Miriam Eckert

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Zürich

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Endometriose: Ist es möglich, trotzdem schwanger zu werden?

Bei Endometriose wuchert die Gebärmutterschleimhaut, wo sie nicht hingehört und erschwert so den Kinderwunsch. Oberärztin Dr. Sara Imboden über die Behandlung und die Chancen schwanger zu werden.

Bei Endometriose wachsen im ganzen Körper verteilt viele kleine Herde von Gebärmutterschleimhaut. © iStock / Getty Images Plus

Was Endometriose ist

Der Begriff Endometriose leitet sich von Endometrium, der Gebärmutterschleimhaut, ab, in die sich eine befruchtete Eizelle einnisten kann. Normalerweise baut sich diese Schleimhaut in jedem Menstruationszyklus neu auf, durch das Zusammenspiel verschiedener weiblicher Hormone. Nistet sich keine Eizelle ein, verändert sich die Hormonsituation und die Schleimhaut wird abgestossen, womit eine neue Regelblutung beginnt.

Dr. Sara Imboden ist Oberärztin im Zentrum für Endometriose von der Frauenklinik am Inselspital Bern.

"Bei der Endometriose befindet sich die Schleimhaut der Gebärmutter jedoch auch ausserhalb der Gebärmutter", erklärt Dr. Sara Imboden, Oberärztin im Zentrum für Endometriose am Inselspital Bern.

Diese kleinen Herde von Schleimhaut können dort wachsen und während der normalen Regelblutung auch bluten. Nur wird diese Schleimhaut nicht durch die Scheide abgestossen, wie es üblicherweise der Fall ist. Auch das Blut verbleibt im Körper der Frau. Zwar wird es langsam vom Körper aufgenommen, es können sich jedoch auch Zysten entwickeln.

"Endometriose ist grundsätzliche eine chronische Krankheit, aber nicht bösartig", sagt Imboden. "Frauen mit Endometriose haben nur ein leicht erhöhtes Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken", sagt die Expertin.

Wer von Endometriose betroffen ist

Oft heisst es allgemein, dass zehn Prozent aller Frauen betroffen sind. "Konkret sind aber zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter in westlichen Kulturen betroffen", erläutert Imboden.

Wucherungen in der Gebärmutter durch Endometriose. © wildpixel/iStock, Thinkstock

Die Zahl ist wahrscheinlich sogar noch höher. "Das Problem ist oft die späte Diagnose", so Imboden. Viele betroffene Frauen wissen gar nicht, dass sie unter Endometriose leiden. Eine sehr hohe Dunkelziffer vermutet die Ärztin jedoch nicht. "Die jungen Frauen gehen den Ursachen nach, lesen im Internet und auch bei unerfülltem Kinderwunsch wird mehr nach der Ursache gesucht als die Schmerzen einfach hinzunehmen", sagt sie.

Ursachen für Endometriose

Bis heute sind die Ursachen für die Endometriose noch nicht geklärt. "Wahrscheinlich entsteht sie durch retrograde Menstruation", so Imboden. Dabei gelangt Menstruationsblut mit lebensfähigen Gebärmutterschleimhautzellen, dem Endometrium, während der Periode durch die Eileiter in den Bauchraum. "Die Zellen bleiben dort zum Beispiel am Bauchfell haften und wachsen."

Eine Studie konnte zudem einen Zusammenhang mit Diethylstilbestrol (DES) herstellen, berichtet Imboden. Das Medikament wurde bei Schwangeren in den 70er Jahren angewendet und später wegen teratogener Effekte wie Scheidenkrebs verboten. Das Risiko für Endometriose erhöhen der Ärztin auch folgende Faktoren: "Hoher Konsum von ungesättigten Fettsäuren sowie körperlicher oder sexueller Missbrauch in der Kindheit."

Grade der Endometriose

Neben dem Bauchfell können auch die Eierstöcke, Darm und Bauchnabel, die Lunge oder andere Organe befallen sein. Dies können kleine Herde oder grosse Verwachsungen sein. Um den Ausmass der Endometriose zu beschreiben gibt es, so Imboden, zwei Klassifikationen: von der American Fertility Society (AFS) mit einem Grad von 1 bis 4 und ENZIAN für die schweren Formen der tiefinfiltrierenden Endometriose.

Das sei aber eher medizinisch, so Imboden. "Ich erkläre den Frauen, dass es oberflächliche kleine Herde am Bauchfell und die Eierstöcke befallend gibt und knotenbildende Herde, die auch weiter von der Gebärmutter entfernt, an Zwerchfell, Darm, Blinddarm, Blase, Leber oder Lunge und Haut angesiedelt sind."

Symptome der Endometriose

"Viele betroffene Frauen klagen meist über starke Schmerzen vor und während der Periode, chronische Unterleibsschmerzen sowie Beschwerden beim Sex, beim Stuhlgang, beim Wasserlassen und Rückenschmerzen", sagt Imboden.

Viele Frauen wissen aber auch nicht, dass sie betroffen sind, weil sie keine Schmerzen haben, sie als normal ansehen oder sie anderen Gründen zuschreiben.

Manchmal ist die Endometriose bei unerfülltem Kinderwunsch ein reiner Zufallsbefund. Denn von denn Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut sind häufig auch die Eileiter betroffen. Sie können verkleben und dadurch für die Eizelle zum unüberwindbaren Hindernis werden.

Auch die Spermien werden auf ihrer Reise zur Eizelle aufgehalten. "Je schneller die Krankheit erkannt wird, umso besser steht die Chance auf eine Schwangerschaft", betont Imboden.

Wie kann Endometriose behandelt werden?

Wie die Endometriose-Behandlung abläuft, ist abhängig von der Ausprägung der Krankheit und ob ein Kinderwunsch besteht.

1. Medikamente

Möglich ist eine Therapie mit Medikamenten gegen die Schmerzen, die gleichzeitig die Bildung von neuen Endometrioseherden eindämmen können.

Auch Hormontherapien, zum Beispiel mit Pillen, die nur Gestagene enthalten, kommen zum Einsatz. Sie täuschen dem Körper eine Schwangerschaft vor und er baut keine Gebärmutterschleimhaut mehr auf, die monatlich wuchern könnte.

3. Bauchspiegelung

Bei Kinderwunsch und schmerzenden Eierstockzysten ist häufig ein operatives Verfahren notwendig. Bei einer Bauchspiegelung, auch Laparoskopie genannt, werden unter Vollnarkose die Herde ausgemacht und mit einem Laser verdampft oder herausgeschnitten. Dabei kann auch die Durchlässigkeit der Eileiter mithilfe einer Spülung geprüft werden.

4. Entfernung der Gebärmutter

Bei abgeschlossener Familienplanung wird in seltenen Fällen auch die gesamte Gebärmutter entfernt. Laut der Stiftung Endometriose-Forschung muss dies nicht automatisch zu Schmerzfreiheit führen. Stattdessen können zusätzliche Symptome wie Depression und sexuelle Lustlosigkeit hinzukommen.

5. Alternative Medizin

Homöopathie ist eine Möglichkeit, die Symptome der Endometriose-Erkrankung zu lindern oder ganz aufzulösen. Mit Hilfe der Phytotherapie können betroffene Frauen ebenfalls die Schmerzen eindämmen. Tees aus Heilkräutern wie Frauenmantel, Schafgarbe und Himbeerblättern wirken entkrampfend.

6. Hausmittel

Zu den bewährten Hausmittel zählen vor allem warme Bäder, eine Wärmflasche und viel Entspannung. Auch über die Ernährung und viel Bewegung können die Symptome abgemildert werden.

Kosten für die Endometriose-Behandlung

Die Diagnostik und operative Behandlung einer Endometriose ist in der Schweiz eine Pflichtleistung in der Grundversicherung, bestätigt die Krankenversicherung Swica. Die Krankenversicherer übernehmen die Kosten der Behandlung, abzüglich der individuell gewählten Franchise.

Eine Bauchspiegelung wird in der Regel unter ambulanten Bedingungen durchgeführt. Es kann aber auch medizinische Indikationen geben, die einen stationären Aufenthalt erforderlich machen. Als Richtwert kann bei ambulanter Behandlung von Kosten in Höhe von rund 4000 Franken und bei stationärem Aufenthalt von etwa zwei Tagen von Kosten in Höhe von 5000 Franken ausgegangen werden, so der Versicherer.

Je nach Stärkegrad der Krankheit können sich bei zusätzlichem Behandlungs- und Abklärungsbedarf durch Labor und Pathologie die Kosten erhöhen. Mit bis zu 9000 Franken rechnet daher der Versicherer Helsana bei starker Endometriose. Bei stationären Behandlungen zahle der Kanton die Hälfte.

Ebenfalls eine Pflichtleistung der Krankenversicherer ist die erste Abklärung der Gründe bei unerfüllten Kinderwunsch. Übernommen werden von der Grundversicherung auch eine einjährige Hormonbehandlung für eine natürliche Empfängnis und drei Behandlungszyklen für die intrauterine Insemination.

Andere Behandlungsmethoden wie IVF, ICSI und der Embryotransfer sind oftmals Nichtpflichtleistungen oder limitierte Pflichtleistungen. In der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) ist geregelt, was die Grundversicherung übernehmen darf und was nicht.

Trotz Endometriose schwanger werden

"Etwa 30 Prozent der Frauen, die Probleme haben schwanger zu werden, haben Endometriose", sagt Imboden. Eine Schwangerschaft sei oft noch möglich. "Wichtig ist, eine frühe Diagnose und es ist gut, wenn die Eierstöcke nicht zu stark befallen sind."

Dazu kommen das Alter der Frau und der männliche Faktor. Von den 30 Prozent können viele Frauen nach der Behandlung auf normalen Weg schwanger werden, einige nur mit einer künstlichen Befruchtung und manche Frauen gar nicht mehr.

Laut Studien brauchen 50 Prozent der Frauen mit Endometriose eine künstliche Befruchtung, 40 Prozent von ihnen werden trotzdem nicht schwanger. Doch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen, warnt Imboden. Es sind international erhobene Zahlen. In einigen Ländern wird die IVF von den Krankenkassen übernommen und deshalb früh empfohlen. Von der Schweiz habe sie keine Zahlen, aber hierzulande würden konservative Methoden zur normalen Empfängnis mehr ausgeschöpft.

Schwanger mit Endometriose

Eine Schwangerschaft sei ein gutes Gegenmittel bei Endometriose. "Aber man soll ja nicht nur wegen der Endometriose schwanger werden", sagt Imboden. Eine neue Schweizer Studie zeigt die Vorteile durch eine Schwangerschaft: Der Embryo produziert das Molekül "PreImplantation Factor: PIF", welches die Entzündungsherde der Krankheit lindert und je nach Umfeld sogar die Endometriosezellen absterben lässt. Diese Erkenntnis soll zukünftig auch in der Therapie eingesetzt werden.

Die Schwangerschaft selbst werde durch die Krankheit nur selten gefährdet. "Es gibt eine kleine Risikoerhöhung in der Schwangerschaft für Plazentastörungen und Fehlgeburten ", so Imboden. Insgesamt mache die Endometriose aber kaum Probleme in der Schwangerschaft. Jedoch könne sie nach der Geburt zurückkommen. Die Chancen auf ein zweites Kind stehen laut der Ärztin jedoch besser als vor der ersten Schwangerschaft.

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