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Matthias Schumann

Kulturjournalist, Hamburg

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Rezension

Jazz is about the Future

Worauf man die Beine nicht sieht (Foto: StudioCanal GmbH)

Viel­leicht ist das der ent­schei­den­de Moment in die­sem La La Land, dem Film, des­sen Titel auf so unver­fro­re­ne Wei­se auf die Leich­tig­keit von Sein und Schein des Hol­ly­wood-Show­busi­ness ver­weist. Sebas­ti­an (Ryan Gos­ling), der stets melan­cho­lisch bli­cken­de Jazz­pia­nist vol­ler Idea­le und Melo­di­en bekommt ein Ange­bot, das der Musi­ker, der sich in Cover­bands und Nacht­clubs mehr schlecht als recht durch­schlägt, eigent­lich kaum aus­schla­gen kann. End­lich kann er mit Musik­ma­chen Geld ver­die­nen, end­lich winkt so etwas wie eine Kar­rie­re. Nur die Musik passt nicht, der jun­ge Musi­ker zögert. Dann aber fällt der Schlüs­sel­satz, in dem alles kul­mi­niert, nicht nur für die Lebens­ent­schei­dung die­ser Film­fi­gur, son­dern auch für den Film, viel­leicht sogar für das Unter­hal­tungs­ki­no die­ser Tage: "Jazz is about the Future".

Mit die­ser Ankün­di­gung hat der Regis­seur Dami­en Cha­zel­le nicht den ein­fachs­ten Weg gewählt. Trotz der Beteue­run­gen, nur eine Hom­mage an das alte Gen­re des Hol­ly­wood-Musi­cals dre­hen zu wol­len, hat der jun­ge Regis­seur mit fran­zö­si­schen Wur­zeln den Kern allen Enter­tain­ments beim Schop­fe gepackt - er hat einen Jazz-Film gemacht. Jazz, die Musik, die jen­seits von Retro-Trends kaum noch Gehör fin­det, die Musik, deren Auf­er­ste­hung und Wie­der­ent­de­ckung stets behaup­tet wird, aber nie­mals wie­der die Bedeu­tung und Reich­wei­te erlangt hat, die sie in ihrer kur­zen gol­de­nen Peri­ode hat­te, die Doro­thy Par­ker und F. Scott Fitz­ge­rald vol­ler Ele­ganz und Brü­chig­keit in ihren Sto­ries und Roma­nen wie­der­ge­ge­ben haben. Fitz­ge­ralds Rück­blick auf die­se Tage, 1931 im Scribner's Maga­zi­ne unter der Über­schrift " Echoes of the Jazz Age" erschie­nen, macht die Span­nung von Musik und Zeit nur zu deut­lich: "The word jazz in its pro­gress toward respec­ta­bi­li­ty has meant first sex, then dan­cing, then music. It is asso­cia­ted with a sta­te of ner­vous sti­mu­la­ti­on ..."

So ist der Jazz, auch in sei­nen kon­zi­li­an­te­ren For­men, nicht nur weit­aus kom­ple­xer als der vier­schla­gen­den R&B-Beat, der heu­te Charterfol­ge garan­tiert, sein Spek­trum reicht von den smar­ten Bal­la­den der ame­ri­ka­ni­schen Croo­ner bis hin zu den bro­deln­den Erup­tio­nen des euro­päi­schen Free-Jazz, wie ihn ein Erneue­rer wie Peter Brötz­mann in den 70ern ver­kör­per­te.

Trotz sei­ner kli­schee­haf­ten Her­kunft aus Bor­del­len, Ball­rooms und Speake­a­sies ist er, bis auf sei­ne kur­ze Blü­te­zeit, nie­mals Volks­mu­sik gewor­den. Einer der Grün­de ist das Kon­ven­tio­nen bre­chen­de Moment, die Frei­heit die­ser Musik, jener Gedan­ke des augen­blick­li­chen Mitei­an­ders, aus dem die Impro­vi­sa­ti­on schöpft.

Soviel Unvor­her­seh­bar­keit, trotz Cho­rus- und Refrain­struk­tu­ren, trotz der schla­ger­haf­ter The­men der Song­books von Gershwin, Ber­lin und Por­ter, soviel Frei­heit ist oft­mals zu viel. Für jene "Lost Genera­ti­on" nach dem ers­ten Welt­krieg war sie aller­dings der Aus­druck des Unmit­tel­ba­ren. Der Jazz ver­langt dem Gegen­über eini­ges ab, sowohl Hin­ga­be und Los­lö­sung als auch die Fähig­keit, viel­schich­ti­ge Zusam­men­hän­ge zu erfas­sen in den vie­len Stim­men und Rhyth­men, die in die­ser Musik auf­ein­an­der­tref­fen kön­nen - sex, dan­cing, music.

Dami­en Cha­zel­le hat 2014 schon ein­mal einen Film gemacht, " Whip­lash ", der sich mit dem Jazz aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Der beschrieb in ers­ter Linie Ehr­geiz und tech­ni­sches Wer­den eines jun­gen Schlag­zeu­gers. Der an sich beein­dru­cken­de Erst­ling ist in sei­ner Erzäh­lung noch rela­tiv kon­ven­tio­nell, er zeigt vor allem den har­ten und prä­zi­sen US-Swing, der offen­bar an ame­ri­ka­ni­schen Musik­hoch­schu­len hoch­ge­hal­ten wird. Es gibt die zu erwar­ten­de Wand­lung des Hel­den, der durch Übungs­fleiß und vor allem Wil­lens­stär­ke sei­nem musi­ka­li­schen Drills­er­geant ent­ge­gen­tritt, ein Com­ing of Age-Film mit musi­ka­li­schen Wur­zeln. Der Film war ein Über­ra­schungs­er­folg bei den Aca­me­dy Awards, drei die­ser Ocars in tech­ni­schen Kate­go­ri­en heims­te er schließ­lich ein, frei­lich weder für die Regie noch für die Musik.

Über­haupt - die Musik. Rein gar nichts wären Cha­zel­les bei­de Fil­me ohne die Musik Nathan Hur­witz‹. Leben­dig ist der La La Land-Sound­track ohne Zwei­fel, er ist diver­se, Afro, Cuban, Big­band, String, Cool Jazz, Wal­zer prä­gen ihn, mit­un­ter sogar Anklän­ge an Debus­sy und Ravel - all das ist jazz-based, meis­ter­haft arran­giert und hat tat­säch­lich Hit-Cha­rak­ter, trotz sei­ner Kom­ple­xi­tät. Hur­witz Musik trägt den Rhyth­mus und Cha­zel­les Regie über­nimmt ihn, ob in Dia­lo­gen, Gesangs- oder Tanz­sze­nen.

Kam "Whip­lash" noch als kon­ven­tio­nel­les Film­dra­ma mit reich­lich vor­her­seh­ba­rem Aus­gang daher, sieht es bei La La Land anders aus. Zwar erzählt er vor­der­grün­dig die Geschich­te eines jun­gen Paars in Hol­ly­wood, sie, Mia (Emma Stone), eine Schau­spie­le­rin, die von Vor­spre­chen zu Vor­spre­chen has­tet, er, der Kla­vier­spie­ler, der sich mit sei­nen musi­ka­li­schen Idea­len so eben über Was­ser hält. Das Paar trifft sich, för­dert sich gegen­sei­tig, die Kar­rie­ren drif­ten aus­ein­an­der, die Leben auch. Das ist mit Emma Stone und Ryan Gos­ling ganz und gar glück­haft besetzt, bei­de "funk­tio­nie­ren" so gut zusam­men, dass eigent­lich kei­ne Alter­na­tiv­be­set­zun­gen mehr vor­stell­bar sind. Stones leicht iro­ni­sches Spiel, das ver­han­ge­ne Unglück ins Gos­lings Mimik sind sehens­wert und dass sie kei­ne per­fekt trai­nier­ten Musi­cal-Dar­stel­ler sind, ist ein Teil des gelun­ge­nen Gesamt-Kon­zepts.

Sol­che Künst­ler­ge­schich­ten, wie sie die bei­den in La La Land erzäh­len, gibt es vie­le in Hol­ly­wood, im Leben wie in der Illu­si­on des Kinos, man erin­nert sich viel­leicht an Mar­tin Scor­ses "New York, New York" von 1977, in dem Robert de Niro und Liza Minel­li eine ähn­li­che Bio­gra­phie in der End­pha­se der Big­Band-Ära erzähl­ten. Scor­se­se nann­te sei­nen Film damals ein "Film-Noir-Musi­cal", Cha­zel­les La La Land ist sei­ne jün­ge­re und bunt geklei­de­te Schwes­ter, behei­ma­tet weni­ger in den düs­te­ren Sze­na­ri­en der Ver­gan­gen­heit als in der Gegen­wart.

Manch einer mag die­sem Film Eska­pis­mus und Rück­wärts­ge­wand­heit vor­wer­fen wol­len, weil das genau in die heu­ti­ge Zeit zu pas­sen scheint. Wäh­rend sich die cine­as­ti­schen Archäo­lo­gen des tech­ni­schen Zeit­al­ters auf den gän­gi­gen Video­platt­for­men hüb­sche Gegen­schnitt­film­chen prä­sen­tie­ren, in denen die "Ori­gi­na­le" des Gen­res den La la Land-Sze­nen gegen­über­ge­stellt wer­den, getreu jener selbst­ver­ge­wis­sern­den Devi­se vom Wis­sen um die Wie­der­erkenn­bar­keit um das kul­tu­rel­le Erbe, löst sich Cha­zel­le von die­sem musea­len Ansatz.

Denn schaut man sich die inzwi­schen pro­mi­nen­tes­te Sze­ne genau­er an, jene nächt­li­che Begeg­nung der Prot­ago­nis­ten auf den Hügeln Los Ange­les, sieht man ein wer­den­des Paar der Gegen­wart. Bei­de waren zuvor mit unter­schied­li­chem Auf­trag auf einer Par­ty, er als Musi­ker, sie als Gast, immer auf der Suche nach Kon­tak­ten, die sie in ihrer Schau­spiel­kar­rie­re wei­ter­brin­gen könn­ten.

Man geht gemein­sam, auf der Suche nach dem Aller­welts­au­to der jun­gen Schau­spie­le­rin - "It's a Pri­us", selbst­ver­ständ­lich im Hol­ly­wood der Gegen­wart - das zwi­schen zahl­ei­chen ande­ren glei­cher Bau­art geparkt ist. Es ist eine laue Nacht, das Gespräch der bei­den bewegt sich im Bana­len und rührt in sei­ne Unbe­hol­fen­heit. Und, wie es im Musi­cal idea­ler­wei­se zu sein hat, wenn die Wor­te nicht rei­chen, wird die Emo­ti­on durch die Musik erst mög­lich. Der Dia­log wird zum Duett, das unbe­hol­fe­ne Gespräch wird zum ele­gant-fre­chen Screw­ball-Dia­log:

und wei­ter:

"And there's not a spark in sight What a was­te of a lovely night" (...)"

"And though you loo­ked so cute In your poly­es­ter suit - It's Wool".

Denn:

" There's some chan­ce for romance But, I'm frank­ly fee­ling not­hing"

Noch immer steht da die Behauptung des Desinteresses im Raum, also wird die nächste Eskalationsstufe aufgelegt, aus dem musikalischen Geplänkel wird die stärkste Waffe des Musicals, die gemeinsame Choreographie. Auch hier entsteht das Unwirkliche aus einem alltäglich anmutenden Moment, beide sind inzwischen an einer Bank eines Aussichtspunktes angekommen, Mia wechselt die Schuhe, vom HighHeel zum flachen Brogue – Sebastian nutzt die Gelegenheit, ihr Sand in die Schuhe zu schaufeln, aus der Abwehr entsteht eine erste synchrone Bewegung, der Tanz beginnt.

Und der ist weit entfernt von der entrückten Perfektion des alten Hollywood, man sieht nicht die virtuose Schwerelosigkeit Fred Astaires oder Gene Kellys, das Paar tanzt seinen Harmonien und Disharmonien in der ganzen Unperfektheit, die das Leben zu bieten hat. Gerade das macht die musicalhafte Entrückung brüchig, so brüchig wie die Geschichte, die weiterhin erzählt werden soll. Gleichzeitig ist das Ganze von berückend elegantem Charme, ein Paar, dem man in seinem Balzritual mit Freude und auch Ergriffenheit zuschaut. Und wenn die »Romantik« auch die Ahnung des Vergänglichen ist und die Flucht davor, ist diese Szene verdammt romantisch.

Es kommt, wie es kommen muss, die Szene gleitet aus der Musik, das technische Geräusch des Funkschlüssels schließt den Gleichklang ab, das Auto wird gefunden und beinahe alles ist wie vorher. Und man ahnt, was kommen wird, das Paar wird sich finden und wir schauen ihrem gemeinsamen und Leben zu.

Und doch ist hier einiges anders als in den vielen Romantic Comedies zwischen New Yorker Loft-Love und Berlin-Brandenburger Generation Y, denn Chazelle hat in der Tat einen durch und durch modernen Film gedreht, trotz seiner vielen Bezüge auf ein Genre, das im Kino komplett vergessen schien. Denn wir erleben nicht den Sieg der Illusion wie ehedem, nicht das in der Opulenz erstickte Finale, das vorbehaltlose Happy Ending. Die Beziehung der beiden wird scheitern, an der Alltäglichkeit, an den unterschiedlichen Lebenswegen ihrer Protagonisten und am Spagat zwischen dem Wunsch nach Freiheit und dem Wunsch, »etwas zu werden«.

In einer geradezu orgiastisch in Farbe und Form schwelgenden und fast viertelstündigen Rückblende am Schluss werden nun all jene Abzweigungen und Weichen, die der Zuschauer vorher miterlebt hat, aufgearbeitet – wir erleben all die möglichen Alternativen im Lebensweg der beiden. Was wäre passiert, wenn … diese Möglichkeit gibt es eben nur im Kino oder in der individuellen Phantasie des einzelnen.

Wieder entsteht hier etwas aus dem Moment, nimmt einen anderen Weg aus der Spielhandlung die Unwirklichkeit und Vertiefung der Illusion. Hier ist der Film näher an der Wirklichkeit als jeder andere seines Genres, spielt er mit all den verpassten Chancen und Möglichkeiten in einem Leben und zeigt auf wundersame Weise, dass es nicht nur den einen möglichen Weg zum Glück gibt. Und darin ist er tatsächlich frei von jeder Konvention, frei in den Gedanken. La La Land ist Jazz, in vielerlei Hinsicht, »It’s about the Future« – immerhin eine Hoffnung.

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Erstellt am 14.09.2018
Bearbeitet am 14.09.2018

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https://www.hamburger-feuilleton.de...

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