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Schwule Schläger und verliebte Mädchen

Videospiele waren lange vor allem auf ein männliches, heterosexuelles Publikum ausgerichtet. Inzwischen gibt es immer mehr queere Figuren und Geschichten in den virtuellen Welten. Ein Streifzug.

In der Männerdusche eines Fitnessstudios. Ein Mann kommt herein und gibt dem nächstbesten Duschenbesucher eine Rückenmassage. Keine ungewöhnliche Szene? Doch, denn hier handelt es sich um ein Videospiel. Es heißt "Rinse And Repeat" und kann umsonst im Netz heruntergeladen werden.

Mit einer ähnlichen Szene wie diese Crusing-Simulation begann auch die erste Staffel der Erfolgsserie "Orange Is The New Black" - allerdings war sie in einem Frauengefängnis angesiedelt. Und ganz ähnlich wie in TV-Serien tauchen auch in Videospielen zunehmend queere Themen und Charaktere auf. Die Spieler und Spielerinnen haben die Möglichkeit, verschiedene Sexualitäten auszutesten.

Doch bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg. Homosexuelle Spiel-Charaktere galten in den 80er und 90er Jahren kaum als Kaufargument, vielmehr wurden sie als Risiko gesehen. Deshalb war es vor allem an den Indie-Entwicklern, queere Geschichten zu erzählen und queeren Figuren einen Platz in diesem interaktiven Medium zu verschaffen.

Geht man den Pfad zur heutigen relativen gegenüber Offenheit queeren Charaktere entlang, so begegnet man zunächst nur kleinen, kaum wahrnehmbaren Nebenfiguren. Über homosexuelle Figuren wurde mehr gemunkelt, es gab Andeutungen, Charaktere äußerten subtile Liebesbekundungen. In Booklets fand man obskure Beschreibungen. Kurzum, es existierten nur wenige offen als queer inszenierte Charaktere. Und wenn doch, dann handelte es sich oft um die stereotype Tunte. So etwa in "Streets of Rage 3" (1994), ein Kampfspiel, in dem ein Endgegner der flamboyante "Ash" war. Diese nur in der japanischen Version enthaltene Figur war eine nerviger Typ, nur dazu da, verprügelt zu werden.

"Ash" ist schwul. Darum muss er Leder tragen:

Bekannter dürfte die Figur "Birdo" sein. Den ersten Auftritt, wenn auch noch unter dem Namen "Ostro", hatte sie im 1992 veröffentlichten Jump'n'Run-Spiel "Super Mario Bros. 2" (in Japan zuerst unter dem Titel "Yume Kōjō: Doki Doki Panic" erschienen). Seitdem ist dieser Charakter in vielen Nintendo-Spieleserien aufgetaucht: "Mario Kart", "Mario Tennis", "Mario Golf" und weitere.

Eine transsexuelle Eierspuckerin

Interessant an diesem pinken Wesen mit eierschießender-runder Mundöffnung ist, dass dieses im Booklet der ersten Veröffentlichen auf dem US-amerikanischen Markt als Mann beschrieben wird, der aber denkt, eine Frau zu sein. Seitdem hat Nintendo viel herumlaviert. Mal war es eine Frau, die "Birdo" eine Stimme gegeben hat. Dann wieder wurde der Figur eine „neutrale" Stimme eingeschrieben (gesprochen, im herkömmlichen Sinne, hat sie sowieso nie). Auch heißt es in einigen Spielen, dass "Birdos" Geschlecht nicht definierbar sei. Dann wieder greifen andere Spiele erneut die ursprüngliche Zuschreibung auf. Dass es sich bei "Birdo" um einen transsexuellen Charakter handelt, wird jedoch nie offen gesagt. Dennoch gilt sie als erste transsexuelle Figur in einem Videospiel.

Überhaupt tut sich Nintendo schwer damit, queere Charaktere in seine Spiele einzubauen. Betont wird immer wieder die Familienfreundlichkeit des Unternehmens. In der Lebenssimulation "Tomodachi Life" (erschienen April 2013 in Japan, Juni 2014 in Europa) war es den Spielenden nicht möglich, homosexuelle Lebenspartnerschaften einzugehen. Nach Kritik von Fachpresse und Publikum äußerte Nintendo schlichtweg, dass das Spiel kein gesellschaftlicher Kommentar sei und man solche Art Beziehungen daher nie eingeplant hätte.

Dass sich Spieler und Spielerinnen einfach nur selbst in einer Lebenssimulation wiederfinden wollen, oder - welch verrückter Gedanke - auch nicht-queere Menschen gerne einmal "das Andere" in einem Spiel ausprobieren möchten, kam Nintendo offenbar nie.

Doch sobald man ganze Personengruppen aus einem Spiel ausschließt, wird es unweigerlich zu einem gesellschaftlichen Kommentar. Denn es propagiert ein Familienbild, das nur Verbindungen zwischen Männer und Frauen zulässt.

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