Maximilian Wegener

Historiker, Journalist, Wiesbaden

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Blason, Tinktur und Heroldsbild - Heraldik im LARP | LARP

Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten, 22 Sekunden


Wappen sind im LARP quasi allgegenwärtig. Für viele stellen sie schlicht dekorative Logos oder Abzeichnen dar, an denen man sich kreativ austoben kann - für andere sind sie deutlich mehr. Ein Einblick in die vielseitige Welt der Wappenkunde und ihre Regeln. Sinn und Zweck von Wappen


Wappen sind im LARP allgemein sehr beliebt. Sie sind dekorativ und dienen der Identifikation von Personen, Gruppen, Institutionen oder Ländern, schaffen gemeinsame Identität und sind ein wundervolles Medium, um sich nach außen weithin sichtbar zu präsentieren. Wappen auf Schilden, Bannern und Fahnen repräsentieren Adelshäuser, Länder, Gilden, Kirchenorden, Handelshäuser, Söldnereinheiten und alle möglichen anderen Spiel-, Charakter- und Gruppenkonzepte. Ein wenig Wappenkunde kann also IT durchaus nützlich sein - vor allem auf Großcons, wenn man auf dem Schlachtfeld an den Fahnen ablesen kann, wer da so alles im Felde steht... oder auf einen zukommt.


Heraldische Regeln und ihr Sinn


Ein Wappen dient vor allem der Identifikation. Das bedeutet, dass es auch aus einiger Distanz noch eindeutig erkennbar sein soll - beispielsweise, um einen Ritter oder Soldaten auf dem Schlachtfeld als Freund oder Feind einordnen zu können. Damit das funktioniert, müssen bei Gestaltung und Farbgebung gewisse Dinge beachtet werden. Und genau diese Dinge schreiben die heraldischen Regeln vor. Sie liefern also gewissermaßen den Design-Leitfaden für ein gutes und funktionales Wappen.


Tingierung: Heraldische Kontrastlehre

Die Farbgebung von Wappen bezeichnet man als Tingierung. Die traditionelle Heraldik kennt nur sieben Farben: Die sogenannten Tinkturen sind Rot, Grün, Blau und Schwarz. Purpur (Violett) kommt seltener vor, wird aber normalerweise auch zu den klassischen Tinkturen gerechnet. Dazu kommen die heraldischen Metalle Gold und Silber, dargestellt durch Gelb und Weiß. Andere Farben, wie beispielsweise Orange, Türkis, Braun oder Hautfarbe sowie Variationen der klassischen Tinkturen wie etwa Blutrot oder Hellblau, sind in der Heraldik zwar allgemein eher unüblich, kommen aber durchaus vor und sind deswegen nicht per se „unheraldisch" - gerade Fantasy-Settings ohne starken Histo-Bezug erlauben hier natürlich größere Freiheiten.


Entscheidend ist, dass Tinkturen nur auf Metalle gelegt werden dürfen und anders herum. Es geht dabei um den Kontrast. Eine rote Figur auf einem schwarzen Feld beispielsweise setzt sich nicht sehr stark ab und ist auf Entfernung deshalb schwer erkennbar. Eine weiße Figur auf Schwarz hingegen ist im Vergleich viel deutlicher erkennbar. Die Farbregelung dient also ganz konkret dazu, möglichst gut erkennbare Wappen zu schaffen. Allerdings handelt es sich dabei eher um eine Richtlinie, als um eine verbindliche Regel. Ausnahmen kommen in der historischen Heraldik mehr als genug vor. Gerade wenn viele Figuren und Heroldsbilder kombiniert werden, sind Überschneidungen fast unvermeidbar.


Die Regel gilt insbesondere auch nicht für Farbakzente innerhalb von Wappenfiguren, zum Beispiel bei der sogenannten „Bewehrung" von Tierfiguren, womit etwa Krallen, Zähne oder Hörner gemeint sind. Wenn im goldenen Feld ein schwarzer Löwe mit roten Krallen steht, stoßen rot und schwarz zwar aneinander, da die Krallen aber ein Beiwerk zur eigentlichen Figur sind, zählt das nicht als Verstoß.


Wappenfiguren

Während die Farben die Grundlage des Wappens bilden, sind es die Figuren, die es letztlich ausmachen. Die Ausgestaltung eines Wappens kann aus Heroldsbildern, gemeinen Figuren oder einer Mischung aus beiden bestehen. Unter die Bezeichnung Heroldsbilder fallen alle möglichen Unterteilungen des Wappenschilds durch senkrechte, waagerechte, diagonale oder auch gebogene, gezackte, geflammte oder anderweitig gemusterte Linien. Die dadurch entstehenden Wappen können für sich selbst stehen oder zusätzlich mit gemeinen Figuren belegt werden. Besonders häufige Heroldbilder sind der gespaltene Schild, bei dem der Schild vertikal halbiert ist, der geteilte Schild, bei dem die Halbierung waagerecht erfolgt, und der geviertelte oder auch „quadrierte" Schild, bei dem der Schild in vier Felder zerfällt. Neben den verschiedenen Teilungen gibt es außerdem weite Möglichkeiten wie etwa ein Schildhaupt im oberen Bereich des Wappens, einen Schildfuß im unteren Bereich, ein umlaufendes Schildbord um den Schild herum oder einen Herzschild in der Mitte. Die Trennlinien können gerade verlaufen, oder auch verschiedenen Mustern, genannt Schnitte, folgen. Als Beispiele seien der Wellenschnitt, der Zackenschnitt und der Flammenschnitt genannt.


Gemeine Figuren sind Gegenstände, Tiere, Personen, Gebäude, Himmels Wetterphänomene und sonst alles, was figürlich dargestellt werden kann. Die Bandbreite ist immens, allgemein gilt aber, dass die figürliche Darstellung recht einfach gehalten sein sollte. Für viele heraldische Figuren gibt es eine oder mehrere übliche Darstellungen oder doch zumindest gewisse Grundsätze bei der Gestaltung. Gerade bei den Tierfiguren haben sich außerdem gewisse Standards bei der Körperhaltung etabliert, die immer möglichst ähnlich dargestellt und auch präzise beschrieben werden sollen - beispielsweise schreitend, sitzend oder springend. Dadurch wird eine gewisse Einheitlichkeit im Erscheinungsbild geschaffen und auch das Blasonieren der Wappen sehr erleichtert, dazu weiter unten mehr.


Redende Wappen


Gerade im Rollenspiel-Bereich sind sogenannte redende Wappen sehr beliebt. Sie beschreiben Wappen, deren Gestaltung anhand der Wappenfiguren Rückschlüsse auf den Namen der Person, der Stadt, des Landes oder anderer Institution erlauben. Ein Herr von Löwenberg könnte beispielsweise einen Löwen auf einem Berg im Wappen führen, eine Dame von Rosenfeld drei Rosen auf einem grünen Feld, die Stadt Fischbach einen blauen Wellenbalken mit einem Fisch und der Orden vom Flammenschwert ein in Flammen gehülltes Schwert.


Wappen können aber auch gewissermaßen als bildliche Charakterisierung ihres Trägers verwendet werden. Eine Feder könnte beispielsweise für Belesenheit, ein Schwert für kriegerische Tugend, ein Pfeil für einen Meisterbogenschützen stehen. Vielleicht symbolisieren einzelne Figuren auch Ämter, Würden oder persönliche Eigenschaften des Wappenträgers, wie ein Schlüssel als Amtszeichen eines Kämmerers im Dienste eines Fürsten, ein Jagdhorn für einen herrschaftlichen Jagdmeister, eine Krone für einen Regenten oder ein religiöses Symbol als Zeichen der persönlichen Glaubenszugehörigkeit. Solche Wappen lassen sich manchmal wie ein Bildkatalog des Trägers lesen, neigen aber dazu, schnell sehr komplex zu werden, was die Blasonierung erschweren kann.


Wappen beschreiben - Die Blasonierung


Die Blasonierung eines Wappens bezeichnet eine möglichst genaue Beschreibung des Wappens und dient gewissermaßen als Blaupause, nach der das Wappen konstruiert wird. Auch ohne es gesehen zu haben, sollte ein Herold ein Wappen nur anhand der Blasonierung erkennen und sogar „aufreißen" können, womit das Aufzeichnen des Wappens gemeint ist. Damit das gelingt, muss die Beschreibung des Wappens möglichst präzise und systematisch sein. Das Wappen soll kurz, prägnant und möglichst unverwechselbar in all seinen Bestandteilen beschrieben werden. Dazu gibt es verschiedene Systeme, nach denen man sich richten kann und die zum Teil verschieden vorgehen oder abweichende Begriffe verwenden. Egal, welches dieser Systeme man verwenden will - wichtig ist, möglichst systematisch und präzise zu sein und ein einmal gewähltes Schema beizubehalten. Das eine objektiv richtige System gibt es, zumal im LARP, ohnehin nicht.


Eine wichtige Faustregel bei der Blasonierung von Wappen ist: So kurz wie möglich, so ausführlich wie nötig. Überbordend detailreiche und komplexe Beschreibungen werden schnell unklar. Es ist außerdem nicht nötig, jede Figur unbedingt bis ins letzte Detail zu beschreiben. Stattdessen gilt der Grundsatz, Figuren nur dann ausführlicher zu beschreiben, wenn einzelne Details entweder von der Norm abweichen oder von expliziter Bedeutung sind. Kommt beispielsweise eine Sonne im Wappen vor, müssen die Anzahl und Form der Strahlen nur dann explizit beschrieben werden, wenn sie für das Wappen eine besondere Rolle spielen.


In der Regel geht man bei der Blasonierung gewissermaßen in Schichten von unten nach oben vor und beschreibt zunächst den Schild mit seiner Grundfarbe, dann die Einteilung durch eventuelle Heroldsbilder und danach die aufgelegten gemeinen Figuren. Bei Letzterem geht man von links nach rechts und von oben nach unten vor. Am Beispiel des Bildes unten: „Auf Silber (Grundfarbe) ein blauer Pfahl (Heroldsbild) belegt mit drei goldenen Rosen." Ein wichtiges Detail: Ein Wappen wird korrekt „vom Träger ausgehend" beschrieben, so als würde man hinter dem Schild stehen. Heraldisch sind deswegen links und rechts vertauscht.


Figuren weisen heraldisch im Normalfall nach rechts, auf dem Wappen deswegen nach links. Dieser Normalfall muss nicht eigens angegeben werden. Schaut also ein Tier nach links bzw. ist in diese Richtung gewendet, muss das nicht angemerkt werden. Weist oder schaut das Tier in die andere Richtung, wird das in der Blasonierung kenntlich gemacht. Beispiele: „Ein nach links gewendeter Drache" oder „Ein rückwärts blickender Hirsch".

Ein Beispiel für ein ausführliches und differenziertes System zur Blasonierung von Wappen mit Anleitung und Erklärung findet man hier: http://www.welt-der-wappen.de/Heraldik/seite55.htm


Panier, Helmzier und Wappenhalter - Das Vollwappen

Gerade in historischen Beispielen, aber durchaus auch im LARP, sieht man häufiger besonders prunkvolle Wappen mit aufgesetztem Ritterhelm, Helmdecke und Helmzier obenauf. Manchmal kommen außerdem zwei Figuren dazu, die den Schild von beiden Seiten halten. Zusätzlich kann am unteren Schildrand ein Spruchband angebracht sein, gelegentlich gibt es sogar noch ein zweites über dem Helm. Weitere Elemente können beispielsweise ein Wappenmantel oder Wappenzelt, ritterliche Orden, zusätzliche Wappen und andere Zierelemente sein. Eine solche Wappendarstellung bezeichnet man als Vollwappen oder Prunkstück.


Ein eher klassisches Vollwappen beinhaltet einen Helm, eine Helmdecke und eine Helmzier. Die verwendete Helmform ist in der Regel der Topfhelm, bei eher spätmittelalterlichen oder neuzeitlichen Wappen abgelöst vom im Lanzenturnier verwendeten Stechhelm. Andere Helmformen wie der Armet oder der vergitterte Kolbenturnierhelm kommen vor, sind aber selten. Sonstige Helme kommen in Wappen eigentlich nicht vor - sie eignen sich auch nicht gut, da wegen ihrer Bauform auf ihnen so keine Decke und Helmzier angebracht werden können. Der Helm wird ergänzt durch eine oft reich mit Zaddeln verzierte Helmdecke und eine Helmzier - eine Figur auf dem Helm, ähnlich der echten Helmzier im Ritterturnier. Diese Helmzier wird ebenfalls heraldisch dargestellt und greift oft Bestandteile des Wappens auf, muss es aber nicht.


Ebenfalls im Vollwappen enthalten sind der Wahlspruch, der normalerweise als Spruchband unterhalb des Schilds positioniert ist. Hierbei kann es sich um eine persönliche Devise, ein Familienmotto oder ein Ordenscredo handeln, je nachdem, wem das Wappen gehört. Das Panier oder auch der Schlachtruf hingegen ist ein zweiter, meist persönlicher Wahlspruch, der oberhalb des Helms gezeigt wird.

Die Wappenhalter sind in aller Regel heraldische Tier- oder Menschenfiguren, die links und rechts des Wappens stehen und es aufrecht halten. Die Wappenhalter können identisch oder verschieden sein, bei ihrer Gestaltung gibt es recht viele Freiheiten.


Eigene Wappen gestalten


Wie man ein gutes Wappen gestaltet, ist sicherlich Geschmacks- und Stilfrage. Allerdings schadet es definitiv nicht, wenn man versucht, einige Dinge zu bedenken: Das Wappen sollte klar erkennbar sein, auch auf größere Distanz. Es empfiehlt sich deshalb, auf den Kontrast zu achten, wobei die Tingierungsregeln hilfreich sind. Außerdem sollte das Wappen nicht mit Figuren und Details überladen werden - in der Regel leidet darunter nur die Erkennbarkeit.


Redende Wappen sind beliebt und können ein probates Mittel sein, Hintergrund sichtbar ins Spiel zu bringen - aber auch wenn die Versuchung groß ist, möglichst viele solche Details in einem Wappen unterzubringen, sollte man es nicht übertreiben. Oft ist weniger in der Heraldik mehr. Wenn es trotzdem viele Figuren sein sollen, sollte man diese besser auf verschiedene Felder des Wappens aufteilen, wozu sich die verschiedenen Heroldsbilder gut eignen. Auf komplexere szenische Darstellungen sollte man hingegen in der Regel besser ganz verzichten - Ein Wappen ist keine Bildergeschichte und eignet sich dafür auch nicht besonders gut. Solche eher erzählenden Motive lassen sich auch, ganz ohne Wappen zu sein, wunderbar auf Schilde malen - gerade große Handpavesen und Setzschilde eignen sich gut dafür und wurden historisch gerne für solche Zwecke benutzt.


Ein weiterer Denkanstoß zur Wappengestaltung: Wappen sind keine normierten modernen Firmenlogos, die immer zu 100 Prozent identisch aussehen müssen - was zählt, sind nur die korrekte Farbgebung und Komposition des Wappens und seiner Figuren getreu der Blasonierung. Die konkrete Ausgestaltung hängt vom jeweiligen Künstler ab und darf das auch. Wenn also beispielsweise ein Herold sich ein Wappen beschreiben lässt und es dann anhand der Blasonierung in seine Wappenrolle einzeichnet, kann dieses Wappen stilistisch ganz anders aussehen als die Vorlage, ohne dass es dadurch verfälscht wird. Eine gewisse Abweichung bei den Wappen-Designs kann im LARP authentischer wirken, als eine immer exakt gleiche Darstellung. Gerade bei Gruppen kann man so einen allzu modernen und uniformen Gesamteindruck aufbrechen.


Material für digitale Wappen


Wer am Computer Wappen entwerfen möchte, findet auf Websites wie etwa Mistholme oder Book of Traceable Heraldic Art reichlich Rohmaterial. Auch auf Wikimedia Commons finden sich etliche heraldische Vorlagen, sowohl Heroldsbilder als auch gemeine Figuren. Auf Wikimedia Commons finden sich außerdem diverse echte Wappen, die in der Regel als skalierbare .svg-Grafik abgelegt und zusätzlich gemeinfrei sind oder unter Creative Commons Lizenz stehen. Solche Wappen lassen sich gut als Grundlage für eigene Entwürfe nehmen und bearbeiten. Indem man aus passenden Vorlagen Figuren ausschneidet und einfügt, lassen sich aus den Einzelteilen in gängigen Grafikbearbeitungs-Programmen recht leicht eigene Wappen zusammensetzen und anschließend kolorieren. Auch dabei gilt, wie bei der Blasonierung: Am besten mit dem blanken Schild anfangen und dann nach und nach schichtweise die Heroldsbilder und dann die gemeinen Figuren auflegen.


Artikelbild: Live Adventure, Wappen: Maximilian Wegener, Bearbeitet von Verena Bach


Maximilian Wegener studiert Fachjournalistik Geschichte und Politik. Seit 2002 lässt er sich im LARP und Pen&Paper in ferne Welten entführen. Im LARP pendelt er zwischen Low-Fantasy, High-Fantasy und Endzeit. Sein Steckenpferd ist dabei fantastischer Realismus und historisch inspirierte Konzepte.

Zum Original