In Italien diskutieren Politik und Verband, ob und wie die Serie-A-Saison zu Ende gebracht werden kann. Nun steht eine neue Option zur Diskussion: Die restliche Saison stark zu komprimieren – auf 45 Tage und eine Stadt.
45 Tage benötigte die französische Rennyacht Banque Populaire V im Jahr 2012 für eine Weltumseglung. Das bedeutete seinerzeit den Weltrekord für die 24.000 Seemeilen. Der Wiesbadener Anthony Horyna lief 2019 45 Tage am Stück täglich 45 Kilometer - mehr als einen Marathon pro Tag und knapp 2000 Kilometer Strecke insgesamt.
Dass im Fußball in 45 Tagen sogar noch viel wildere Dinge möglich sind, zeigt uns die aktuelle Bundesligasaison. Auch wenn die fast wirkt, als hätte sie in einer fernen Epoche stattgefunden. Einige erinnern sich vielleicht dennoch: Es ist gar nicht lang her, da gab Jürgen Klinsmann mit Hertha BSC 80 Millionen Euro auf dem Transfermarkt aus, nur um dann 1:3 zu Hause gegen Mainz zu verlieren, anschließend per Facebook-Post seinen Rücktritt zu erklären, am nächsten Tag ein Facebook-Live-Video zu starten, gegen die Verantwortlichen zu schießen und in die Staaten zurückzufliegen. Auch all das spielte sich innerhalb von nur 45 Tagen ab.
Und auch im italienischen Fußball könnte diese Zahl künftig eine große Rolle spielen. Denn auf diesen Zeitraum könnte nun die restliche Serie-A-Saison komprimiert werden. Derzeit werden in Italien fast täglich neue Szenarien durchgekaut, wie die Saison nun fortgesetzt werden kann. Weil aber keine Option wirklich zufriedenstellend ist, hat sich der italienische Journalist Fulvio Bianchi von der Rebublicca eingeschaltet. Und einen 45-Tages-Plan ins Spiel gebracht, dessen Eckdaten sich wie folgt lesen: 20 Mannschaften, 12 Spieltage, 120 Spiele, 45 Tage - und eine Stadt.
Vier Optionen
Politik und Verband pochen auf eine Fortsetzung der Saison. Lieber heute als morgen würden sie die ausbleibenden Spieltage austragen. Vincenzo Spadafora, Staatsminister für Jugend und Sport, sprach davon, die ersten Spiele am 3. Mai wieder anpfeifen zu wollen, Verbandspräsident Gabriele Gravina brachte gar den 20. April ins Spiel. Natürlich ohne Fans, aber eben nicht ohne Fernsehgelder.
Die Situation ist verzwickt. Laut Football Italia stehen für Gravina derzeit vier Optionen zur Debatte:
Option 1: Saisonabbruch. Das hieße, es gäbe keinen Meister, keine Absteiger und die Europapokalplätze würden nach den derzeitigen Platzierungen vergeben. Jedoch ist ein Abbruch die unpopulärste Lösung. Es herrscht die Angst, dass durch eine Annullierung auch die kommende Spielzeit in Mitleidenschaft gezogen würde. Denn sollten Vereine gegen die Entscheidung klagen, könnte das den Spielbetrieb auch im Jahr 2021 blockieren, so die Argumentation.
Option 2: Tabelle einfrieren. Die Saison wäre mit dem 26. Spieltag beendet. Folglich wäre der derzeitige Tabellenführer Juventus Turin Meister. Allerdings habe sich der Verein selbst bereits gegen diese Entscheidung ausgesprochen. Man wolle keinen „Scudetto die cartone", einen Meistertitel aus Karton.
Option 3: Play-offs. Eine solche Fortsetzung würde bedeuten, die ersten Vier – Juventus Turin, Lazio Rom, Inter Mailand und Atalanta Bergamo – spielen die Meisterschaft in einer Halbfinalrunde mit Hin- und Rückspiel und anschließendem Finalspiel aus. Gleiches Prozedere für die Abstiegsrunde, bestehend aus CFC Genua, US Lecce, SPAL Ferrara und Brescia Calcio. Laut Gazzetta dello Sport haben sich jedoch viele Klubs gegen ein Play-off-System ausgesprochen.
Option 4: Schnellverfahren. Derzeit scheint die Option, den Spielplan auf wenige Wochen zu stauchen der Favorit aller Beteiligten zu sein. Folglich würden alle verbleibenden Spiele im Drei-Tages-Rythmus über die Bühne gehen.
120 Spiele, eine Stadt
Hierzu hatte Damiano Tommasi, Präsident der Spielergewerkschaft AIC, zuletzt verkündet, es benötige mindestens 45 Tage, die Saison zu einem Ende zu bringen. Des Weiteren erklärte er: „Wir suchen nach Wegen, damit die Meisterschaft auch über den 30. Juni hinaus weitergeführt werden kann.“
Wie die Repubblica in Person des Journalisten Fulvio Bianchi nun vorschlug, könne eine bemerkenswerte Idee die Lösung bringen: Alle 20 Serie-A-Mannschaften sollen nach Rom verfrachtet werden, um dort zu trainieren und zu spielen. Innerhalb von 45 Tagen könnten hier die 12 verbleibenden Spieltage mit insgesamt 120 Spielen ausgetragen werden. Neben dem Stadio Olimpico, der Heimstätte von Lazio und AS Rom, könnte im Stadio Flaminio, das vor allem für Rugbyspiele genutzt wird, und im Stadio Benito Stirpe, das sich nahe der Stadt befindet, gespielt werden.
Ohne Journalisten
Für diese Form der Saison-Fortsetzung im Schnellverfahren bräuchte es außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen, meint Bianchi. Alle Beteiligten sollten sich serologischen Tests unterziehen, Tests auf Antikörperbildung. Außerdem müsse jeder Mitarbeiter eine Maske tragen. Journalisten wären wohl ausgeschlossen.
Bianchis Idee wäre revolutionär, wie eine surreale Inszenierung. Ein abgeschottetes, simuliertes Spektakel. Ein Hauch von Zirkus im antiken Rom. Nur eben ohne Zuschauer.
Doch auch diese Pläne werden auf Kritik stoßen. Denn dass die italienischen Fußballfunktionäre die Saison unbedingt fortführen wollen, sorgt bei vielen Fans für Unverständnis. Unter anderem forderten Ultras von Atalanta Bergamo einen Abbruch der Saison. Italien befindet sich in einer Situation, in der das Coronavirus den Fußball weit in die Belanglosigkeit gedrängt hat.
Denn in den letzten Wochen mussten die Italiener erfahren, was ebenfalls in 45 Tagen geschehen kann. Am 23. Februar vermeldete die Regierung das erste Todesopfer durch eine Coronainfektion in Italien. 45 Tage später, am gestrigen Mittwoch, waren es laut Gesundheitsministerium 17.669 Tote.