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Herr Geis, wie wollen Sie mit dem FC Sevilla die Bayern schlagen?

Johannes Geis (links)

Johannes Geis erlebt in Sevilla die erfolgreichste Zeit seiner Karriere. Vor dem Bayern-Duell spricht der 24-jährige Deutsche über seinen neuen Klub, Ex-Trainer Berizzo und Lehren aus seiner Schalke-Zeit.


SPIEGEL ONLINE: Herr Geis, Ihr Bundesliga-Aufstieg 2012 mit Greuther Fürth oder das Erreichen des Viertelfinals der Champions League mit dem FC Sevilla. Welcher dieser Erfolge ist größer?


Geis: Beim ersten Aufstieg von Fürth in die Bundesliga dabei gewesen zu sein war schon auch etwas Einzigartiges. Aber mit Sevilla gegen Manchester United im Old Trafford weitergekommen zu sein, das kann man schon höher ansiedeln, weil es auf einem ganz anderen Niveau stattgefunden hat. Dass ich dann noch eingewechselt wurde und mit auf dem Platz stand, macht es noch besser.


SPIEGEL ONLINE: Am Dienstag ist Bayern München zum Viertelfinal-Hinspiel zu Gast, und Ihr Team ist klarer Außenseiter.


Geis: Wir werden uns deshalb nicht freiwillig ergeben. In der Hymne des Vereins heißt es "nunca se rinde". Das bedeutet "niemals aufgeben", diesen Leitsatz leben hier alle. Wir haben es bis ins Viertelfinale geschafft, Bayern ist ein ganz großer Brocken, aber wir wollen weiterkommen. Auch wenn man die beiden Teams nicht vergleichen kann, aber nach dem Erfolg gegen Manchester United herrscht hier auf jeden Fall das Gefühl, dass alles möglich ist.


 Johannes Geis stieg als 18-Jähriger mit Greuther Fürth in die Bundesliga auf. Danach spielte er für Mainz und Schalke. Aktuell ist Geis an den FC Sevilla ausgeliehen, in der spanischen Liga kommt er auf bisher elf Einsätze. Ob er nach der Saison nach Gelsenkirchen zurückkehrt, ist laut Geis noch offen.

SPIEGEL ONLINE: Es ist das erste Viertelfinalspiel in der Champions League beziehungsweise im Landesmeister-Wettbewerb für Sevilla seit 60 Jahren. Wie ist die Stimmung in der Stadt?


Geis: Man wird angesprochen. Jeder freut sich, es kribbelt bei jedem. Die Champions League ist für die Vereine auf internationaler Ebene einfach das i-Tüpfelchen, und wenn man dort unter den besten acht Teams steht, ist das wirklich etwas Besonderes. Durch die Erfolge in der Champions League sehen die Fans auch darüber hinweg, dass wir in der Liga nicht so erfolgreich sind.


SPIEGEL ONLINE: Sie sind in Spanien Siebter, die Bayern in Deutschland fast Meister und deren individuelle Qualität im Kader sehr hoch. Gibt es einen Spieler, den Sie herausheben würden?


Geis: Javi Martínez ist sehr wichtig für die Mannschaft. Er hält im defensiven Mittelfeld die Ordnung, geht in die Zweikämpfe und tut den Bayern richtig gut. Martínez war ja schon in der Triple-Saison 2013 ein Grundbaustein für den Erfolg. Wenn wir um ihn herum spielen könnten, wäre das von Vorteil.


SPIEGEL ONLINE: Liverpool (3:3) in der Gruppenphase und Manchester United (0:0) im Achtelfinale haben in Sevilla nicht gewinnen können. Warum spielt Ihr Team vor eigenem Publikum so stark?


Geis: Das 3:3 gegen Liverpool war speziell, ich stand selbst auf dem Platz. Zur Pause haben wir 0:3 zurückgelegen. Normalerweise erwartet man, dass die Fans stinksauer sind, aber so war es nicht. Es gab aufmunterndes Klatschen. Wir haben uns gesagt: Wir gehen da jetzt raus, und wenn wir ein Tor machen, dann haben wir die Fans wieder komplett hinter uns. Das hat man einfach auf dem Platz gespürt. Mit diesen Fans und unser Qualität ist auch gegen Bayern ein gutes Ergebnis im Heimspiel möglich.


SPIEGEL ONLINE: Nach dem dramatischen Spiel gegen Liverpool im November wurde bekannt, dass Trainer Eduardo Berizzo an Prostatakrebs erkrankt ist. Kurz vor Weihnachten wurde er dann gefeuert. Wie haben Sie die Geschehnisse erlebt?


Geis: Der Trainer und sein Umgang mit uns - das war für alle im Team etwas Besonderes. Ich erinnere mich noch an mein erstes Training. Ich war nervös, konnte die Sprache noch nicht. Berizzo ist gleich zu mir gekommen, hat mit mir Englisch gesprochen und mir den Einstieg so leicht gemacht. Seine Mannschaftsführung, wie er mit uns gesprochen hat, und seine Menschlichkeit zeichnen ihn aus.


SPIEGEL ONLINE: Sie sind aktuell vom FC Schalke ausgeliehen. Wie denken Sie über Ihre Zeit in Gelsenkirchen?


Geis: Schalke ist ein großer Verein. Da sind die Erwartungshaltung und das öffentliche Interesse groß. Ich kam aus Mainz, da war alles ruhig, und man hat sein Ding gemacht. Für mich war es neu, dass man so in der Öffentlichkeit steht. Im Nachhinein kann ich aber sagen, dass der Wechsel für mich kein Fehler war. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt.


SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?


Geis: Das Fußballgeschäft ist krass schnelllebig. Man verliert zwei Spiele, und plötzlich steht man in einem ganz anderen Licht. Dann gewinnt man, und es ändert sich schlagartig wieder. Ich weiß jetzt, du darfst als Profi diese Stimmungswechsel nicht zu nah an dich heranlassen. Ich versuche, meinen Job gut zu machen. Den Rest kann ich eh nicht beeinflussen.


SPIEGEL ONLINE: Kann man Druck so einfach ausblenden?


Geis: Mir helfen Familie und Freunde, die mich erden und da sind, wenn ich Hilfe brauche. Die Vereine haben auch Ansprechpersonen, für mich ist aber eher die Familie der Ruhepol, der mir guttut. Klar ist aber auch: Der Druck im Fußball ist enorm. Durch die sozialen Medien hat sich das noch mal verschärft. Jeder gibt einen Kommentar ab, es wird so viel über einen geschrieben. Mein Tipp: nicht alles lesen.


SPIEGEL ONLINE: Macht Ihnen das Fußballspielen noch Spaß?


Geis: Für mich gab es schon früher nichts Besseres, als mit meinen Kumpels auf den Platz zu gehen und Fußball zu spielen. Natürlich spiele ich jetzt auf einem höheren Niveau, und die Aufmerksamkeit ist gestiegen. Aber im Leben ist alles relativ: Leute, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder und Familie ernähren sollen, haben viel größeren Stress als wir Fußballer. Das wäre für mich großer Druck.

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