Stand: 12.08.2021 06:53 Uhr
Heute ist Welttag der Elefanten. Mit einem europaweit einzigartigen Elefantenservice hilft das Deutsche Primatenzentrum bei der Arterhaltung in europäischen Zoos.
von Michael Brandt
Urinproben aus über 100 Zoos aus 14 europäischen Ländern erreichen jede Woche das Labor von Ann-Kathrin Oerke beim Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen. Dort werden die Hormonwerte der Elefanten in den Proben gemessen. Einige der Tiere leben auch in niedersächsischen Zoos wie Hannover, Hodenhagen oder Osnabrück. "Ich weiß, welche Elefantenkühe bald Kinder bekommen. Das habe ich schon auf dem Schirm, weil man immer mitzittert", sagte Oerke. Einige Dickhäuter kenne sie mittlerweile seit rund 25 Jahren.
Europaweit einzigartiger ElefantenserviceExpertin Oerke weiß aber nicht nur, wann Elefantenkühe in ganz Europa trächtig sind, sondern auch, wann sie trächtig werden können. Denn Nachwuchs ist für den Erhalt der Rüsseltiere in europäischen Zoos wichtig. Seit 1976 besteht ein Einfuhrverbot für Elefanten aus Asien und seit 1989 für jene aus Afrika. Der Elefantenservice des DPZ in Göttingen ist der einzige seiner Art in ganz Europa. Forscherin Oerke verfolgt damit ein klares Ziel: "Wir wollen in Europa Elefanten züchten, um die Population in den Zoos zu erhalten." Die Zoo-Elefanten sollen selbst Nachwuchs zeugen - möglichst ohne Eingriffe wie künstliche Befruchtungen.
Erste "europäische Elefanten" bereits geborenIm vergangenen Jahr kamen in Zoos in Leipzig und Erfurt die ersten Elefanten zur Welt, deren Eltern bereits in menschlicher Obhut und damit in Europa geboren wurden. "Mittlerweile betreue ich schon Elefantenkühe, deren Mütter ich schon betreut habe, als sie mit ihnen schwanger waren. Aber wenn ein Elefantenbaby im Zoo steht, ist das keine Selbstverständlichkeit", sagt die Forscherin. Denn es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an, damit Elefanten trächtig werden. Der Zyklus einer Elefantenkuh dauere nur zwei Wochen. "Ich überwache den Zyklus der Elefanten und sage den Sexualzyklus voraus", beschreibt Oerke ihren Service. Am Ende sage sie vorher, "wann eine Elefantenkuh zum Bullen muss, damit der sie zum richtigen Zeitpunkt decken kann." Wird die Elefantenkuh dann trächtig, dauert es bis zur Geburt 22 Monate.
"Elefanten sind grundsätzlich friedliebend"Auf der einen Seite kommt es auf die männlichen Tiere an, die zu bestimmten Zeiten im Jahr, Musth genannt, vom Einzelgänger zum Partnerinnnensucher werden. Allerdings sind die jungen Bullen zu dieser Zeit auch äußerst aggressiv, erklärt Forscherin Oerke, aber: "Elefanten sind grundsätzlich friedliebend, sozial, nehmen an allem teil. Sie würden nie jemanden angreifen, den sie nicht als Gefahr ansehen. Elefanten sind superschlau."
Zoos führen Zuchtbücher über alle geborenen ElefantenAuf der anderen Seite stehen die Elefantenkühe, die im Zoo schon mit etwa vier Jahren geschlechtsreif werden. Aber junge Elefantenkühe sollten erst später trächtig werden, sagt Oerke. "Daher gilt es in Zoos, Inzucht zu verhindern, damit die Väter nicht ihre Töchter decken." In der freien Wildbahn komme Inzucht eher nicht vor. Aber damit sprichwörtlich Topf und Deckel passen, gibt es eine Lösung: In Rotterdam und Wuppertal werden Zuchtbücher geführt. Vater, Mutter und Geburtsort aller Elefanten, die in europäischen Zoos leben, sind dort verzeichnet.
Weltweit einzigartige MethodeAber die Dickhäuter müssen auch körperlich zur Paarung bereit sein. Das ist bei Elefantenkühen aufgrund ihrer langen Zyklen nur vier Mal pro Jahr der Fall. Deswegen messen Oerke und ihr Team wöchentlich die Hormonwerte in Urinproben.Die Proben werden per Post aus europäischen Zoos zum DPZ nach Göttingen geschickt. Gemessen wird der Anteil des Stoffwechselprodukts des Hormons Progesteron. Solche Stoffwechselprodukte nennt man Metaboliten. Kurz vor dem Eisprung ist der Progesteron-Anteil in den Proben niedrig, nach dem Eisprung ist er hoch. Die Methode hatten die Forscherinnen und Forscher am DPZ ursprünglich für Affen entwickelt und dann für die Anwendung bei Elefanten übertragen. Das Vorgehen ist weltweit einzigartig, weil den Elefanten kein Blut abgenommen werden muss. Es reichen Urinproben. Bis die Ergebnisse vorliegen, dauert es nur zwei Tage. Mittlerweile kann Oerke sogar bestimmen, wann eine Elefantenkuh ihren Eisprung hatte. Von jeder Elefantenkuh hat die Forscherin im Laufe der Jahre einen Zyklusverlauf erarbeitet. "Wir können Veränderungen im Zyklusverlauf auch äußeren Umständen wie Operationen oder Umbauten zuordnen", berichtet Oerke.
Erste Erfolge bei Arterhaltung in ZoosBei der Asiatischen Elefantenart in europäischen Zoos ist der Selbsterhalt schon geschafft. Bei den Afrikanischen Elefanten sei noch etwas zu tun. Aber ist eine Zoohaltung tiergerecht? Für die in Zoos importierten Tiere sei die Umstellung schon groß gewesen, aber die Nachzüchtungen seien in die Zoo-Welt hineingeboren, sagt Elefanten-Expertin Oerke. Außerdem sei die Haltung an die Art angepasst. So müssten die Elefanten sich ihr Futter auch an verschiedenen Stellen erarbeiten und könnten nicht einfach nur fressen und dadurch unter Bewegungsmangel leiden. Einigen Elefanten im Zoo ginge es besser als ihren Artgenossen außerhalb der Zoos. "In der freien Wildbahn sind die Tiere sehr bedroht. Die Afrikanischen Elefanten werden wegen ihrer Stoßzähne abgeschossen, die Asiatischen, weil sie über die Reisfelder laufen", erklärt Oerke. "Mein Herzenswunsch ist, dass Elefanten zum Beispiel in Asien nicht mehr gefesselt und zur Unterwürfigkeit geprügelt werden."
Seit 27 Jahren Forschung für ElefantenAnn-Kathrin Oerke ist begeistert von ihrer Arbeit - und von Elefanten: "Der Elefantenservice ist mein Baby." Über 180 Elefanten-Schwangerschaften hat Oerke in rund 27 Jahren schon begleitet. Wenn die niedersächsische Elefanten-Expertin auch in Zukunft mit ihren Messungen erfolgreich ist, könnten noch einige Elefanten in Europa aufwachsen.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Regional Braunschweig | 12.08.2021 | 15:00 Uhr