Michaela Strassmair

Reisejournalistin, Fotografin, Ebersberg bei München

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Geheimtipp Nord-Namibia: Abenteuer im unentdeckten Ovamboland

Eine friedliche und spannende Region, die aus touristischer Sicht noch unentdeckt ist? Wo bitte soll das sein? Im Norden Namibias! Im Ovamboland gibt es keine 5-Sterne-Hotels, dafür aber unvergessliche Begegnungen mit Menschen, wilden Tieren und Rekordbäumen.


Irgendetwas hat jeder Deutsche schon von Namibia gehört. Die einen erinnern sich an den Geschichtsunterricht mit den unrühmlichen Taten der Deutschen in ihrer ersten Kolonie am Ende des 19. Jahrhunderts. Die anderen haben die touristischen Highlights im Kopf, die es seit dem Ende des Unabhängigkeitskampfes vor fast 30 Jahren gegen Südafrika zu erkunden gibt. Wie Sossusvlei, die höchsten Sterndünen der Welt in der Namib-Wüste, den Fish River Canyon, eine der größten Schluchten weltweit. Auch Twyfelfontein mit seinen Felsbildern aus der Steinzeit, die Big Five, das koloniale Küstenstädchen Swakopmund oder die ethnische Gruppe der stolzen Himba-Rinderhirten im Kaokovel sind über die Landesgrenzen hinaus bekannt.


Doch eine Region in dem englischsprachigen Land am Atlantik, das nur 2,3 Millionen Einwohner auf der zweieinhalbfachen Größe Deutschlands hat, ist bislang nur Abenteurern vorbehalten: das Ovamboland im Norden, nicht weit von der Grenze Angolas entfernt. Hier sind fünf Gründe, warum Sie möglichst schnell dorthin fahren sollten, bevor es die anderen tun.


1. Baobab - ein riesengroßer Wunderbaum

Er hat schon viele Menschenleben gerettet: Der Baobab-Baum in Otapi ist mit einem Durchmesser von 27 Metern und einer Höhe von 28 Metern eine mächtige Erscheinung. In seinem Stamm ist heutzutage eine türgroße Öffnung, die in einen riesigen Hohlraum führt. In dieses Zimmer im Baumstamm passen 20 Menschen im Sitzen, stehend sogar 30 hinein.

Im Laufe seines gut 750 Jahre alten Lebens nutzten die Menschen ihn öfter mal als Versteck vor Angreifern, indem sie über die Äste von oben in den Hohlraum kletterten. Im Jahr 1870 eröffnete im Baum das erste Postamt der Gegend, als Briefe noch mit dem Ochsenkarren transportiert wurden. Später diente der Baobab auch als Gefängnis, während des Unabhängigkeitskampfes als geheimer Platz für konspirative Treffen und dann als Bar für Weiße.Seit 2003 ist der majestätische Baum in die Liste der namibischen Monumente aufgenommen und läuft als Geheimtipp unter den Touristenattraktionen.


Gebhard arbeitet seit 13 Jahren im „Ombalantu Baobab Heritage Center" und weiß alles über den Baobab. „Er wächst nur sehr langsam, etwa drei bis vier Milimeter pro Jahr" erklärt er und streicht liebevoll über die glatte Rinde, die wie Elefantenhaut aussieht. Affenbrotbaum, afrikanischer Lebensbaum oder auch „Upside-Down-Tree" (die Äste sehen von unten aus wie Wurzeln) heißen Baobabs auch, die bis zu 3000 Jahre alte werden können.


2. Ziegen, Rinder, Esel - Abenteuer auf der Straße

In einem Land mit Linksverkehr zu fahren ist schon abenteuerlich. Doch was man als Selbstfahrer oder auch nur Fahrgast im Ovamboland erlebt, ist außergewöhnlich. Denn das Leben spielt sich entlang der geteerten Hauptstraße ab.


Rinder trotten in Zeitlupe über die Straße, Ziegen hüpfen auf und ab und plötzlich entschließt sich ein Esel, die Seite zu wechseln. Langsam fahren heißt deshalb die Devise und anschnallen, denn wer ohne Gurt von der oft präsenten Polizei erwischt wird, zahlt 100 Euro.

Angesichts der unzähligen Autoersatzteil-Händler entlang der Straße greift man freiwillig zum Gurt, denn so viele schrottreife Autos - darunter auch etliche Oldtimer wie VW-Bullis oder Golf 1 - sieht man selten auf einem Fleck. Das hat auch mit den Sandpisten zu tun, die einen Großteil des Wegenetzes ausmachen.


In trockenen Jahren bilden sich dort Querrippen, die Einheimische Wellblech nennen und größte Aufmerksamkeit beim Lenken und Bremsen erfordern. Wer sich ein 4-WD-Fahrzeug ausleiht, sollte auch wissen, wie man im weichen Sand fährt. Dieser hat übrigens eine derart zartweiße Farbe, die es sonst nur an karibischen Stränden gibt. Der feine, weiche Sand gibt der weiten Savannenlandschaft mit Palmen, Mopane-Bäumen, Akazien und haushohen Termitenhügeln ihr typisches Gesicht.


3. Von Haarextensions bis zur Mausefalle - die Lehmkirche des Marti Rautanen

Auch, wenn Sie nichts mit Kirchen am Hut haben, dieses Exemplar in Olukonda muss sein. Die 1871 gegründete finnische Missionsstation zwölf Kilometer südöstlich von Ondangwa ist heute ein Museum, das außergewöhnlich gut kuratiert ist.


In dem ehemaligen Lehm-Wohnhaus des finnischen Missionars Marti Rautanen sind Alltagsgegenstände und beeindruckende Fotos aus der Zeit um 1900 von Owambo-Frauen mit Haarextensionen aus der Makalani-Palme, die bis zu den Knöcheln reichten, ausgestellt und gut erklärt. Dazu gehören auch Schränke, Mausefallen und eine Übersetzungsmaschine, die der Geistliche selbst gebaut hat.


Rautanen war nicht nur ein begnadeter Handwerker, sondern auch ein Sprachgenie. Er lernte Oshiwambo, die Sprache der Einheimischen, übersetze die gesamte Bibel und schrieb Lehrbücher. Nebenan steht die erste Kirche der Region, die 1889 aus Lehm mit Palmblattdach gebaut wurde - ein erstaunlicher Bau mit tollem Raumklima.

All die Aktivitäten des Geistlichen hatten allerdings nur bescheidenen Erfolg: Nach 30 Jahren Missionsarbeit waren gerade mal 220 Leute zum Christentum übergetreten. Denn die Könige der örtlichen Tribes sträubten sich gegen den neuen Glauben.


4. Scharfe Gegensätze - das Leben in der Stadt und auf dem Land

Oshakati heißt die zweitgrößte Stadt Namibias, in der 47.000 Menschen leben - Tendenz rapide steigend. Hier gibt es modernste Supermärkte, nagelneue Tankstellen mit Restaurants und Geldautomaten, große Einkaufszentren und am Funkturm einen Markt, auf dem typische Lebensmittel wie geräucherte Mopane-Würmer und Biltong, getrocknetes Fleisch von Wildtieren, in traditionellen Körben hübsch präsentiert werden.

In der Metzger-Gasse schneiden Frauen Stücke von herabhängenden, ungekühlten Rinderhälften ab, Pansen und abgetrennte Kuhköpfe und Beine mit Hufen versetzen den Besucher in großes Staunen.


Wer ein Mitbringsel sucht, kauft ein Kilogramm Kalahari-Wüstensalz für 25 Cent, das heute noch per Hand aus den Salzseen abgebaut wird und in Deutschland das 100-fache kostet.

Aber wie sieht das Leben auf dem Land aus? Ganz anders, wie eine Nacht in der „Ongula Village Homestead Lodge" zeigt. Die Unterkunft mit nur fünf Luxusrundhütten ist gänzlich im Stil eines traditionellen Gehöfts gebaut und von palisadenartigen Holzpfählen umzäunt. Die Besitzerin, die Tochter des örtlichen Chiefs, nimmt auch Camper auf und zeigt ihren Gästen das wahre Leben in der Savanne.


In dem Kraal stehen hinter der Lobby mit den stolz präsentierten Rinderschädeln riesige, handgeflochtene Körbe, die Kornspeicher. Daneben ist die Hütte, in der der lokale Schnaps Ombike aus den Nüssen der Makalani-Palme gebrannt wird. Hierher kommen auch die rund 100 Dorfbewohner samt Feuerholze und Palmnüssen, um ihren eigenen Ombike zu brennen.

In der benachbarten Hütte sitzen zwei Frauen in einem dunklen Kellerloch, wo sie Tontöpfe für die Küche formen. „Nur hier unten kann man das wegen der höheren Luftfeuchtigkeit machen, denn draußen bricht der nasse Ton sofort", erklärt Erik, der wie einige junge männliche Verwandte der Besitzerin im Kraal lebt.

Apropos Luftfeuchtigkeit: Sie beträgt in Namibia nur rund 18 Prozent - zum Vergleich: in Deutschland liegt sie zwischen 70 und 88 Prozent.


5. Den Big Five auf der Spur - die wilden Tiere der Etosha-Pfanne

Großer, weißer Ort bedeutet das Wort Etosha in Oshivambo. Der Nationalpark, der die Größe von Hessen hat, besteht aus der namensgebenden Kalksalzpfanne, aus Grasfeldern, Kurzstrauch- und Dornsavanne und Trockenwäldern. Aufgrund des Salzes tummeln sich hier besonders viele Wildtiere, was Etosha zu einem der bekanntesten Ziele Namibias macht.

Selbstfahrer lieben den Park, durch den man mit dem Auto fahren darf - aussteigen ist allerdings streng verboten. Am Wegesrand grüßen Zebras, Springböcke, das Nationaltier Oryx-Antilope, Gnus und Giraffen. Wer Glück hat sieht gegen späten Nachmittag Raubtiere wie Löwen und Geparden. Vier der Big Five - Elefanten, Leoparden, Spitzmaulnashörner und Löwen - leben in der Etosha-Pfanne.


An den Wasserlöchern sind sie oft zu finden und bieten eine Kulisse, die besser ist als jeder Tierfilm. Drei junge Elefantenbullen bespritzen sich mit Wasser und beschließen unter den genervten Blicken zweier Giraffen die ankommende Herde Zebras zu vertreiben. Sie schwingen ihre Rüssel und wackeln mit den riesigen Ohren.

Die meisten Zebras stört das nicht, sie trinken unbeeindruckt weiter. Erst als der frechste Elefant mit dem Rüssel Wasser auf sie spritzt suchen sie das Weite. Eine Elefantenmutter mit zwei Jungen marschiert an und versetzt dem frechen Kerl einen Kopfstoß, woraufhin dieser beleidigt abzieht.


Im Januar und Februar, wenn es regnet und sich kleine Teiche bilden, ereignet sich ein großartiges Spektakel in Rosa: Millionen von Flamingos kommen in die Etosha-Pfanne und brüten dort. Sie gehören zu den insgesamt 340 Vogelarten, die im Park mit 114 Säugetierarten zusammenleben.

Ein Tag ist für das riesige Gebiet viel zu kurz, weshalb man am besten eine Übernachtung in einem der vier Camps und Lodges einplant. Sonnenuntergang, Sternenhimmel und Sonnenaufgang über der weißen Salzpfanne setzen dem Trip durchs Ovamboland die Krone auf.


Infos:
  • Beste Reisezeit:April bis November, wenn angenehme Temperaturenherrschen. Für unsere Sommerferiensollte man unbedingt vorbuchen!
  • Flüge: Air Namibia beispielsweise fliegt täglich nonstop per Nachtflug von Frankfurtnach Windhoek ab 610 €, bis nach Ondangwa ab 725€ www.airnamibia.com
  • Rundreisen und Touren:bietet der Afrikaspezialist „Abendsonne Afrika“ an www.abendsonneafrika.de, Preisbeispiel: 9 Tage durch den Norden kosten ab 1935€
  • Kostenloses Infopaket:vom Namibia Tourism Board www.namibia-tourism.comin Frankfurt bestellbar unter www.namibia-tourism.com/infopaketoder per Telefon 069-1337360,
  • Zeitverschiebung:beträgt nur eine Stunde zu unserer Winterzeit
  • Gesundheit: Es sind keinerlei Impfungen vorgeschrieben, allerdings besteht Malaria-Gefahr zur Regenzeit.
  • Praktisches: Die meisten Universal-Reiseadapter haben nicht den passenden Reisestecker für Namibia, der drei dicke Pole hat!
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