Michaela Schneider

Journalistin, Pressefotografin, Würzburg

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Die Laptops des Weltalls

Picosatelliten eignen sich für recht einfache Tests: Stephan Busch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl „Robotik und Telematik“, zeigt, wie sich mit einer Schale auf einem Luftkissen Schwerelosigkeit simulieren lässt. Foto: Michaela Schneider

Sie sind so etwas wie die Laptops des Weltalls: die Picosatelliten, an denen Professor Klaus Schilling mit seinem Team in der Robotikhalle der Universität Würzburg arbeitet. Auch die ersten Computer seien riesig gewesen – Laptops heute seien dagegen handlich, günstig und dennoch leistungsfähig, vergleicht der Lehrstuhlinhaber „Robotik und Telematik“ PCs und Satelliten. Dabei sind die Würzburger Wissenschaftler mit ihren Kleinstsatelliten namens UWE (Universität Würzburg Experimentalsatelliten) in der deutschen Forschung führend: UWE 1 war 2005 der erste deutsche Picosatellit überhaupt im Weltall – inzwischen sind sogar schon UWE 5 bis 8 in Planung. Am Samstag, 20. Juli, ist Weltraumforschungstag - Anlass für einen Besuch in der Würzburger Robotikhalle.

 

Gerade einmal zehn auf zehn Zentimeter ist der Satellit groß, den Schilling zeigt. Er wiegt in etwa ein Kilogramm. Konkurrenz für die Großen? Nein, sagt der Professor. Vielmehr eine gute Möglichkeit, Weltraumforschung kostengünstig voranzutreiben. Und: In Zukunft könnten kleine und große Satelliten zusammenarbeiten. Tatsächlich zielen die Forschungen in Würzburg auf einen Satellitenschwarm ab. 2017, so der Plan, soll mit UWE 5 bis 8 eine kommunizierende Vierer-Satelliten-Formation im Weltraum arbeiten. Vergleichbares gibt es bislang nicht.

 

Indem miteinander kommunizierende Satelliten aus verschiedenen Blickwinkeln denselben Ort anpeilen, ließe sich so zum Beispiel Dreidimensionalität vom All aus konstruieren, um die Höhe von Bergen auch in schwer erschließbaren Regionen zu messen. „Nach einem Erdbeben könnte man erkennen, ob ein Wolkenkratzer noch steht“, verdeutlicht Schilling weiter.  

Dem Satelliten-Schwarm ging und geht aber zunächst intensive Forschung voraus. Acht Jahre ist es her, dass UWE 1 in den Weltraum geschickt wurde. 2009 folgte UWE 2 und jetzt steht UWE 3 in den Startlöchern – beide wurden finanziert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

 

Als UWE 1 2005 ins All startete, ging es vorrangig ums Thema Internet im Weltraum, um später Kommunikation im Schwarm zu ermöglichen. Das Projekt glückte, UWE 1 kann jetzt im Deutschen Museum in München begutachtet werden. Zielsetzung bei UWE 2 war die Lageerkennung. „Vereinfacht gesagt sollte der Satellit erkennen, wohin er gerade schaut“, sagt Schilling. Referenzpunkte: die Sonne und das Erdmagnetfeld.

 

Mit UWE 3 gehen die Wissenschaftler einen Schritt weiter, denn der Satellit besitzt die Fähigkeit sich zu drehen, hat er seine Lage erkannt. Ursprünglich sollte er schon im Frühjahr mit einer russischen Dnjepr-Rakete ins Weltall fliegen, nun hat sich aber der Start verzögert. Neuer Termin: November 2013. Einmal am Tag wird UWE 3 dann direkt über den Köpfen der Würzburger vorbei fliegen – maximal zehn Minuten wird es piepen, Daten gehen ein und die Wissenschaftler können neue Kommandos geben. Nach drei Monaten sollten die Tests abgeschlossen sein.

 

Denn auch an UWE 4 wird schon gearbeitet, dieser wird sich nicht nur drehen, sondern sich, ausgestattet mit einem elektrischen Motor, zudem in der Bahn verändern können. Zum einen können Satelliten dadurch - haben sie ihre Arbeit getan - gezielt auf einen Absturzorbit gelenkt werden, um Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn zu vermeiden.  Zum anderen können sie anderen Objekten ausweichen. Und mit Blick auf den geplanten Satellitenschwarm sagt Schilling: „Die UWEs können dadurch den Abstand zu ihren Kollegen beeinflussen, so dass sie nicht kollidieren, sich aber immer sehen werden.“

Denn die Satelliten UWE 5 bis 8 werden schließlich nicht einzeln, sondern gemeinsam als Schwarm ins Weltall geschossen werden. Finanziert wird die erste kooperierende Satelliten-Vierer-Formation über Mittel des Europäischen Forschungsrats in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Professor Schilling geht davon aus, dass die Weltraumforschung mit dem Pionierprojekt einen weiteren Schritt vorankommen wird.  „Viele kleine Schwache können Großes zustande bringen“, hofft er mit Blick auf die Satellitenschwärme der Zukunft.

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