Wer in der heutigen Informationsflut noch zum Kunden durchdringen will, muss in seinen Maßnahmen mehr bieten als Daten und Preise. Nur wer es schafft, beim Kunden Emotionen zu wecken, bleibt im Gedächtnis. Wie Sie mit gutem Erzählstoff und geschicktem Storytelling die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden gewinnen.
Wer bei der Schreinerei Brammertz in Aachen anruft und sich nach dem Verantwortlichen zum Thema Storytelling erkundigt, landet nicht - wie es der trendige Marketingbegriff vermuten lässt -bei Juniorchef Max Brammertz. Sondern bei Seniorchef Eduard, der im Familienbetrieb die Rolle des „Mister Storytelling" perfekt besetzt. „Ich bin Vollbluthandwerker, und mir macht es Spaß, den Menschen von meinem Handwerk zu erzählen und sie dafür zu begeistern", erklärt der 67-Jährige seine Leidenschaft.
Schreinermeister Eduard Brammertz, Seniorchef der Schreinerei Brammertz GmbH in Aachen: "Der Kunde spürt die Leidenschaft für meinen Beruf bei jeder meiner Geschichten - das überzeugt ihn." - © Markus J. FegerViele Kunden, die etwa ein sehr altes Haus geerbt haben, sehen dies als Belastung und fragen bei Brammertz an, wie sie möglichst effizient modernisieren können. Im Beratungsgespräch macht der Senior ihnen dann klar, welchen historischen Hintergrund Baustil und Gebäude haben, was das Haus in den vergangenen Jahrzehnten so alles erlebt haben mag und welche Geschichten die Immobilie wohl erzählen könnte. „Nach dem Gespräch", so Brammertz, „sehen die Kunden ihr Haus mit anderen Augen und entwickeln eine Beziehung dazu." Ein nach seiner Erfahrung erster Schritt für eine werthaltige Modernisierung.
Natürlich lohnt sich dieses aufwändige Storytelling nicht bei jedem Auftrag, doch der Seniorchef hat ein feines Gespür dafür, wann der Einsatz sinnvoll ist. Besonders stolz ist er auf die in der Schreinerei vorgefertigte Vestibül-Treppe, die er einem Kunden für sein schlossartiges Gebäude anstelle der angefragten Standardtreppe verkauft hat. Dabei geht es dem Unternehmer nicht nur um den Mehrumsatz: „Das Haus hat viel erlebt, es hat sich die neue Treppe verdient." Damit die Kunden solche Sätze nachvollziehen können, verlässt sich Brammertz nicht nur auf sein umfassendes Fach- und Historienwissen, sondern hat sich in Sachen Körpersprache auch von einem Pantomimen schulen lassen.
„Storytelling ist ein Werkzeug, das sich vielfältig einsetzen lässt", bestätigt Miriam Rupp, Geschäftsführerin von Mashup Communications in Berlin und Autorin des Standardwerks „Storytelling für Unternehmer". Sei es wie bei Brammertz im Verkaufsgespräch oder auch auf der Website, wo es bei den Referenzen zu den Objekten jeweils Fotos zu sehen gibt und die Auftragsabwicklung in Form einer kleinen Geschichte erzählt wird. Weitere gängige Formate für Unternehmen sind Blogs und Videos.
„Ziel des Storytelling ist es, Werte zu vermitteln und Vertrauen zu gewinnen", weiß Expertin Rupp. Genügten dazu früher Daten und Fakten, die flächendeckend über Werbung gestreut wurden, müssen die Anbieter bei den aufgeklärten Kunden von heute deutlich mehr tun, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Modernes Storytelling hilft laut Rupp dabei, die Botschaften auch tatsächlich im Gehirn der Zielgruppe zu platzieren. „Wenn wir eine gute Geschichte hören, können wir uns trotz Tausender Ablenkungen darauf fokussieren, und das Gehirn speichert alle damit verbundenen Informationen ab."
Doch wie kommt ein normaler Handwerksbetrieb zu Geschichten, die potenzielle Kunden fesseln? Bei der Suche empfiehlt Rupp, sich in die Perspektive des Publikums zu versetzen. Entscheidend für eine glaubwürdige Kommunikation ist nach ihrer Erfahrung, dass sich die Präsentationsform den eigenen Werten anpasst.
Heike Eberle, Geschäftsführerin von Eberle Bau in Landau (Pfalz), hat die übliche Sicht des Publikums auf ihre Branche in ein Alleinstellungsmerkmal umgemünzt und den 20 Mitarbeiter zählenden Familienbetrieb als Serviceanbieter etabliert. In einer Branche, die aus Sicht der Kunden bislang nicht für ihre hohe Servicekompetenz bekannt ist, will sie sich damit von den Wettbewerbern abheben. Dazu hat sie schon vor acht Jahren auf der Website einen Serviceblog eingerichtet. Dort bloggt sie zu den Kernthemen: Wer sind wir? Was tun wir? Wie tun wir es? „Mein Ziel ist es, Menschen anzusprechen, die ähnliche Werte haben und zu uns passen, das macht die Zusammenarbeit einfacher", weiß Heike Eberle.
Den Stoff für ihre monatlich erscheinenden Blog-Beiträge liefern ihr vor allem die Projekte und Aufträge für ihre Kunden, thematisiert wird jedoch auch das 40-jährige Firmenjubiläum eines Mitarbeiters oder die Rolle mittelständischer Unternehmer für die Gesellschaft und die Region. „Ich will Verantwortung zeigen, um das Image der Baubranche in der Region zu verbessern", erklärt die Firmenchefin ihre Mission. Kann das mit einem einfachen Blog gelingen? Heike Eberle verweist auf die hohe Weiterempfehlungsquote zufriedener Kunden, von denen viele erst über den Blog auf den Betrieb aufmerksam wurden. Zudem hat sie den Blog mit dem Twitter- und Facebook-Account des Betriebs verlinkt, sodass sich die im Blog erzählten Geschichten gleich mehrfach nutzen lassen.
„Es kommt nicht auf die Anzahl der veröffentlichten Geschichten an, sondern auf die Qualität", betont Steve Wiens, Gründungsredakteur von „Microsoft Stories". Um im Rennen gegen Apple und Google nicht den Anschluss zu verlieren, hat Microsoft vor gut fünf Jahren als einer der ersten Unternehmensgiganten eine eigene Storytelling-Abteilung gegründet. Mit dem Ziel, so Wiens, den Menschen das Unternehmen als zukunftsorientierte Firma nahe zu bringen: „Die besten Geschichten drehen sich um Menschen, um Helden, mit denen man sich identifizieren kann, die interessant und echt sind." Nach Einschätzung von Expertin Miriam Rupp müssen nicht immer der Unternehmer oder seine Mitarbeiter in die Heldenrolle schlüpfen, sondern es können auch die Kunden sein, die über die Details eines Auftrags berichten.
Was für Firmenchefs mit Privatkunden nachvollziehbar ist, scheint laut Umfrage der GfK-Marktforscher in Nürnberg im B2B-Sektor noch nicht angekommen zu sein. Dreiviertel aller B2B-Unternehmen, die Storytelling kennen, verzichten darauf, obwohl sie den Ansatz gut finden. Eine Zurückhaltung, die Rainer Sebastian, Inhaber von Sebastian e.K . in Vilshofen an der Donau, nicht nachvollziehen kann. Mit seinen „Sebastian 60 Sekunden Videos" hat sich der Großhändler für die Sanitär-, Heizung- und Klimabranche inzwischen auch außerhalb seiner Handwerkskunden einen Namen gemacht.
Die Ideen zu den Kurzfilmen entstehen beim bayerischen Großhändler im Team, inzwischen gibt es eine Liste mit Vorschlägen, die sich mit den zusätzlichen Eigenschaften der von Sebastian vertriebenen Produkte beschäftigen. Für die größte Aufmerksamkeit auf der Website und bei Youtube sorgte das Video zur Frage „Schwimmt ein Heizkörper, oder schwimmt er nicht?".
Für die Umsetzung ist Rainer Sebastian selbst in den Pool gestiegen: „Ich habe Spaß am Marketing und den Aufnahmen, ungewöhnliche Dinge zu tun ist mein Anspruch als Unternehmer." Dazu gehört auch, dass er und sein Team mal danebenliegen, wie etwa beim Versuch, den Heizkörper als Grill einzusetzen. Da gab es viele kritische Stimmen von seinen Handwerkskunden, die auf die möglichen gesundheitlichen Gefahren hingewiesen haben. Für den Unternehmer gehören solche Flops dazu, schließlich entstehe ansonsten nie etwas Neues. Entscheidend ist für ihn, außerhalb des klassischen Marketings einen Zugang zu seinen Kunden zu erhalten. „Denn nur so bleiben wir im Gedächtnis."
Sie führen einen normalen Betrieb, in dem nach Ihrer Einschätzung wenig Erzählenswertes passiert? Wer Inhalte für seine Geschichten finden will, muss sich zunächst in die Rolle des Publikums versetzen. Denn was für Sie Routine ist, kann für andere durchaus spannend sein.
Unternehmensgeschichte. Vom Einmannbetrieb zum anerkannten Mittelständler? Vom Jungmeister im Familienbetrieb zum angesehen Unternehmer? In der Historie jedes Betriebs schlummern viele Geschichten, die vom Aufstieg, dem Überwinden von Hindernissen und dem Erreichen von Zielen gegen Widerstände handeln. Aufträge/Projekte. Zeigen Sie auf Ihrer Website nicht nur Bilder von fertigen Objekten oder Produkten, sondern erzählen Sie, wie das Ergebnis zustande kam und welche Schwierigkeiten es auf dem Weg dahin gab. Das kann aus der Perspektive des Unternehmens passieren, noch besser ist es jedoch, wenn Ihre Kunden oder Geschäftspartner die Rolle des Erzählers übernehmen. Mitarbeiter. Vom ersten Tag des neuen Auszubildenden über die Herausforderungen der täglichen Arbeit bis hin zu Betriebsfeiern, Teamevents, Weiterbildungen oder ausgefallenen Hobbys - in Ihrem Team stecken zahlreiche Anlässe für Geschichten. Natürlich müssen die Mitarbeiter auch mitziehen, doch das können Sie rasch klären und am besten gemeinsam Ideen für die Umsetzung entwickeln. Kunden. Sie haben für namhafte Großkunden oder ein regional bekanntes Unternehmen gearbeitet? Berichten Sie Ihre Erfahrungen, und lassen Sie idealerweise den Kunden erzählen, warum er Ihren Betrieb ausgewählt hat. Lieferanten. Qualität, Nachhaltigkeit, Ökologie - erzählen Sie den Kunden, wer Ihre Zulieferer sind, was sie auszeichnet und wie Sie bei der Auswahl für Ihren Betrieb vorgehen. Ihr 3-Punkte-Fahrplan zu starken GeschichtenMiriam Rupp, Buchautorin* sowie Geschäftsführerin der auf Storytelling spezialisierten Agentur Mashup-Communications in Berlin, hat für die Leser von handwerk magazin die wichtigsten drei Punkte für den Einstieg ins Storytelling zusammengefasst.