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Matthias Kreienbrink

Freier Journalist, Berlin

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Feature

Missbrauch in der Games-Industrie: "Viele wollen Sexismus in der Branche nicht sehen" - DER SPIEGEL - Netzwelt

Missbrauch in der Games-Industrie "Viele wollen Sexismus in der Branche nicht sehen"

Übergriffe, Missbrauch, Sexismus, Homophobie - in der Games-Industrie ist das Alltag. Zuletzt gingen viele Betroffene an die Öffentlichkeit. Zwei Streamerinnen und eine Entwicklerin erklären, was sich ändern muss.

"Wollen wir mal rammeln? Dann pushe ich dich auch in meinen Videos." Solche und ähnliche Sprüche hat Jasmin vor fünf Jahren öfter zu hören bekommen, als sie noch eine Gamerin war, die über ihr Hobby nur vor kleinem Publikum auf YouTube berichtet. Es seien männliche YouTuber mit vielen Followern gewesen, die ihr diese Angebote machten. Bekannte Gesichter. "Für mich war das nicht überraschend. Ich hatte damals schon akzeptiert, dass so der Umgang im Gamingbereich ist."

Die letzten Wochen haben sich so viele Frauen, nichtbinäre Personen und auch vereinzelt (queere) Männer zu Übergriffen und Missbrauch in der Videospielindustrie geäußert wie nie zuvor. Es sind Menschen, die in Entwicklerstudios arbeiten, Fans von bekannten Streamern und YouTubern und auch Mitarbeitende in der Gamingpresse, die davon berichten, belästigt, vergewaltigt, unter Druck gesetzt oder gemobbt worden zu sein. Einige der von ihnen beschuldigten Streamer haben Hunderttausende oder sogar Millionen Follower.

Mit der Videostreamingplattform Twitch kündigte eines der wichtigsten Unternehmen der Gamesbranche an, dass Streamer dauerhaft gesperrt werden könnten, die sexistischer Übergriffe beschuldigt werden. Die inzwischen zum Techkonzern Amazon gehörende Plattform steht seit Jahren wegen zaghaften Vorgehens gegen sexistische Kommentare und Beiträge in der Kritik.

Überraschen können die aktuellen Aussagen daher kaum. Sie scheinen viel mehr Symptome von grundlegenden Problemen in der Gamingindustrie zu sein. Probleme, die offenbar auch in Deutschland vorkommen, wie Gespräche mit Streamern aus Deutschland zeigen.

Jasmin (Nachname ist der Redaktion bekannt) hat inzwischen 629.000 Abonnenten auf YouTube, 115.000 Follower auf Twitch. Sie ist bekannt unter dem Namen Saftiges Gnu. "Würde ich heute noch mal solche Angebote von YouTubern erhalten, würde ich damit an die Öffentlichkeit gehen und Namen nennen - das habe ich in den Jahren gelernt", sagt sie.

Dass zuletzt so viele Anschuldigungen öffentlich wurden, befürwortet sie: "Ich finde es gut, dass sich immer mehr Menschen trauen, laut zu werden. Viel zu lange kam direkt der Vorwurf, dass man nur Aufmerksamkeit will, wenn man offen über Belästigungen und Missbrauch spricht."

Schon in ihrem ersten Job, in einer Videospielredaktion, habe ihr einer von zwei Chefs eindeutige Angebote gemacht. "Der hat mich belästigt, obwohl er Frau und Kinder hatte." Damals studierte sie Neue Medien, wollte in diesem Job erste Erfahrungen in der Branche machen. "Ich habe eine Mail an den zweiten Chef geschrieben, ihm geschildert, dass ich belästigt wurde", berichtet sie. Doch da die beiden Chefs befreundet waren, sei nichts passiert. "Ich bin dann gegangen." Diese Kumpelkultur sei ein großes Problem der Branche: Männer mit Macht, die sich gegenseitig kennen und schützen.

Heute kann Jasmin von ihrer Arbeit als Streamerin und YouTuberin leben. Sie möchte nun einem Netzwerk beitreten, in dem User gesperrt werden, die in einem dieser Kanäle beleidigend oder übergriffig geworden sind.

"Wer eine Frau beleidigt oder belästigt, der wird das auch bei anderen tun. Darum wird dieser User bei allen Kanälen gesperrt, die Teil des Netzwerks sind." Das Netzwerk funktioniert über einen Discord-Server, der mit Twitch-Kanälen verknüpft ist. Für sie könne ein solches Netzwerk von YouTubern und Streamern eine große Änderung bringen. Denn das Problem der Gamingbranche liege nicht nur in den Chefetagen der Firmen, sondern auch bei einigen Gamern.

"Männer holen sich Männer ins Team"

Wie verbreitet Sexismus unter Gamern sein kann, zeigt auch ein Blick in die Chats innerhalb der Spiele oder auf Gamerforen auf Plattformen wie Discord oder Steam. Immer wieder kritisieren Spielende, dass sexistische Beleidigungen hier Alltag seien. Ein Test von "Motherboard" zeigte 2018, dass auch die Entwickler der Spiele teilweise nur einen Bruchteil der rassistischen, sexistischen oder antisemitischen Kommentare löschen - selbst wenn diese gemeldet würden.

Anne Wernicke streamt unter dem Namen KyloAnne, hat 6.144 Follower auf Twitch und für sich einen Weg gefunden, mit Übergriffen im Chat umzugehen. "Ich habe User, die ich gut kenne, zu Moderatoren gemacht. Die stellen die störenden User stumm oder werfen sie direkt raus", sagt sie. Ihr Ziel sei, eine Onlineumgebung zu schaffen, in der niemand belästigt wird.

Auch sie sieht einen Teil des Problems bei den Gamern selbst. "Viele haben Scheuklappen auf, wollen Sexismus, Rassismus oder Homophobie in der Branche einfach nicht sehen", sagt sie. Daher gebe es zu selten wirkliche Konsequenzen für die großen Firmen. "Es wäre ja durchaus mal möglich, ein Spiel nicht zu kaufen, von dem man weiß, dass etwa Frauen in der Entwicklung schlimme Erfahrungen gemacht haben", sagt sie. Die Konsumenten und Konsumentinnen müssten selbst laut werden, wenn diese Fälle ans Licht kommen. Den Menschen, die von ihrem Missbrauch berichten, den Rücken stärken, damit die Angst geringer wird.

Auch die Kumpelkultur in den Firmen kenne sie, da sie selbst schon für einige Videospielmedien gearbeitet hat. "Da holen sich Männer andere Männer ins Team, die sie kennen. Zu selten kommen Menschen von außen rein, die dann sehen würden, was da strukturell schiefläuft", sagt sie. Besonders wenn es um wichtige Positionen gehe, handele es sich um einen kleinen Kreis, der das unter sich ausmacht. Obwohl es sich um eine Milliardenindustrie handelt, kenne fast jeder jeden, und vieles werde einfach verschwiegen. "Belästigungen, Machtmissbrauch, krasse Arbeitszeiten bis zum Crunch - das sind alles Symptome eines großen Missstands."

"Das muss sich jetzt einfach ändern"

"Die Gamingindustrie hat sich um die Idee herum gebildet, dass Leidenschaft das Wichtigste ist", weiß Renee Gittins, Executive Director des Verbands International Game Developers Association (IGDA) und selbst Videospielentwicklerin. Aus diesem Grund gebe es bis heute viele Führungskräfte, die wenig Erfahrung darin haben, eine große Firma zu leiten. "Da haben vor Jahren Freunde Firmen zusammen gegründet, die heute Hunderte Mitarbeiter haben, aber an der Führung hat sich kaum etwas geändert", sagt sie. Und so komme es immer wieder zum Missbrauch von Macht, zu sexuellen Übergriffen, weil Strukturen gewachsen seien, in denen diese Missstände kaum eine Rolle spielen.

"Das muss sich jetzt einfach ändern", sagt sie. Und es müsse in den Führungspositionen beginnen. 2019 hat die IDGA in einer Umfrage festgestellt, dass 64 Prozent der Firmen, die teilgenommen haben, Richtlinien gegen sexuelle Belästigung implementiert haben. "Das Problem ist aber, dass diese zu oft nicht angewendet werden, die Führungsetage achtet zu wenig darauf", sagt Renee Gittins.

"Jede Person, die redet, steht für Dutzende, die nichts sagen"

"Was wir erst mal brauchen, ist die Anerkennung des Problems - in allen Bereichen der Industrie", sagt Renee Gittins. "Und dann braucht es mehr Diversität in den Führungsetagen. Wenn die Gamingbranche größtenteils von einer Gruppe - weißen, heterosexuellen Männern - geführt wird, werden die Probleme nicht enden, denn dann werden sie zu großen Teilen erst gar nicht als Problem erkannt."

Es dürfe niemanden mehr überraschen, wenn wieder Betroffene davon berichten, was ihnen in der Gamesbranche passiert ist. "Denn ich weiß: Jede Person, die redet, steht für Dutzende, die nichts sagen."

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Erstellt am 04.07.2020
Bearbeitet am 04.09.2020

Quelle
https://www.spiegel.de/netzwelt/gam...

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gesellschaft videospiele missbrauch games gaming digital
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