Mehr als ein Drittel der Deutschen gehört keiner Religionsgemeinschaft an, der Anteil wird größer. Aber nicht alle von ihnen sind Atheisten. Das zu werden, ist harte geistige Arbeit.
Von Mechthild Klein
"Es gibt eine ganze Reihe von Legenden über den Atheismus. Manche meinen, es habe den Atheismus eigentlich in allen Epochen der europäischen Geistesgeschichte gegeben. Bereits in der Antike, dann aber auch im Mittelalter und dann weiter in der frühen Neuzeit. Tatsächlich ist es so, dass die Forschung vor einigen Jahren festgestellt hat, dass der erste atheistische Text, in dem explizit die Existenz Gottes bestritten wird, ein Text aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, also im Vorfeld der Aufklärung ist. Vor dem Jahr 1650 kennen wir kein einziges Dokument des Atheismus in dem Sinne, dass dort bestritten wird, dass Gott existiert."
Sagt der Religionsphilosoph Winfried Schröder von der Universität Marburg. Gerade hat er ein Buch über Atheismus publiziert. Zitate von Philosophen, die über ihre Religion lästerten, erfreuen sich großer Beliebtheit. Wie zum Beispiel Xenophanes im 5 Jahrhundert vor Christus, der über die Menschengestalt der Götter spottete:
"Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus."
Oder: Der Priester und Gelehrte Erasmus von Rotterdam. Er verspottete um 1510 in seinem "Lob der Torheit" seine eigene Zunft, nämlich die Priester, Theologen und Päpste. Über die Bischöfe seiner Kirche lästerte er:
"Sie glauben, ihrer Christenpflicht vollkommen zu entsprechen, wenn sie in einem mystischen und beinahe theatralischen Aufputze, mit Zeremonien, mit Titeln die alles was heilig ist, in sich schließen, und mit Segnen und Verwünschen, Bischofe spielen ... das Volk lehren ist knechtische Arbeit; ... beten Zeitenverschwendung; ... arm sein, schändlich ... es bleiben ihnen keine anderen Waffen und sanfte Segnungen übrig, ... und mit denselben sind sie gewiss sehr freigiebig: Interdictionen, Suspensionen, ...Verdammungsgemälde und der entsetzliche Bannstrahl ... die Seelen der Sterblichen mit einem Winke bis in die unterste Hölle zu stürzen."
Winfried Schröder sagt: "Ja, Kirchenkritik, Antiklerikalismus, Spott. Blasphemie gab es in allen Epochen, gibt es in allen Kulturen. Aber das muss man scharf unterscheiden von der These, die den Kern des Atheismus ausmacht, nämlich die These: Es gibt keinen Gott. Häretiker, die der Meinung sind, dass die Dreifaltigkeit ein Irrtum ist, oder Häretiker, die meinen, dass Jesus kein Gott war, sind natürlich keine Atheisten. Sie sind in gewisser Weise Kritiker einer bestimmten Religion, sagen wir des Christentums, aber noch lange keine Atheisten."
Atheist ist, wer die Existenz Gottes bestreitet. Und da man Gott weder beweisen noch widerlegen kann, bezeichnen sich viele Konfessionsfreie im 21. Jahrhundert als Agnostiker. Sie lassen offen, ob es Gott gibt. Homogen ist die Gruppe nicht, wie schon die Vielfalt der Bezeichnungen zeigt: Humanisten, Freidenker, Skeptiker. Davon zu unterscheiden sind Menschen, die zwar an einen Gott glauben, aber nicht an christlich-kirchliche Gottesbilder. Zu ihnen zählt der Dominikanermönch und Gelehrte Giordano Bruno, der im Jahr 1600 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde....
Hier gehts zum Original im Deutschlandfunk - zum Nachlesen oder Nachhören.
Ist ja schließlich als Hörstück geschrieben. Dort auch die Buchhinweise.