Miriam Eckert

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Zürich

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Das macht 3D-Druck auch für kleine Firmen interessant

Lange war ein 3D-Drucker für kleine Unternehmer unerschwinglich. Doch das hat sich geändert. Eine Chance für experimentierfreudige Gründer.


Alles beginnt mit einer Zeichnung - Bleistift auf Papier. Roberto Chaves ist auf 3D-Schmuckdesign spezialisiert, aber aller Digitalisierung zum Trotz ist die 2D-Zeichnung das Fundament seiner Arbeit. Der Schwede verarbeitet im 3D-Drucker Stahl, Nylon, Bronze, Silber und bald auch Gold zu Schmuckstücken für Hals, Finger und Handgelenk. Kubische Formen, Kreise, Stäbe - Chaves liebt die Geometrie und die Technologie. Seine Entwürfe überträgt er in den Computer, bearbeitet sie digital mit CAD-Programmen und druckt sie aus.

„3D-Druck fasziniert mich, weil der Weg von der Idee zur Realität so kurz ist: Ich kann in wenigen Stunden einzigartige Stücke herstellen", sagt der 41-Jährige. Seit er 1997 in Los Angeles den ersten 3D-Drucker seines Lebens sah, verfolgt er die technische Entwicklung. 2011 kaufte Chaves für 4000 Euro seinen ersten Drucker, tüftelte zwei Jahre an der Kalibrierung, der Geometrie, den idealen Drucktemperaturen für seine Materialien. 2013 gründete er sein Label Lumitoro in Stockholm. Jetzt hat er vier 3D-Drucker zu Hause, beschäftigt drei Festangestellte und vertreibt seinen Schmuck über einen Onlineshop und an Einzelhändler weltweit.

Exklusiver Schmuck aus dem 3D-Drucker - für Roberto Chaves ist dies kein Widerspruch. „Die 3D-Technik macht meine Produkt einzigartig, aber niemand würde Schmuck nur kaufen, weil er aus dem Drucker kommt, er muss auch schön und besonders aussehen", findet Chaves. Die Technik hat ihm geholfen, mit kleinem Gründer-Geldbeutel eine Nische in der Design-Branche zu besetzen.

3D-Revolution für das Familienporträt

Eine solche Nische hat auch Timo Schaedel gefunden: Der Gründer von Twinkind erweitert seit 2013 das traditionelle Familienfoto um die dritte Dimension. Im Berliner Laden werden Kunden von 100 Kameras gleichzeitig aus allen Perspektiven fotografiert. Aus den Bildern entsteht ein Avatar, der in fünf Stunden ausgedruckt wird. Der Drucker selbst ähnelt einem Tintenstrahldrucker, in dem Gipspulver Schicht um Schicht verarbeitet wird. An der fertigen Miniatur werden anschließend die Details nachgearbeitet, von den Jeansfalten bis Farbschattierung der Brille. Das Resultat: eine lebensechte Miniatur, sieben bis 35 Zentimeter groß.

Das Start-up ist auf Expansionskurs: Auf die Eröffnung des zweiten Ladens in Hamburg folgten im Oktober ein 3D-Scanner auf dem Kreuzfahrtschiff Aida und eine Crowdfunding-Kampagne bei Venturate - gesammelt werden sollen 200.000 Euro für die Entwicklung eines mobilen 3D-Scanners. „Die Technik fasziniert die Kunden: Es berührt sie, sich selbst oder ihre Lieben als Miniatur in der Hand zu halten", sagt Schaedel. Der gebürtige Hamburger hat ein großes Ziel: „In jedem zehnten Wohnzimmer der Welt möchte ich eine fotorealistische Figur sehen."

Geschäftsmodelle aus dem 3D-Drucker

Die Gründer zeigen: Die 3D-Technologie ist nicht mehr nur etwas für wenige Unternehmen mit großem Budget oder passionierte Bastler. Egal ob wasserfeste 3D-Prothesen vom US-Unternehmen Standard Cyborg oder Figuren von Kinderzeichnungen vom Start-up Doolydoo aus Jena: Die 3D-Technik ist auch für kleine und mittelständische Unternehmen erschwinglich und interessant - denn es gibt einen wachsenden Markt.

Auch Konzerne beschäftigt der 3D-Druck zunehmend: Airbus träumt von einem ausgedruckten Flugzeug, Adidas plant eine Sohle für den Laufschuh aus dem 3D-Drucker. Der Kunde soll im Laden nur kurz auf dem Laufband laufen und direkt danach seinen individuellen Laufschuhe bekommen.

Der Bonbonhersteller Katjes ist schon einen Schritt weiter: Im Katjes Café Grün-Ohr in Berlin-Mitte steht bereits der erste Fruchtgummi-3D-Drucker. Kunden können am Bildschirm aus verschiedenen Formen, Farben und Geschmäckern wählen und ihre eigene Süßigkeit drucken lassen - mit einem speziell entwickelten schnelltrocknenden Weingummi-Grundstoff. Befüllt mit einer auf 77 Grad erhitzten Weingummi-Patrone, vollführt der Drucker schnelle Bewegungen, um Schicht um Schicht einen mehrfarbigen Oktopus, eine Schildkröte oder die Silhouette von Jimi Hendrix entstehen zu lassen.

Die Zukunft in 3D

Von der fortschreitenden Digitalisierung wird auch die 3D-Technologie profitieren, ist Designer Roberto Chaves überzeugt: „In den vergangenen Jahren sind Patente ausgelaufen und die Technologie kann sich nun leichter verbreiten. Je billiger die Drucker werden, umso besser können kleine kreative Betriebe entstehen, weil sie ihre Ideen günstiger ausprobieren können."

Vor allem bei der Geschwindigkeit des Drucks, der Materialentwicklung und neuen Technologien wie dem Lasersintern, einem Druckverfahren mittels Laserstrahlen, sieht der Schwede noch großes Potenzial. Bis zum Replikator wie bei Star Trek sei es noch ein weiter Weg.

Tipps für 3D-Druck-Experimente

Wer sich mit der 3D-Technologie vertraut machen möchte, dem empfiehlt Roberto Chaves viel Geduld - und verspricht viel Freude: Gebraucht werde für den Anfang ein günstiger 3D-Drucker. Einstiegsmodelle gibt es im Internet für rund 500 Euro. Dann wird Software zum technischen Zeichnen, ein so genanntes CAD-Programm, gebraucht, die das Erstellen von 3D-Modellen ermöglicht - zum Beispiel ScatchUp oder FreeCAD.

Auf Youtube finden Anfänger wie Fortgeschrittene zahlreiche Video-Tutorials von der Modellerstellung bis zum Druck. Für die ersten Druckexperimente bieten sich einfache Materialien an. Chaves empfiehlt ABS-Filamente oder PLA. Figuren aus ABS sind robust und lassen sich leicht mit Werkzeug nachbearbeiten. Das PLA-Druckmaterial besteht aus Maisstärke ist biologisch abbaubar und hat den Vorteil, dass es nach dem Abkühlen kaum schrumpft.

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