Michaela Brandl

Managerin Social Media & Communications

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Videocamp Düsseldorf - "Netzgemeinde" und "Generation Youtube" beschnuppern sich

An diesem Wochenende fand in Düsseldorf in den Cubic Studios erneut das Videocamp statt. Das Barcamp mit dem diesmaligen Schwerpunkt “Storytelling im Webvideo” fand Freitag und Samstag statt, mündete in einem Youtuber-Treffen auf dem roten Teppich vor dem Capitol-Theater am Samstagnachmittag und später dann in der Abendgala mit Verleihung des Deutschen Webvideopreises 2013. Es war wieder toll, insbesondere verglichen mit der Veranstaltung im letzten Jahr sieht man, wie rasend schnell sich die Branche entwickelt und immer weiter professionalisiert.


Nachdem ich im letzten Jahr das Videocamp und den Deutschen Webvideopreis das erste Mal besucht hatte, war mein Fazit klar: Hier liegt eine faszinierende und unbekannte Welt vor mir, die ich näher erkunden möchte!


Ein Jahr später stehe ich also wieder hier, weiss zwar inzwischen, wer Y-Titty, Gronkh und Die Außenseiter sind, habe aber immer noch ein wenig diese Faszination an der unbekannten Spezies, wenn ich die Youtuber sehe: Es ist nach wie vor eine fremde Welt für mich, und ich habe aus Gesprächen mit Kollegen aus Marketing und PR das Gefühl, dass wir alle ähnlich empfinden: Wir sehen, dass das Thema “Webvideo” immer wichtiger und professionalisierter wird, und natürlich möchten wir als Kommunikatoren und Marketing-Verantwortliche wissen, wie hier die Mechanismen und Akteure sind, was passiert und was die Branche bewegt. Gleichzeitig kriegen wir das ganze Thema aber nicht so recht zu fassen und sind erschrocken und fasziniert zugleich, was dort für eine uns gänzlich unbekannte Welt schlummert.


Der Youtuber – das unbekannte Wesen

Auf dem Videocamp wollten wir die Gelegenheit nutzen, mit den Youtubern direkt zu sprechen und versuchen zu verstehen, was sie antreibt und wie sie ticken. Die Session von Katja und Steffi, die einfach nur die unterschiedlichen Gruppen an einen Tisch bringen sollte, war für mich eine der spannendsten auf dem Videocamp, denn sie hat mich zum Nachdenken gebracht und mir auch ein bisschen die Augen geöffnet. Zum Einstieg der Session sollten wir per Handzeichen angeben, ob wir uns eher der “Netzgemeinde” oder der “Generation Youtube” zugehörig fühlen. Es saßen sich also in der Session quasi zwei Gruppen gegenüber, die einerseits unterschiedlicher nicht sein könnten, aber andererseits auch unerwartet viele Gemeinsamkeiten haben.


“Die Community ist das Wichtigste!”

Die Youtuber erzählten mit leuchtenden Augen, dass es ihnen nicht nur ums Videoerstellen geht, sondern ganz stark auch um den Community-Gedanken, dass sie sich auch offline regelmäßig treffen und hieraus echte Freundschaften entstanden sind; – und fragten, ob wir das auch kennen (das erste Schmunzeln bei mir). Klar kennen wir das! Nur ist unser Medium bzw. Netzwerk ein anderes.


Klarnamen versus Anonymität im Netz

Lisa von Yohnish erzählte, dass für Youtuber oft ihre Anonymität eine ganz hohe Priorität hat: “In Zeiten von Social Media ist es immer wichtiger, so anonym wie möglich zu bleiben!”


Das klang für mich erstmal widersprüchlich, schließlich geben Youtuber gefühlt noch viel mehr von sich preis als wir es jemals durch unsere Blogtexte, Instagram- oder Twitter-Postings tun könnten. Vielleicht ist aber auch gerade das der Grund für den Wunsch nach mehr Anonymität: Bei den Fans entsteht das Gefühl, ihre Youtube-Lieblinge wirklich zu “kennen”, was natürlich ein Trugschluss ist, und die Distanz geht komplett flöten. Wenn der Klarname bekannt ist, kann es also auch mal vorkommen, dass Fans plötzlich auch vor der Schule des Youtubers oder bei ihm zu Hause auftauchen.


“Was ich auf Youtube mache, das bin nicht ICH, wie ich privat bin, sondern das ist eine Inszenierung!”


Während wir PR-/Marketing-/ Kommunikationsmenschen ja immer die Authentizität in Social Media propagieren und mit unserem Klarnamen Personal Branding betreiben, möchten die Youtuber stets nur unter ihrem Youtuber-Pseudonym im Netz agieren, der Klarname soll bestenfalls unbekannt bleiben.


Social Media zur Generierung von Reichweite

“Social Media werden ja immer wichtiger…” (wieder ein Schmunzeln bei mir)

Ich war erstaunt, wie professionell die Youtuber die Social Media für ihre Vermarktung einsetzen, schließlich sind einige von ihnen gerade mal 15 Jahre jung. Hier sind aber offensichtlich echte “Digital Natives” (eigentlich mag ich das Wort ja nicht…) am Werk, die die Tools professionell für sich einsetzen: Um Reichweite zu generieren, gehören natürlich auch eine Facebook-Seite und ein Twitter-Account dazu, da waren sich die Youtuber einig, auch wenn man bei vielen von ihnen spürt, dass Twitter eigentlich nicht “ihr” Medium ist.


“Ich nehme bei Facebook nur Freundschaftsanfragen von Leuten an, die ich wirklich schon mehrmals getroffen habe; für meine Fans habe ich ja meine Facebook-Fanseite”. Auch hier war ich wieder erstaunt, wie reflektiert an diese Dinge herangegangen wird. Schließlich liest man allerorten immer wieder, dass Jugendliche im Netz allzu unvorsichtig agieren und viel zu viel von sich preisgeben. Die Youtuber, die ich kennenlernen durfte, sind sich alle durchaus der Möglichkeiten der Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook & Co. bewusst und spielen die Klaviatur der Social Media selbstsicher und gekonnt rauf und runter.


“Youtuber wollen unterhalten, Blogger wollen informieren”

Das war die Wortmeldung aus den Reihen der Youtuber, die grob das Verständnis der Unterschiede zwischen den Bloggern der Netzgemeinde und den Youtubern skizzieren sollte. Natürlich gibt es auch Ausnahmen von der Regel, d.h. Blogs, die in erster Linie unterhalten wollen und Youtube-Videos, die nicht so leicht verdauliche Informationen aufbereiten und vermitteln wollen. Ich denke aber, die Aussage kann man zur Verdeutlichung des Selbstverständnisses vieler Youtuber einfach mal so stehenlassen.


Und jetzt?

Dass man in Sozialen Netzwerken Gleichgesinnte zu vielen verschiedenen Themen finden kann, dass sich Gemeinschaften mit einer geteilten Leidenschaft und einem ganz eigenen Lebensgefühl über das Internet bilden können, kenne ich selbst von Twitter. Die strahlenden Augen der Youtuber, als sie vom Zusammenhalt in ihrer Community gesprochen haben, haben mir gezeigt, dass sie vielleicht in einigen Punkten doch gar nicht so anders ticken als wir, wer auch immer “wir” sind. Ich freue mich schon heute auf das nächste Videocamp und hoffe, dass ich auch in der Zwischenzeit schon Gelegenheit bekomme, die Welt der Youtuber noch ein bisschen besser zu verstehen. Denn es scheint eine tolle und sehr spannende Welt zu sein!

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