MAINZ - 111 Jahre ist Mainz 05 inzwischen alt. Und zumindest die jüngere Vereinsgeschichte lässt sich in genau zwei Phasen unterteilen: Vor und nach Jürgen Klopp. Seit der eigentliche Linksverteidiger zum Trainer umfunktioniert wurde, hat der Verein eine erstaunliche Entwicklung erlebt. Mittlerweile erlebt er seine elfte Saison in der Bundesliga, spielt in einer neuen Arena vor zehntausenden Menschen und in der Europa League. Zu dieser Entwicklung haben natürlich neben Klopp noch viele andere beigetragen. Die einen mehr, die anderen weniger. In unserer Serie „Was macht eigentlich...?" erzählen wir, was aus den kleinen und großen Helden von einst geworden ist.
Da saß er nun und wusste nicht so recht, ob, und wenn ja, was er sagen sollte. Er, der 18-jährige Nachwuchs-Kicker, der zum ersten Mal mit den Profis ins Wintertrainingslager hatte fahren dürfen. Der mit weitem Abstand Jüngste, sein nächst älterer Mitspieler war 24. Jeden Tag, morgens und abends, saß er, Markus Kreuz, auf den Hin- und Rückfahrten vom Hotel zum Trainingsgelände im Kleinbus neben Jürgen Klopp, dem gestandenen Linksverteidiger. Irgendwann, auf einer der vielen Fahrten, sprach Klopp den ruhigen Jungen an. „Wie alt bist du eigentlich?", fragte Klopp. „18", antwortete Kreuz, „ich bin Jahrgang 1977." Nach einer kurzen Pause gab der zehn Jahre ältere Klopp ihm daraufhin einen Satz mit, der sich für Kreuz bewahrheiten sollte. „Genieß jeden Tag, es geht alles so schnell vorbei", sagte Klopp. „Und er hatte recht", sagt Markus Kreuz heute, mehr als 20 Jahre später. „Meine Zeit als Fußballer kommt mir im Rückblick so kurz vor." Bei Mainz 05 war sie das auch - zumindest als Profi. Mit 14 kam der Linksfuß von seinem Heimatverein VfL Frei-Weinheim an den Bruchweg, „wir waren in der Jugend immer der zweitstärkste Verein der Region - hinter Kaiserslautern", sagt er.
Wolfgang Frank holt Kreuz vom Hartplatz in die Erste
Seine Erinnerungen an die Jahre im 05-Nachwuchs seien durchweg schön. Auch wenn er in der A-Jugend noch auf Hartplatz trainiert und spielt. Wolfgang Frank lässt ihn dann mit der ersten Mannschaft trainieren und in der zweiten spielen. Ein Spagat zwischen Zweiter Bundesliga und Bezirksliga. Kreuz gelingt er so gut, dass er im Oktober 1995 sein Debüt in der Ersten feiern darf. „Kein allzu schönes, leider", sagt er. Bei Carl Zeiss Jena verliert Kreuz mit den 05ern in seinem ersten Zweitliga-Einsatz 1:6. Zur Pause wird er ausgewechselt, steht in der restlichen Saison nur noch einmal in der Startelf und wird ein paar Mal für ein paar Minuten eingewechselt. „Es war schwer, an den Älteren vorbei zu kommen, wir hatten eine gute Mannschaft", sagt er. Im linken Mittelfeld war Christian Hock Kreuz' Konkurrent. „Und vielleicht war ich auch ganz einfach noch nicht so weit."
Geboren in Ingelheim, verlässt Kreuz seine Heimat im Sommer 1998. Er hatte insgesamt nur zwölf Einsätze absolvieren dürfen. Und wurde dann eines der ganz wenigen Mainzer Talente der 90er Jahre, die in der Bundesliga Karriere machten.
Davon erzählt er heute noch des Öfteren. Im Café Nonna Martha im Ingelheimer Zentrum, wo Kreuz unter der Woche von 11 bis 15 Uhr hinter dem Tresen steht. „Ich bin da Mädchen für alles", sagt der inzwischen 39-Jährige. Zuvor war er im Brauhaus Goldener Engel, zu dem das Café gehört und in dem seine Ehefrau Betriebsleiterin ist. Doch im Brauhaus mussten beide oft abends arbeiten, Zeit für die zwei gemeinsamen Kinder blieb da nur wenig. Also wechselte Kreuz ins Café, „und hier macht es mir großen Spaß". Ein Büro-Job wäre nichts für ihn gewesen. Nach seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann hatte er eigentlich bei seinem letzten höherklassigen Verein organisatorisch einsteigen wollen. „Schott Mainz hatte mir eine Weiterbeschäftigung zugesagt, aber das dann nicht eingehalten." Also entschied sich Kreuz, den hohen Aufwand im hohen Fußball-Niveau nicht zu betreiben. „Jetzt bin ich im Café jeden Tag unter Leuten, hier in Ingelheim kennt mich ja jeder", sagt er. Natürlich kommen viele vorbei, um mit ihm über Fußball zu sprechen. „Aber ich muss leider gestehen: Über die aktuellen Entwicklungen kann ich wenig sagen, ich komme in letzter Zeit nicht so zum gucken."
Dem A2-Nationalspieler fehlt die Geduld
Aber Kreuz kann ja auch genug von früher erzählen, kann so miterleben, dass seine Zeit doch nicht ganz so kurz war. Noch als Mainzer hatte er mit der Südwest-Auswahl bei einem Länderturnier in Duisburg teilgenommen. Danach rief ihn der Trainer von Hannover 96, damals drittklassig, jeden Tag an. „Reinhard Franz hat mich nicht mehr in Ruhe gelassen, er wollte mich unbedingt holen", sagt Kreuz. Er ließ sich dann nach Niedersachen ausleihen, stieg mit 96 in die zweite Liga auf und wechselte im Anschluss fest an die Leine. Kreuz spielte sich in die U 21-Nationalmannschaft, galt als große Hoffnung und wurde in die damalige A2-Nationalmannschaft berufen.
Mit 23 wechselte er zum 1. FC Köln in die Bundesliga. „Der Hauptgrund dafür, dass ich am Ende den Durchbruch nicht geschafft habe, dürfte meine eigene Unzufriedenheit gewesen sein. Ich machte 26 von 34 Spielen und war trotzdem unzufrieden, wenn ich hörte, nicht Stammspieler zu sein", hat er in einem früheren Interview gesagt. „Ich war zu ungeduldig und auch schnell mal beleidigt, wenn ich nicht spielte." Mit dem FC erreicht Kreuz das Halbfinale des DFB-Pokals, doch hat er mit Dirk Lottner wieder einen starken Konkurrenten.
Köln steigt ab, Kreuz entschließt sich, den Verein zu verlassen, und trifft sich mit: Jürgen Klopp. Der einstige Ratgeber war inzwischen Trainer in Mainz geworden. „Er wollte mich zurück an den Bruchweg holen", sagt Kreuz. Beinahe wäre er auch zurückgekommen, doch dann klappt der Wechsel doch nicht - und Kreuz geht zu Eintracht Frankfurt. Dem Verein, der gerade wegen eines mehr geschossenen Tores statt der 05er in die erste Liga aufgestiegen war.
Später spielt er noch für Rot-Weiß Erfurt, geht nach Spanien zu Real Murcia, zum FSV Frankfurt und nach Österreich, ehe Kreuz sich entschließt, doch nach Mainz zurückzukehren. Mit Schott steigt er in die Oberliga auf und kickt nun in der Kreisliga, wieder bei seinem Heimatverein Frei-Weinheim als spielender Co-Trainer.
Er spielt jetzt als hängende Spitze und trifft in so gut wie jedem Spiel. Aktuell steht er bei 15 Toren in 14 Partien. Nochmal den Verein wechseln will er nicht. Und vielleicht als Trainer oder Funktionär doch wieder höher aktiv werden? „Ich würde niemals nie sagen", sagt Kreuz. „Aber momentan ist das überhaupt kein Thema." Momentan genießt der frühere Profi jeden Tag als Vater und Gastronom.
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