Matthias Jundt

Redaktionsvolontär der Mittelbadischen Presse, Offenburg

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Interview

Stefan Weis, Kumpel seit fast 20 Jahren: »Einmal Bergmann, immer Bergmann«

Seit fast 20 Jahren arbeitet Stefan Weis ausschließlich bei künstlichem Licht. Der 40-Jährige ist Bergmann, »Kumpel« also. Sein Arbeitsort ist die Grube Clara in Oberwolfach. Mit dem Offenburger Tageblatt sprach er über die Liebe zu seinem Beruf, die Veränderungen in der Branche erklärt, weshalb Glück auf nicht bloß eine Phrase ist.

Glück auf, Herr Weis. Das sagt man doch so, oder?

Stefan Weis: Genau, so begrüßen sich die Bergmänner unter sich.

Und was bedeutet das?

Weis: Es hat zwei Bedeutungen. Erstens, dass wir wieder gesund aus der Grube herauskommen. Und zweitens, dass sich immer wieder neue Erzgänge auftun. Deshalb Glück auf.

Ist Glück auf also mehr als nur eine Grußformel?

Weis: Genau. Der Steiger, also der Schichtleiter, muss mehrmals pro Schicht nach jedem Mitarbeiter schauen. Auch dann grüßen wir uns mit Glück auf. Wir verwenden das mehrfach am Tag. 

Sie sind seit knapp 20 Jahren Bergmann. Wie kam es dazu?

Weis: Durch Bekannte habe ich mitbekommen, dass hier in Oberwolfach Leute gesucht werden. Ich habe eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht. Für mich war aber schnell klar, dass ich das nicht bis zur Rente machen will. Ich wollte schon immer lieber etwas mit großen Maschinen machen. Also habe ich mich beworben – mit Erfolg.

Gibt es auch eine Ausbildung zum Bergmann?

Weis: Ja, aber nicht in Oberwolfach. Die meisten meiner Kollegen haben einen Handwerksberuf erlernt. Wir haben hier auch Bäcker oder Metzger. Ein erlernter Beruf ist die Voraussetzung. Danach folgt die betriebsinterne Ausbildung. Man fängt als Lehrhauer an. Nach drei Jahren absolviert man die Hauerprüfung und ist dann gelernter Hauer. Wer will, kann auch die Spreng-ausbildung ablegen – so wie ich. Derzeit bin ich in der Ausbildung zum Steiger. 

Sie bezeichnen den Beruf des Bergmanns als Ihren Traumjob. Warum? 

Weis: Das Interessante ist, dass man unter Tage an Orte kommt, an denen nie zuvor ein Mensch war. Man dringt immer wieder in neue Bereiche vor und weiß nie genau, was auf einen zukommt. Jeden Tag kommt etwas Neues. Ich will nie wieder etwas anderes machen. Ich spreche da auch für meine Kumpel: Einmal Bergmann, immer Bergmann. 

Wie muss man sich Ihren typischen Arbeitsalltag vorstellen?

Weis: Wir arbeiten in der Regel im Zwei-Schicht-Betrieb – früh von sechs Uhr bis 13.42 Uhr und spät von 14.18 Uhr bis 22 Uhr. In der Weißkaue lege ich die Alltagskleidung ab, gegenüber, in der Schwarzkaue, ziehe ich dann meine Arbeitskluft an. Zu der gehört der Helm mit einer Kopflampe, Arbeitskleidung mit Signalstreifen. Ganz wichtig sind auch die Gummistiefel, weil es unter Tage nass und matschig ist. Der Gehörschutz darf nicht fehlen und natürlich der Selbstretter.

Selbstretter?

Weis: Das Schlimmste für einen Bergmann ist ein Feuer. Das nimmt ihm die Luft zum atmen. Im Selbstretter wird Sauerstoff von der Ausatmenluft wiederaufbereitet. Damitkann ein Bergmann mehrere Stunde überleben. Zum Glück musste ich aber noch nie darauf zurückgreifen.

Bleiben wir kurz bei Unfällen. Wie gefährlich ist Ihr Beruf?

Weis: Der Bergbau bringt natürlich gewisse Gefahren mit sich. Er ist aber nicht gefährlicher als der eines Forstarbeiters. Man muss einfach einen gewissen Respekt mitbringen. Man darf nie in Routine verfallen, immer genau überlegen, was man macht und sich auf den Kumpel verlassen können. Die Sicherheit hat bei uns höchste Priorität. Wenn es zu unsicher wird, haben wir etwa Teleskoparme oder fernsteuerbare Lader. 

Zurück zum Arbeitsalltag.

Weis: Nach dem Anziehen werden wir vom Steiger, dem Schichtführer, eingeteilt. Der entscheidet, wer an welchem Ort und an welcher Maschine was macht. In der ersten Hälfte der Schicht bohren wir Sprenglöcher. Die werden dann mit Sprengstoff geladen. Danach wird gesprengt. Die halbstündige Pause wird dann dazu genutzt, die Sprengschwaden zu beseitigen und Frischluft von über Tage zuzführen. 

Was passiert nach der Pause?

Weis: Mithilfe der Radlader schaffen wir dann das Gestein weg. Im Nachgang muss der Ort dann gesichert werden. Dafür fahren wir mit dem Bagger hin, holen das lose Gestein raus. Dann wird entschieden, wie wir den neuen Bereich sichern: Brauchen wir Spritzbeton? Brauchen wir zusätzliche Gebirgsanker? Es gibt verschiedene Ausbauarten – individuell für jeden Ort.  Pro Schicht kommen wir zwei Meter voran. 

Warum graben Sie überhaupt in Oberwolfach?

Weis: Wir folgen hier immer der Fluss- und Schwerspatader. Die wird mit der Zeit immer tiefer. Mittlerweile sind wir bei circa 850 Metern Tiefe angelangt. Unser gesamtes Streckennetz ist mehr als 30 Kilometer lang.

Fast zwei Jahrzehnte arbeiten Sie unter Tage. Haben Sie Verschleißerscheinungen feststellen können?

Weis: So hart wie früher ist die Arbeit nicht mehr. Wir fahren mit den Geländewagen »vor Ort«, also bis zur Arbeitsstelle. Dort sind unsere Maschinen, wie Bohrgeräte, Radlader, Spritzbetonfahrzeuge, Bagger. Wer unter Tage arbeiten will, darf keine Probleme mit der Dunkelheit, der Enge oder der besonderen Luftverhältnisse haben. Verschleißerscheinungen an mir habe ich aber keine feststellen können. Wenn man die Schutzausrüstung immer korrekt trägt, passiert nichts.

Dann, Glück auf, Herr Weis.