Cornelia sieht aus dem Fenster auf die kahlen Bäume, die das Haus am Großen Hirschgraben umstehen, hinaus in den achten November 1773. Es ist ein Montag. Der Turm der Bartholomäuskirche ist der höchste der Stadt, und sie könnte ihn sehen, wenn sie sich nur weit genug aus dem Fenster beugte. Aus der Ferne dringt das Glockengeläut, das das Vorübergehen einer weiteren Viertelstunde verkündet, an Cornelias Ohren.
„Die Glocken sind riesig, und wenn sie von nahem läuten, wird man ganz taub", hatte sie einmal nach einem Ausflug in den Pfarrturm geschrieben. Doch daran denkt sie in diesem Moment nicht. Ihre Hochzeit ist nun eine Woche her, und ihr Name nun schon seit einer Woche nicht mehr Cornelia Friederica Christiana Goethe, sondern Cornelia Friederica Christiana Schlosser. In einer Woche wird sie Frankfurt in einer vollbepackten Kutsche verlassen und zusammen mit ihrem Ehemann, dem Juristen und Staatsmann Georg Schlosser, nach Karlsruhe ziehen.
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