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Portrait: Trotz Hass im Netz: Salzgitteranerin gewinnt Ortsratswahl

Stand: 11.11.2021 16:09 Uhr

Amal El Dorr hat am Donnerstag ihre erste Sitzung im Ortsrat Nord in Salzgitter. Die 36-jährige SPD-Kommunalpolitikerin hat viel vor - und einen schwierigen Wahlkampf hinter sich. Ein Porträt.

von Michael Brandt

Seit zwölf Jahren ist El Dorr SPD-Mitglied. "Eine junge Dame mit viel Elan", so beschreibt Ortsbürgermeister Werner Müller seine Parteikollegin. Der 72-jährige Sozialdemokrat wünscht sich mehr junge Leute und auch junge Frauen im Ortsrat.

"Mitmachen und etwas verändern!"

El Dorrs Credo lautet "Mitmachen und etwas verändern". Nach ihrem Fachabitur hat sie zunächst im Familienbetrieb, einem Tele-Café, mitgearbeitet. Aber mit Jugendlichen zu arbeiten, das habe ihr schon immer am meisten Spaß gemacht. "Ich wollte immer etwas dagegen tun, wenn einige Jugendliche nur so abhängen", sagt die 36-Jährige. Ehrenamtlich organisierte sie beispielsweise schon einen Tanzworkshop. Parallel zur Arbeit im Tele-Café studierte El Dorr soziale Arbeit, allerdings ohne Abschluss. Seitdem sei ihr bewusst: "Als Migrantin musst du mehr Leistung bringen, das ist bis heute so."

Schon in der Schule habe sie das bemerkt. "Aber es gab auch Lehrer, die mich gefördert haben", betont die gebürtige Libanesin. "Amal, aus Dir wird noch etwas!", habe ihr Englischlehrer beispielsweise immer gesagt. Mittlerweile lebt El Dorr mit ihrer eigenen Familie zusammen. Ihre drei kleinen Söhne gehen bald alle in Kindergarten und Schule. Daher möchte El Dorr nun wieder studieren.

"Unsere Türen standen immer offen"

Als SPD-Kommunalpolitikerin ruft sie ihre Nachbarn dazu auf, sich gegenseitig zum Essen einzuladen. "Meine Eltern haben oft Nachbarn und Arbeitskollegen meines Vaters zu uns nach Hause zum Essen eingeladen. Unsere Türen standen immer offen", erzählt El Dorr. "Das verbindet, man kommt so gut ins Gespräch und lernt voneinander - und vielleicht werden so Vorurteile abgeschafft", hofft El Dorr. In Salzgitter lebt sie, seit sie zwei Jahre alt ist. Ihre Eltern flohen damals vor dem Bürgerkrieg im Libanon.

Hass im Netz während des Wahlkampfs

Die Muslima mit deutscher Staatsbürgerschaft trägt ein Kopftuch. Was wie eine weitere simple Beschreibung ihres Äußeren klingt, hat El Dorr im Kommunalwahlkampf hart getroffen. Unter anderem Politiker der AfD und eine rechte Bloggerin hatten in sozialen Medien ihrem Zorn und Hass freien Lauf gelassen. Der Anlass war das Wahlplakat, auf dem die 36-Jährigen mit einem Kopftuch zu sehen ist. Die Posts seien fast schon ein bisschen zu viel für sie gewesen, sagt El Dorr. Wegen ihres Kopftuchs war die Muslima aus Salzgitter auch schon vorher manchmal im Alltag auf Ablehnung gestoßen.

Kopftuch aus religiöser Überzeugung

Ein Kopftuch trage sie, weil sie als Muslima religiös davon überzeugt ist. Aber El Dorr meint auch: "Jede Frau entscheidet das für sich selbst. Entweder sie macht es und ist überzeugt davon oder sie macht es nicht. Und ich bestimme nicht über den Weg der Menschen. Mein Weg ist für mich der richtige, aber es ist nicht der richtigere Weg. So würde ich niemals urteilen." Ihr Ehemann habe die Salzgitteranerin ermutigt, weiter Wahlkampf zu machen - trotz allem. Nun freut sich Amal El Dorr über die Glückwünsche, insbesondere von anderen jungen Frauen. "Und wiederum auch Frauen mit Kopftuch, die gesagt haben: Jetzt trauen wir uns vielleicht auch mal. Wir werden ja doch gehört."

Der Ortsrat wird bunter

Der noch amtierende Ortsbürgermeister Müller findet es wichtig, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund im neuen Ortsrat sitzen. "Bei uns hier in Salzgitter ist das normal. Es geht hier um praktische Arbeit für die Menschen hier vor Ort." Vorurteile seien dabei manchmal ein Problem. "Wir müssen vor allem miteinander reden - und dabei muss es auch Einsichten geben. Hetze über andere Menschen ist da fehl am Platz", sagt Müller.

Ihr Plan: ein internationales Kulturfest

Amal El Dorr möchte nun vor allem mit ihrer Arbeit beginnen. Die Salzgitteranerin will sich vor allem für ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Ganz oben auf ihrem politischen Fahrplan steht: ein internationales Kulturfest.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Braunschweig | 11.11.2021 | 15:00 Uhr
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