich.
kress.de: Welche Neuigkeiten und beruflichen Inspirationen ziehen Sie aus Ihrer Lektüre von kress.de und "kress pro"?
Miriam Rupp: Ich bin immer eher an Analysen und Einordnungen als an brandheißen News interessiert. Auch ist es inspirierend, über Interviews etwas in die Köpfe spannender Medienmacher:innen reinschauen zu können.
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